11.05.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 169 / Zusatzpunkt 1

Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu TTIP

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Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hofreiter, Ihre Eröffnungsrede anlässlich dieser Aktuellen Stunde kam mir schon vor wie die Aktion „Rettet das Chlorhühnchen!“.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hä?)

Sie wollen das Chlorhühnchen zwar nicht auf dem Teller haben, aber Sie wollen diesen Fetisch, diese Gerüchte, die Angst, die Sie um diese Handelsabkommen verbreiten, möglichst lange konservieren, und dafür ist Ihnen fast jedes Mittel recht.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch jetzt überhaupt keine Logik!)

Aber ich muss Ihnen sagen: Getretener Quark wird breit, nicht stark.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll das denn jetzt?)

Es ist bis zu den nächsten Wahlen genügend Zeit, um die Wählerinnen und Wähler darüber aufzuklären, dass die Sorgen und Ängste um dieses Handelsabkommen unbegründet sind.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei! Wir unterstützen Sie! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre super, wenn Sie das im Wahlkampf machen! Danke!)

Was mich im Übrigen auch schockiert: Es ist schon sehr interessant, in welcher Allianz die Gegner des transatlantischen Handelsabkommens unterwegs sind.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt wird es spannend!)

Da ist in Amerika Donald Trump, da ist die Frau Petry von der AfD,

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Grünen und die Linken!)

da sind die Geschäftsleute von Campact, da ist Attac, da ist die Linke, und die Grünen sind mittendrin.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist Hillary Clinton! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Und die FPÖ!)

Interessant ist aber, dass einige Grüne hier fehlen. Wo ist eigentlich Herr Janecek? Er ist doch ein ganz vernünftiger Mann; mit dem kann man vernünftig über TTIP reden.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist Hillary Clinton!)

Wo ist denn Herr Kretschmann, der gerade einen Koalitionsvertrag unterschrieben hat? Vor einem Jahr haben mir Leute aus der baden-württembergischen Landesregierung, aus der damaligen grün-roten Landesregierung, gesagt: An uns wird TTIP nicht scheitern; das können wir uns gar nicht leisten. Warum? Weil es dem Mittelstand hilft und weil es ein Programm zur Förderung des Mittelstands und seiner Exportchancen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum glauben die Mittelständler das denn?)

Das möchte ich Ihnen kurz darlegen; wir versuchen ja, sachlich über dieses Thema zu diskutieren. Es wird immer die Angst verbreitet, ein solches Handelsabkommen würde vor allem den Großen, den Multis nutzen, und die Kleinen hätten nichts davon. Ich sage Ihnen: Herr Mattes zum Beispiel, der Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland und Ford-Chef in Köln ist, sagt: Na ja, wir produzieren ja in Amerika. Auch BMW, Mercedes und Volkswagen produzieren in Amerika. Die haben nicht so große Probleme, amerikanische Standards einzuhalten. – Aber zum Beispiel die Hersteller von gefährlichen Produkten wie Sägeblättern – ich habe einen solchen Hersteller in meinem Wahlkreis – haben große Sorge davor, dass sie aufgrund der hohen Anforderungen der Genehmigungsstandards in Amerika mit ihren Produkten nicht so präsent auf dem dortigen Markt sein können, wie sie es gerne wären. Sie bekommen eine Chance, wenn wir es tatsächlich erreichen, die Standards ein Stück weit aneinander anzugleichen.

(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, was jetzt?)

Von daher ist es für mich eine große Chance, auch für den Mittelstand mit diesem Handelsabkommen eine Brücke zu bauen, was den Export nach Amerika, nach Kanada und in die USA betrifft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte noch einen Satz zum Thema Vorsorgeprinzip sagen. Es gibt zwei unterschiedliche Rechtstraditionen. Ich möchte darauf hinweisen, dass es in Europa natürlich jede Menge Produkte gibt, bei denen das Vorsorgeprinzip überhaupt keine Rolle spielt. Beim Vorsorgeprinzip geht es bei uns um die Produkte, die gefährlich oder besonders sensibel sind, etwa um Pharmazieprodukte, Chemieprodukte, Lebensmittel usw. Hier haben wir einen hohen Standard, und da gilt der Grundsatz: Solange nicht zu 100 Prozent feststeht, dass etwas unschädlich ist, darf es nicht in den Verkehr gebracht werden. Sie kennen die Leitplanken der Europäischen Kommission für die Verhandlungen: Diese Standards dürfen nicht aufgegeben werden.

Wenn Sie sich als Deutscher an einer Zahnbürste verletzen, weil sie nichts taugt und zum Beispiel abbricht, dann bekommen Sie, wenn Sie Glück haben, 5 000 Euro Schadenersatz zugesprochen. In Amerika bekommen Sie 1 Million Euro. Jetzt frage ich Sie einmal: Wo ist der höhere Verbraucherschutz?

Von daher ist das Vorsorgeprinzip in Europa bei den kritischen Produkten, die wir haben, sicherlich ein Vorteil, den wir auch durchsetzen werden, aber das Verursacherprinzip in Amerika liefert für die Verbraucher, wie ich finde, mindestens ein ebenso hohes Schutzniveau, wie das bei uns der Fall ist.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie das Vorsorgeprinzip infrage stellen?)

Ich möchte zum Abschluss ganz kurz noch ein paar Sätze zu den Verhandlungen sagen.

Auch ich beklage, dass es bei den Verhandlungen nicht genügend Transparenz gegeben hat, und ich bedanke mich beim Bundeswirtschaftsminister und bei der Bundeskanzlerin, dass es in Brüssel gelungen ist, durchzusetzen, dass die Europäische Kommission mit ihren Positionen nun offener umgeht. Das hätte man von Anfang an so machen müssen.

Es ist aber natürlich auch so: Wenn die Europäische Kommission eine Verhandlungsposition für eine Verhandlungsrunde entwickelt und sie unter 28 Mitgliedstaaten abstimmt, dann ist es nicht besonders klug, sie auf dem offenen Markt vor sich herzutragen, sodass sich der Verhandlungspartner Amerika, der diese Abstimmungsprobleme und Herausforderungen nicht hat, genau darauf einstellen kann, wo die Europäer möglicherweise besonders sensibel sind und wo man bei den Verhandlungen möglicherweise besser vorankommt. Ich finde es klug, dass man sein Pulver ein Stück weit trocken hält, wenn man in Verhandlungen geht, und deswegen habe ich auch Verständnis dafür, dass wir nicht jedes Strategiepapier vorgelegt bekommen.

Ich möchte mit einem Zitat schließen: TTIP wird keine Standards senken. Es wird Standards vielmehr weiter erhöhen: hohe Arbeitsstandards zum Schutz der Arbeitnehmer, hohe Standards, um Verbraucher zu schützen und ihnen mehr Wahlmöglichkeiten zu geben, hohe Standards, um die Umwelt zu schützen.

Dieses Zitat stammt nicht von mir, sondern von ­Barack Obama. Er hat es am Sonntag vor 14 Tagen in Hannover so vorgetragen,

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Mann kann auch irren!)

und ich glaube, dass wir uns darauf verlassen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Glaube, Liebe, Hoffnung!)

Vielen Dank, Jürgen Hardt. – Der nächste Redner: Dr. Hans-Joachim Schabedoth für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6828423
Wahlperiode 18
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu TTIP
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