Udo SchiefnerSPD - Petitionen zum Thema „Arbeitslosengeld II“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kipping, ich muss hier einmal ganz deutlich sagen: Wer dem Mindestlohn nicht zustimmt, darf meiner Meinung nach nicht mit Belehrungen oder Vorwürfen in dieser Debatte kommen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh nein!)
Ihr Beitrag zielte mehr auf Effekthascherei ab als auf eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch das muss man an dieser Stelle deutlich sagen.
Ich möchte für meine Fraktion noch einmal betonen: Erstens.
Kollege Schiefner, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Birkwald?
(Günter Baumann [CDU/CSU]: Es wird nicht besser dadurch!)
Bitte.
Herr Kollege, haben Sie herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Der gesetzliche Mindestlohn ist nicht eine Erfindung der SPD.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Der gesetzliche Mindestlohn wurde das erste Mal von unserer Vorvorvorgängerpartei, der PDS, in den Deutschen Bundestag eingebracht.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Kerstin Griese [SPD]: Franz Müntefering!)
Als Zweite hat die Gewerkschaft NGG einen gesetzlichen Mindestlohn gefordert.
Drittens. Ich erinnere mich an eine Parteiveranstaltung der SPD auf Bundesebene, auf der die heutige Bundesministerin für Arbeit und Soziales als Juso-Vorsitzende einen gesetzlichen Mindestlohn forderte.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann doch nicht sein! Wir reden über was anderes!)
Die flammende Gegenrede dazu stammte von Franz Müntefering. Daraufhin hat sich die SPD gegen einen Mindestlohn ausgesprochen.
(Katja Mast [SPD]: Wer hat es gemacht? Wir haben es gemacht!)
Viertens. Es gab x-mal Antworten aus dem Bereich der Sozialdemokraten, dass ein gesetzlicher Mindestlohn Unsinn sei und dass das nur die Tarifpartner klären könnten.
(Lachen bei der SPD)
Nur aufgrund des Druckes der PDS, der Linkspartei, der WASG und der Linken gibt es überhaupt in diesem Land einen gesetzlichen Mindestlohn.
(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Ei, ei, ei! – Und der SPD!)
Als Letztes möchte ich Ihnen sagen: Die Linke hat diesem Mindestlohn nicht zustimmen können, weil er mit 8,50 Euro viel zu niedrig ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Heute braucht man 11,68 Euro, um nach 45 Jahren harter Arbeit eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu haben.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht die Debatte nicht wirklich besser!)
Wir Linken wollen einen Mindestlohn ohne alle Ausnahmen. Bitte: Was sagen Sie dazu?
(Beifall bei der LINKEN – Katja Mast [SPD]: Wer hat ihn gemacht, den Mindestlohn?)
Lieber Kollege, was ich dazu sagen würde, wäre wahrscheinlich ein den Nachmittag füllendes Programm. Aber eines möchte ich doch feststellen: Ich möchte hier nicht die historische Debatte führen.
(Zurufe von der LINKEN)
Letztlich ist entscheidend, was am Ende herauskam.
(Beifall bei der SPD)
Das sind dank der Sozialdemokratie 8,50 Euro.
(Lebhafter Beifall bei der SPD)
Wäre man Ihrem Weg gefolgt, hätte man gar nichts. Ich sage ganz deutlich: 8,50 Euro sind in der Tat wirklich eine untere Grenze. Daran werden wir noch arbeiten. Aber wir waren diejenigen, die den Mindestlohn letztlich durchgesetzt haben. Auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
(Lebhafter Beifall bei der SPD – Zurufe von der LINKEN)
Auch den zweiten Punkt dazu möchte ich ansprechen. Dass Sie die NGG erwähnt haben, macht mich stolz als NGG-Mitglied – damit Sie das auch einmal wissen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deshalb habe ich es doch gesagt!)
Auch ich habe dort für den Mindestlohn gekämpft.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber lange vor der SPD!)
– Das spielt doch keine Rolle. Am Ende haben wir den Mindestlohn. Wir haben ihn dank der SPD.
(Zurufe von der LINKEN)
– Da können Sie noch so laut dazwischenrufen. Ihre geschichtliche Abhandlung war sehr interessant, aber am Ende ist entscheidend, was herauskommt, und das sind 8,50 Euro.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können wir mal über Sanktionen reden?)
Meine Damen und Herren, um es deutlich zu machen – Kollege Paschke hat es auch schon auf den Punkt gebracht –: Ja, wir müssen die Praxis der Sanktionen beim Arbeitslosengeld II prüfen. Werden die Regelungen richtig angewandt? Werden sie auch richtig umgesetzt? So viel zum Handlungsbedarf, den wir natürlich auch erkennen. Aber wir sagen ganz klar: Nein, wir können und wollen Sanktionen nicht komplett abschaffen, denn sie gehören zum Prinzip des Förderns und Forderns.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich halte auch nichts davon, auf das Mitwirken der Menschen zu verzichten.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann wird denn geprüft?)
Keine Erwartungen an die Menschen zu haben, ist kein Zeichen von Respekt in diesem System, das wir für absolut richtig halten.
(Beifall bei der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss doch erst mal Strukturen schaffen, die das Fördern ermöglichen, bevor man fordert!)
Ich halte nochmals fest – das wurde auch schon deutlich –: Aus Sicht der SPD gibt es Grundbedürfnisse, die von Sanktionen ausgenommen bleiben müssen. Das sind das Wohnen, das Heizen, die medizinische Versorgung sowie ausreichendes Essen. Das versteht sich für Sozialdemokraten von selbst, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Und auch für Christdemokraten! – Heiterkeit bei der SPD)
– Und auch für Christdemokraten, danke Herr Kollege Mattfeldt.
Auch wenn wir dem Anliegen der Petition nicht folgen, meine ich, dass wir schon stolz auf unser Petitionsrecht sein können, darauf, dass wir diese Petition an so prominenter Stelle debattieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Denn es wird deutlich: Die Petition ging an den richtigen Adressaten, den Deutschen Bundestag, den Gesetzgeber. In Petitionen geht es immer auch um die Nebenwirkungen von Gesetzen und Verordnungen. Darum haben wir den Handlungsbedarf bei der Überprüfung. Aber es geht auch darum, dass Petitionen genau geprüft und genau beurteilt werden, um letztlich eine Entscheidung zu treffen.
(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann vom Tisch gewischt werden!)
Dies ist nur möglich durch das transparente Petitionsrecht, das Artikel 17 Grundgesetz vorgibt.
Sie haben eben selber den Prozess geschildert, der bei dieser Petition hinter uns liegt. Am 17. März 2015 gab es eine öffentliche Anhörung. Die Petentin hatte Gelegenheit, ihr Anliegen persönlich vorzutragen. Wir haben diskutiert mit der Petentin und Vertretern der Bundesregierung. Man kann nicht sagen, dass diese Petition nicht ausführlich im Petitionsausschuss behandelt wurde.
(Zuruf von der LINKEN: Das ist auch nicht das Problem! – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir hatten auch keine andere Wahl!)
Wer das sagt – das muss man ehrlich und offen deutlich machen –, nimmt nicht wahr, dass wir ein ganz transparentes Verfahren hatten. Letztlich haben wir entschieden.
(Zuruf von der LINKEN: Entscheidend ist das Ergebnis!)
Die Entscheidung, denke ich, muss man in dieser Form respektieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das hat mit Demokratie zu tun! Das ist fremd für manche!)
Ich denke, wir sollten die Bürgerinnen und Bürger ermutigen, von ihrem Petitionsrecht Gebrauch zu machen. Denn nur so werden wir über die Nebenwirkungen von Gesetzen und Verordnungen informiert. Jeder hat das Recht, seine Anliegen, seine Bedürfnisse, seine Anregungen im Rahmen des Petitionsrechts einzufordern und beim Petitionsausschuss einzureichen. Da ist nicht entscheidend, wie viele Unterschriften oder Klicks im Internet gesammelt wurden.
(Günter Baumann [CDU/CSU]: Richtig!)
Es ist auch unwichtig, ob das Anliegen gelikt wurde. Jede Petition – dies möchte ich noch einmal betonen – wird im Petitionsausschuss dieses Hauses ernst genommen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Kersten Steinke [DIE LINKE])
Das sollten Sie bitte schön nicht infrage stellen.
Unsere Arbeit im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages unterscheidet sich deutlich von den sogenannten Erregungsplattformen – so nenne ich es einmal –, die sich in den Weiten des Internets tummeln. Das ist auch gut so. Es gibt viele private Plattformen, da steht zwar auf der Packung Petition, es ist aber keine Petition drin.
(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit der Petition von Frau Hannemann zu tun?)
Jetzt liest man in diesen Tagen auch noch, dass sie unter dem Verdacht stehen, Nutzerdaten missbraucht zu haben; das nur am Rande.
Vor diesem Hintergrund – die heutige Debatte beweist im Gegensatz dazu doch wieder einmal mehr den Wert der echten Petition – kann ich Sie alle nur aufrufen, die Bürgerinnen und Bürger auf der Besuchertribüne, aber auch diejenigen, die dieser Debatte am Fernseher folgen: Nutzen Sie Ihr Petitionsrecht. Es lohnt sich.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der Kollege Andreas Mattfeldt hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 168 |
Tagesordnungspunkt | Petitionen zum Thema „Arbeitslosengeld II“ |