Michelle MünteferingSPD - Bekämpfung von Fluchtursachen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wadephul, ich bin bzw. wir als sozialdemokratische Fraktion sind so viel Lob von Ihnen gar nicht gewohnt. Dem Lob für unseren Minister, für die deutsche Außenpolitik, für die gemeinsame Außenpolitik und für die Entwicklungszusammenarbeit können wir uns nur anschließen. Denn es ist vollkommen richtig, dass wir für eine Friedenspolitik stehen und diese vorantreiben.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?)
Erlauben Sie mir eine Geschichte vorab, bevor ich zu der Frage der Fluchtursachen und Fluchtursachenbekämpfung komme, über die heute reichlich diskutiert wird. Im letzten Jahr habe ich vor ungefähr 600 ausländischen Studierenden gesprochen, die auf Einladung des DAAD mit einem Stipendium bei uns in Deutschland studieren. Auf der Bühne der Humboldt-Universität wurde darüber gesprochen, wie wir sie ins Land holen und ausbilden. Es ist erstaunlich, wie viele von ihnen später in ihr Land zurückgehen und dort für Wohlstand und Wachstum sorgen. Einer der Studenten meldete sich bei der Diskussion zu Wort – es war ein Student aus Afrika; er stand in der letzten Reihe – und fragte: Warum tun Sie das für uns? Was haben Sie davon? Ich fand, dass das eine kluge Frage war. Neben Dankbarkeit und wahrem Interesse schwang bei der Frage auch ein Misstrauen mit, das sich durch die Kolonialgeschichte und den Protektionismus der Wirtschaftsmächte in Europa tief in das Gedächtnis einiger Länder in der Welt eingegraben hat. Das zu verstehen, muss Teil dieser Debatte sein, in der wir über die Bekämpfung von Fluchtursachen sprechen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])
Dieser Protektionismus, der andere durch Zoll- und Handelspolitik strukturell benachteiligt, ist natürlich darauf angelegt, dass wir schneller und noch stärker wachsen. Das ist nichts anderes als globalisierter Eigennutz.
Libyen ist nicht erst seit heute, sondern schon seit Gaddafi das Haupttransitland auf der zentralen Route von Nordafrika über das Mittelmeer nach Italien. Seit 2014 gelangten über 300 000 Flüchtlinge von dort aus nach Europa. Im Jahr 2015 haben 4 000 Menschen die Bootsflucht durch das Mittelmeer nicht überlebt. Seit dem Sturz Gaddafis wird offensichtlich, was den afrikanischen Kontinent schon sehr lange bewegt und inzwischen auch unseren. Der Gipfel in Valletta sollte die Lösung bringen: Geld für afrikanische Staaten, damit die Fluchtursachen vor Ort bekämpft werden können. Aber es stellt sich die Frage – vielleicht heute mehr denn je –, ob ein Hilfsfonds allein wirklich die Lösung sein kann, solange Märkte mit subventionierten Waren überschwemmt werden.
(Beifall bei der SPD)
Das ist ein Grund für die massenhafte Migration von Menschen aus Afrika Richtung Norden. Faires Handeln ist ein Gebot der Menschenrechte, das ökonomisch auch noch Sinn macht. Deswegen lautete die Antwort, die ich dem jungen Mann gegeben habe: Wir brauchen keine schwachen Partner in der Welt, wir brauchen starke Partner.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es wird uns dauerhaft nur gut gehen, wenn es auch anderen gut geht. Für unsere Außenpolitik heißt das, wegzukommen von einer Außenpolitik der Staaten hin zu einer Außenpolitik der Zivilgesellschaften. Denn eine Außenpolitik, die Zivilgesellschaften stärkt, ist auch eine Außenpolitik, die Fluchtursachen bekämpft.
(Beifall bei der SPD)
Als Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik habe ich mich sehr gefreut, dass diese in dem Beschluss der Fraktionsvorsitzenden unserer Koalition jetzt endlich als wirksames Mittel bei der Bekämpfung von Fluchtursachen mit genannt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Das Auswärtige Amt hat da in den letzten zwei Jahren Außerordentliches geleistet. Ich will nicht noch einmal wiederholen, was Kollege Wadephul gesagt hat, aber eines ist, glaube ich, klar: Auf dem Weltparkett und auch hier in Berlin sucht unser Außenminister mit unerschütterlicher Ruhe, die nur ein Ostwestfale mitbringen kann,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ganz vorsichtig! Da gibt es noch andere!)
nach diplomatischen Lösungen für den Frieden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir brauchen diese Diplomatie dringend, damit ein Boden für die Verständigung geebnet wird. Versöhnen statt spalten – auf dem Boden wirkt auch die dritte Säule unserer Außenpolitik, die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.
Humanitäre Hilfe ist mehr als ein Brot, ein Bett, ein Zelt. Es geht darum, Zukunftsperspektiven zu schaffen, Heimat zu stabilisieren und wieder aufzurichten. Lassen Sie mich sagen: Das Cash-for-Work-Programm ist gut. Aber vielleicht könnten wir noch etwas draufsetzen. „ Education for Work“, das wäre eine Initiative, über die ich mich freuen würde. In diesem Sinne sollten wir das weiterentwickeln.
Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte hat Tobias Zech für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6830374 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Fluchtursachen |