29.04.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 168 / Tagesordnungspunkt 28

Gustav HerzogSPD - Weiterentwicklung des Bundesverkehrswegeplans

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei den gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Grünen und der Union musste ich etwas schmunzeln. Die Grünen haben beim Bundesverkehrswegeplan mitgewirkt, und kurz danach war die Union in der Regierungsverantwortung. Wir müssen also sehen, dass wir alle für den heutigen Zustand die Verantwortung tragen. Deswegen ist etwas mehr Zurückhaltung in dieser Frage geboten. Und so schlecht war das ja auch wirklich nicht.

Vor wenigen Tagen hat mir Staatssekretär Ferlemann eine Liste darüber zugeschickt, was denn aus dem letzten Bundesverkehrswegeplan im Bereich Fernstraße erledigt worden ist. Danach liegen wir für das Jahr 2014 bei 70 Prozent. Wenn man jetzt das hineinrechnet, was damals als Planungsreserve angenommen worden ist, dann kann man sagen, dass wir insgesamt gute Arbeit im Bereich Neu- und Ausbau geleistet haben. Ich gebe allen recht, die sagen, wir hätten mehr im Bereich des Erhalts tun müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grünen verlangen, dass wir den Bundesverkehrswegeplan weiterentwickeln. Deswegen lohnt sich der Blick zurück auf das Jahr 2003. Hat es denn eine Weiterentwicklung zu diesem Entwurf gegeben? Ja, es hat sie, was das Verfahren angeht, gegeben. Noch niemals war das Verfahren so transparent und mit so viel Bürgerbeteiligung versehen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Frau Kollegin Wilms, es wurde bewusst ein erster Arbeitsentwurf erstellt. Die Regierung sagt: Wir nehmen den Sachverstand der Bürgerinnen und Bürger bzw. aller, die sich beteiligen wollen, um aus einem guten Plan einen besseren zu machen. Und das Sahnehäubchen setzen wir als Parlament dann darauf.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auf Ihre eigene Umweltministerin hören Sie nicht mehr, oder?)

Ich komme zu den Inhalten, die dieser Plan enthält. Ich glaube, die Opposition war richtig erschrocken, als der Bundesverkehrsminister den Plan im Ausschuss vorlegte; denn alle ihre Erwartungen – die darauf hinausliefen, wir würden jetzt nur noch Straßen bauen und keinen Erhalt mehr vornehmen; also all das, was Sie sich so an Kritik vorgenommen haben – haben sich nicht erfüllt. Diese Kritik können Sie doch einpacken.

(Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Sie ist einfach nicht gerechtfertigt, weil das, was im Koalitionsvertrag festgelegt worden ist und was wir am 25. März letzten Jahres gemeinsam im Deutschen Bundestag beschlossen haben, vollzogen worden ist: Erhalt vor Neubau, eine ausgewogene Verteilung auf die Verkehrsträger und Beseitigung von Engpässen.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Leidig zu?

Aber immer doch, gerne.

Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Also, wir sind gar nicht erschrocken, weil wir es gar nicht anders erwartet haben. Ich möchte Ihnen aber schon ganz ernsthaft, Kollege Herzog, eine Frage stellen. Es gibt die Vorstellung, dass wir in 34 Jahren – um mehr Zeit geht es nicht; es ist wahrscheinlich so, dass wir es noch erleben können – mit null Öl- und CO 2 ‑Emissionen auskommen sollen. Können Sie sich vorstellen, wie das mit der Infrastruktur realisiert werden soll, auf die Sie jetzt zusteuern? Das interessiert mich einfach. Ich finde es auch schwer vorstellbar, aber meine Wahrnehmung ist, dass die Menschen vor Ort eine viel größere Vorstellungskraft haben und vieles davon schon realisieren.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Sie haben doch geredet!)

Es gibt praktisch gegen alle großen Autobahnausbau- und -neubauprojekte seit Jahren Bürgerinitiativen.

Ich möchte gerne wissen:

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt mal eine Frage, bitte! – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Frage!)

Welche konkrete Vorstellung haben Sie davon, wie dieser Umbau stattfinden soll?

Frau Kollegin Leidig, ich glaube, Sie machen einen grundlegenden Denkfehler, weil Sie der Auffassung sind, die Straße, die Schiene oder die Wasserstraße produzieren CO 2 oder NO x .

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Aber das, was darauf fährt!)

Das ist nicht der Fall.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Natürlich!)

Es sind die Verkehrsmittel, die darauf bewegt werden.

Jetzt erläutere ich Ihnen meine Version: Auf der Wasserstraße werden die Schiffe mit Wasserstoff- und Brennstoffzelle fahren. Wir werden den Schienenverkehr, ob Nahverkehr, Fernverkehr oder Güterverkehr, bis 2050 zu 100 Prozent mit grünem Strom versorgen, und es wird auch weiterhin der Individualverkehr mit dem Pkw stattfinden. Mit der Elektromobilität werden wir dafür sorgen, dass kein CO 2 ‑Ausstoß erfolgt. Aber weiterhin wird die Straße, ob Bundesstraße oder kommunale Straße, notwendig sein. Das werden wir in 2050 haben: CO 2 ‑freier Verkehr auf Straße, Schiene und Wasserstraße.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Und die Lkws? Das ist eine absurde Vorstellung: Lkws mit Elektromotor!)

