11.05.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 169 / Zusatzpunkt 1

Hans-Joachim SchabedothSPD - Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu TTIP

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hardt, ich kriege Ärger mit meiner Fraktion, wenn ich nicht frage, wo man 5 000 Euro herbekommt, wenn die Zahnbürste abgebrochen ist.

(Heiterkeit und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Wenn man sich daran verletzt!)

– Gut. Ihr habt es gehört.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Man braucht natürlich einen guten Anwalt!)

In der letzten Woche hat uns Greenpeace Niederlande mit bis dato nichtöffentlichen Fakten zu den TTIP-Verhandlungen beglückt. Ja und? Was steht in diesen Dokumenten, was wir nicht wussten oder womit wir nie gerechnet haben? Rechtfertigt der Blick in die Karten der amerikanischen Verhandlungsseite ein neues Aufregen?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Für die Grünen ja! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Oh ja!)

Sich gegenseitig mit Forderungen zu konfrontieren, ist doch die normale Ausgangslage bei jeder Vertragsverhandlung.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Es kommt darauf an, wie die Forderungen aussehen!)

Ich frage: Ist es deshalb nicht ein wenig voreilig, Verhandlungen abzubrechen, weil wir es nunmehr schriftlich haben, dass der Verhandlungspartner so gemein ist, seinen vermeintlichen eigenen Interessen zu folgen?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Böse, böse! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Weil die EU nicht unsere Interessen vertritt!)

Ein besonderes Wort an die Grünen: Schon der verehrte Heinrich Böll – Namensgeber Ihrer Stiftung – hat vor dem blinden Eifer gewarnt, das Kind mit dem Bade auszuschütten, bevor Wasser eingelassen sei.

(Heiterkeit des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])

Es kommt mir ein bisschen so vor, als müssten Sie das noch einmal nachlesen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wäre Verhandlungsabbruch eine sinnvolle Reaktion, dann weiß ich nicht, ob es heute ein belastungsfähiges Tarifvertragssystem gäbe. Wer geht schon in Verhandlungen und legt gleich seinen Kompromissvorschlag auf den Tisch?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Trottel!)

Das ist ja beinahe so dämlich, als würde man beim Strip-Poker nackt antreten.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

– Ich sehe schon, Sie haben Erfahrungen.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Schierer Sexismus!)

Pfeiffer kommt doch nicht in den Himmel.

Auch TTIP, liebe Kolleginnen und Kollegen, lässt sich nur bewerten, wenn ein Schlussergebnis vorliegt oder wenigstens die Aussicht darauf besteht.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)

Deshalb ist der Weg noch nicht das Ziel.

Es wundert mich überhaupt nicht, dass sich bei der Frage, ob man für oder gegen TTIP ist, große Mehrheiten als Gegner erklären.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach dieser Rede sind es noch mehr!)

Ich sehe darin einen verständlichen Reflex auf die langjährige Geheimniskrämerei auch der europäischen Verhandlungsseite. Das Misstrauen hat hier also seine Berechtigung.

Mindestens einen positiven Effekt haben die jetzt präsentierten Papiere. Sie haben das öffentliche Interesse befeuert. Augen auf und Sinne geschärft, wenn ihr mit den USA um wirtschaftliche Vorteile verhandelt, das ist meine Schlussfolgerung. Darf ich mir den Hinweis erlauben, dass es noch keine konsolidierten Verhandlungsergebnisse gibt, über die man ein letztes Urteil sprechen könnte? Sollte es Verhandlungsergebnisse geben, wird es hier im Bundestag und natürlich auch im Europäischen Parlament zu einem Urteil kommen, seien Sie da sicher, und zwar unter der Beachtung einer kritischen Öffentlichkeit, und das ist gut so.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht bei solchen Büttenreden! – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Ach, kommen Sie, lassen Sie das!)

Ihr kann man kein Abkommen aufdrücken, das man erst noch schönreden müsste. Ist ein Abkommen aus sich heraus nicht schön genug, machen sich alle Schönredner lächerlich und riskieren den politischen Selbstmord.

Meine Bitte an Ihre Seite, an die Seite der Linkspartei: Hören Sie auf, alle, die sich für ein TTIP-Abkommen einsetzen, bei dem es um Regeln eines fairen Handels geht, für eine Art fünfte Kolonne der US-Konzerne zu halten.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nein, unserer! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nicht US-Konzerne! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Konzerne allgemein!)

– Doch, das tun Sie. – Das will ich Ihnen auch sagen: Wir haben in der SPD schon Forderungen zum Freihandel postuliert, da haben viele der heutigen TTIP-Kritiker noch geglaubt, es ginge bloß um mehr Toleranz für amerikanische Chlorhühnchen im Austausch mit französischem Schimmelkäse.

Es ist jedenfalls nicht fair, wenn ständig bezweifelt wird – auch heute wieder –, dass es uns um faire Handelsregeln geht. Niemals würden wir uns ein TTIP-Abkommen aufdrücken lassen, das nur den USA nutzt und den europäischen Unternehmen und Verbrauchern Nachteile bringt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Da glaube ich kein Wort!)

– Da applaudiert sogar die CDU. Wir werden Sie beim Wort nehmen. – Also, Sie haben hier eine völlig falsche Orientierung.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wenn die Konzerne profitieren und die Verbraucher auf der Strecke bleiben, dann passt es Ihnen auch!)

Im Übrigen: Die Welt wird sich weiterdrehen, die deutsche Wirtschaft wird weiter Exportüberschüsse erzielen, auch wenn es kein TTIP geben sollte, und danach sieht es doch aus.

Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass dieser Verhandlungsprozess gar nicht mehr in der Amtszeit ­Obamas zum Abschluss gebracht werden kann. Seine politischen Erben scheinen so fixiert auf das „Buy American“, dass sie sich einer Öffnung der Märkte für europäische Anbieter verschließen wollen. Und: Ändert sich die Verhandlungsmaxime der USA nicht grundlegend, dann war es das mit TTIP. Deshalb lautet meine Bitte an dieser Stelle: Drehen wir doch die Aufgeregtheit etwas zurück, ohne Achtsamkeit einzubüßen.

Denken Sie an Ihre Redezeit.

Deshalb sage ich meinen letzten Satz.

Schauen wir einmal, wie lang der ist.

In der Gewissheit, dass es die heute schon oft genannten roten Haltelinien gibt, lassen Sie uns doch zunächst den grünen Linien folgen, die uns zu einem Freihandelsabkommen führen, das zweifelsfrei auch ein faires Abkommen sein muss.

(Beifall bei der SPD – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit den „grünen“ meinen Sie uns?)

– Unsere.

Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde: Mark Hauptmann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6828475
Wahlperiode 18
Sitzung 169
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu TTIP
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