12.05.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 170 / Zusatzpunkt 5

Nina WarkenCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Entwicklungen beim EU-Türkei-Abkommen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab eines feststellen: Die Bundesregierung und auch die EU sind nicht erpressbar und werden auch nicht erpressbar sein. Das wird ihnen häufig vorgeworfen. Wir haben ein klares und eindeutiges Abkommen mit der Türkei. Es gilt für uns die Regel: Pacta sunt servanda. Gleiches erwarten wir auch von unseren Vertragspartnern, unabhängig von den handelnden Personen.

Das EU-Türkei-Abkommen beinhaltet auch die vieldiskutierte Frage nach der Visaliberalisierung. Unsere Haltung hier ist eindeutig: Nur wenn die Türkei alle Punkte der EU-Visa-Verordnung erfüllt, wird es zu dieser Liberalisierung kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Entscheidend für den Zeitpunkt des Inkrafttretens ist dabei einzig, wann die Bedingungen vollständig erfüllt sind. Hier darf es schon aus sicherheitspolitischen Gesichtspunkten keine Kompromisse geben. Darin sind sich meine Fraktion und auch der Bundesinnenminister mit der EU-Kommission und auch dem Europäischen Parlament einig. Vergangene Woche hat die Kommission festgestellt, dass die Türkei 65 der 72 Bedingungen für die EU-Visafreiheit erfüllt hat. Es besteht also noch Nachholbedarf.

Meine Damen und Herren, ungeachtet der diesbezüglichen Meinungsverschiedenheiten gilt es doch, festzustellen: Die Türkei ist der Nachbar der EU. Sie ist seit 1952 Mitglied der NATO und seit dem Beitritt der Bundesrepublik 1955 unser Verbündeter. Sie ist unser strategischer Partner, und bisher hat sie sich auch an die Abmachungen des aktuellen EU-Türkei-Abkommens gehalten.

Über das gefährliche Mittelmeer kommen heute fast keine Flüchtlinge mehr illegal aus der Türkei nach Europa. Insbesondere an der Küste gehen die türkischen Behörden hart gegen die kriminellen Schlepper und Menschenhändler vor. Zudem verlaufen die Rückführungen in die Türkei weitgehend reibungslos. Auch die Situation der Flüchtlinge in der Türkei hat sich durch das Abkommen und die damit einhergehenden Maßnahmen deutlich verbessert. Zu nennen sind zum Beispiel die Gewährung des Arbeitsmarktzugangs für Flüchtlinge oder der Ausbau der Infrastruktur in den Lagern. All das sind gute Meldungen. Gleichzeitig stellt die EU bis 2018  6 Milliarden Euro Hilfsmittel für die Türkei bereit, die nur für die Flüchtlingshilfe verwendet werden dürfen.

Auch in Griechenland hat das Abkommen ausschließlich positive Auswirkungen. Wir unterstützen die Griechen nun personell mit Entscheidern aus dem BAMF. Die griechische Regierung wurde durch das Abkommen dazu veranlasst, endlich die Politik des Durchwinkens der Flüchtlinge zu beenden und im Land die notwendigen Strukturen zu schaffen, um konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten zu können.

(Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])

Vor Ort – davon konnte ich mich kürzlich selbst überzeugen – schreitet der Aufbau der Hotspots gut voran. Natürlich gibt es noch viel zu tun, und wir werden die Entwicklung weiter im Auge behalten. Nunmehr wird jedoch jeder Flüchtling registriert, und jedem Flüchtling wird hier ein faires und individuelles Verfahren zuteil. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Fazit ist festzustellen: Europa hat durch das EU-Türkei-Abkommen die Flüchtlingsfrage in geregelte Bahnen lenken können.

Nicht zu leugnen ist allerdings auch, dass die innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei durchaus Anlass zur Sorge geben. Vieles läuft hier nicht so, wie wir Europäer es uns wünschen. Ich warne jedoch davor, jede innenpolitische Rhetorik mit außenpolitischem Handeln gleichzusetzen. In der Türkei tobte ein innenpolitischer Machtkampf, in dem sich Erdogan nun durchgesetzt hat. Der türkische Präsident muss auch ein großes Interesse am EU-Türkei-Abkommen haben. Seinen Landsleuten versprach er zuletzt immer wieder, auf die Visafreiheit hinzuarbeiten.

Meine Damen und Herren, so bedauerlich es ist: Wir können uns die Länder dieser Welt und deren Staatsoberhäupter nicht backen, wie wir sie gerade brauchen. Wir müssen uns an den tatsächlichen Gegebenheiten orientieren. Fakt ist: Zwei Drittel der Welt teilen nicht unsere Auffassung von Rechtsstaatlichkeit. Das gilt sicherlich für Herrn Erdogan, seinen Umgang mit der Opposition, mit Medien, mit Frauenrechten, für seine Kurdenpolitik. All das ist in aller Deutlichkeit zu kritisieren, und das tun wir nicht zuletzt mit den an die Türkei gestellten Forderungen.

Das Gleiche gilt aber nicht minder für China oder für Herrn Putin, der sich erst unlängst einen halben Staat handstreichartig einverleibt hat, jedoch nach wie vor von weiten Teilen unserer Linken hofiert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Langweilig!)

Dennoch müssen wir als für unser Land in Verantwortung Stehende auch mit denjenigen Staatsoberhäuptern reden, diskutieren und verhandeln, die nicht unsere Werte teilen. Tun wir dies nicht, sitzen wir bald mit hehren Prinzipien, aber sonst allein an den Verhandlungstischen der Welt. Politik ist und bleibt die Kunst des Machbaren. Das EU-Türkei-Abkommen zeigt, dass Europa mit seinen Partnern handlungsfähig ist und große Herausforderungen bewältigen kann.

Lassen Sie uns Bedenken seriös prüfen und Fehler und Mängel offen ansprechen. Es bleibt aber unser Interesse, weiter an der Umsetzung des Abkommens zu arbeiten. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Hier bitte ich auch die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin, sich mit aller Kraft einzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6830785
Wahlperiode 18
Sitzung 170
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Entwicklungen beim EU-Türkei-Abkommen
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