Ich war gerade bei der Frage der Kollegin Wilms nach einem Vorrangnetz. Frau Kollegin Wilms, wenn Sie sich die Arbeit machen, das nachzulesen, was wir im Bundesverkehrswegeplan zur Engpassbeseitigung skizziert haben, zum Beispiel bei TEN‑Projekten und den Wasserstraßen der Kategorie A, dann stellen Sie eine große Übereinstimmung fest. Das, was Sie als Vorrangnetz wünschen, ist bereits im Plan abgebildet.

(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Ortsumfahrungen, Herr Kollege? 25 Prozent Ortsumfahrungen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe ein anderes Problem. Wir haben einen Plan. Wir haben Geld. Aber wir suchen die Ressource, um das alles in den nächsten Jahren umzusetzen. Wir haben heute Morgen die Vertreter der DB AG gezielt gefragt, wie sie das alles umsetzen wollen. Wir wissen aus der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, dass dringend Personal für Planung und Bau benötigt wird. Wir wissen auch, dass die Länder häufig nicht in der Lage sind, all das umzusetzen, was wir für notwendig halten. Von daher sollten wir in Zukunft das Augenmerk verstärkt darauf richten, wie wir all das Gute, das wir im Deutschen Bundestag beschließen werden, dann auch dem Bürger und der Bürgerin zur Verfügung stellen können.

Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans ist positiv bewertet worden. Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister hat ihn als größtes Antistauprogramm für sein Land bezeichnet.

(Martin Burkert [SPD]: Welcher denn?)

Bei Bayern tue ich mich etwas schwer, Kollege Burkert, weil ich nicht genau weiß: Wer ist wofür oder gegen etwas, und zwar parteiübergreifend? Aber die anderen, die sich mit Verkehrspolitik beschäftigen, finden es gut. Ich nehme es als ein positives Signal, dass es auch seitens derjenigen, die immer darauf achten, ob die Ahrensburger Liste und die Düsseldorfer Liste berücksichtigt worden sind, eine große Übereinstimmung gibt. Da haben wir unsere Hausaufgaben gemacht.

Weil alle Parteien bis auf die Linke am 13. März in drei Ländern in Regierungsverantwortung hineinmanö­vriert wurden, halte ich fest: Auch in den Koalitionsverträgen in den drei Ländern findet der Bundesverkehrswegeplan mit geringen Abweichungen Zustimmung.

Ich will mich noch in drei Punkten mit den Kritikern auseinandersetzen.

Erstens, der Klimaschutz. Frau Kollegin Leidig, es geht um den Bundesverkehrswegeplan, nicht um den Klimaschutzplan der Bundesrepublik.

(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das muss doch zusammenpassen!)

Es findet aber in diesem Plan eine sehr sorgfältige Abwägung statt, welche Auswirkung welcher Investitionsanteil bei den verschiedenen Verkehrsträgern hat. Eine Erhöhung der Investitionen auf 62 Prozent bei der Schiene würde lediglich zu einer Einsparung von 1 Million Tonnen von 190 Millionen Tonnen CO 2 im Jahr 2030 führen. Der gesellschaftliche Anspruch der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs überwiegt hier eindeutig.

Den zweiten Punkt – Thema Klimaschutz – habe ich schon genannt: Wir müssen darauf setzen, dass die Verkehrsmittel, die genutzt werden, CO 2 -frei unterwegs sind.

Was den Flächenverbrauch angeht, habe ich einen Blick in die große Liste des Umweltbundesamtes geworfen. Damit werden wir uns insgesamt noch sehr sorgfältig auseinandersetzen. Zum Lückenschluss der A 1 zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind drei Projekte vorgesehen, darunter eines über eine Strecke von 10 Kilometern und eines über 6 Kilometer. Zwei dieser Projekte sollen umgesetzt werden; eines wurde vom UBA gestrichen. Das ist nicht logisch. Deswegen müssen wir uns noch einmal damit befassen. Es kann jedenfalls nicht allein um den Flächenverbrauch gehen.

Abschließend will ich noch etwas zur Verlagerungsperspektive sagen. Wir geben deutlich mehr Geld für Schiene und Wasserstraße aus, als diese an Verkehrsleistungen erbringen. Frau Kollegin Leidig, im Übrigen stellt der Bund den Ländern 8 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln für den Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung. Das ist mehr, als wir für die Straße ausgeben.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Aber deutlich zu wenig!)

Das ist mehr, als wir für die Schiene ausgeben. Das ist mehr, als wir für den Fernverkehr ausgeben. Das ist mehr, als wir für die Wasserstraße ausgeben. Ihre Behauptung, der Bund komme seiner Verantwortung für den kommunalen Verkehr nicht nach, geht völlig an der Wirklichkeit vorbei.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Sie geben 7 Milliarden Euro für die Dieselsubventionen aus! Das ist Unsinn! Da machen Sie sich etwas vor!)

Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte hat Ulrich Lange von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6795017
Wahlperiode 18
Sitzung 168
Tagesordnungspunkt Weiterentwicklung des Bundesverkehrswegeplans
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta