Margaret HorbCDU/CSU - Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich als Christdemokratin gibt es drei wichtige Bücher: das Grundgesetz, die Bibel und den Koalitionsvertrag,
(Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und zwar in dieser Reihenfolge. Die ersten beiden enthalten für uns Finanzpolitiker leider wenig Konkretes, anders hingegen der Koalitionsvertrag. Dort heißt es:
Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe. Es ist ein wichtiges politisches Ziel, hier Schritt für Schritt voranzukommen und dabei insbesondere auch die technischen Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung zu nutzen.
Genau das setzen wir heute um.
Dieser Satz lenkt die Aufmerksamkeit genau auf einen Aspekt, der häufig vernachlässigt wird: Vereinfachung fängt beim Verfahren an. Es sind vor allem bürokratische und langwierige Verwaltungsabläufe, die für die Bürger und für die Unternehmen ein Problem darstellen. Wir Steuerpolitiker wissen das und gehen genau dieses Problem heute an. Vereinfachung heißt nicht Vereinfachung nur für die Verwaltung, sondern Vereinfachung für alle.
Steuervereinfachung für alle – das heißt zunächst einmal Vereinfachung für den ganz normalen Bürger. Sie erhalten nun zwei Monate länger Zeit, ihre Steuererklärung abzugeben. Bisher sah der Gesetzentwurf dies nur für die steuerberatenden Berufe vor. Wir haben dies erweitert. Künftig haben zum Beispiel Ehepaare mit den Lohnsteuerklassen III und V nicht nur bis zum 31. Mai Zeit, ihre Steuererklärung abzugeben, sondern bis zum 31. Juli.
Wir regeln auch ganz klar, dass jeder Steuerpflichtige weiterhin die Möglichkeit hat, seine Steuererklärung von einem Finanzbeamten prüfen zu lassen. Wenn ein Steuerpflichtiger also keine automatische Bearbeitung will, dann kann er auch weiterhin auf eine personelle Prüfung bestehen.
Einen automatischen Verspätungszuschlag wird es nur unter sehr engen Voraussetzungen geben. Nur für denjenigen, der zwingend eine Steuererklärung abgeben muss, zugleich länger als 14 Monate zur Erstellung seiner Steuererklärung braucht, zugleich keine Fristverlängerung beantragt hat und zugleich Steuern nachzahlen muss, gibt es den automatischen Verspätungszuschlag. Für diejenigen, die Steuern erstattet bekommen, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Für Rentner, die nicht wissen, dass sie abgabepflichtig sind, haben wir eine Billigkeitsregelung eingeführt.
Vereinfachung für alle – das heißt auch Vereinfachung für die steuerberatenden Berufe. Denn ohne diese würde unser Steuersystem nicht funktionieren. Die Abgabefrist für vorab angeforderte Steuererklärungen haben wir daher im Verfahren von drei auf vier Monate verlängert. Die Freizeichnung von Steuererklärungen haben wir deutlich entbürokratisiert. Die steuerberatenden Berufe erhalten ein Wahlrecht, ob sie ihren Mandaten die Daten vor oder nach Übermittlung zum Finanzamt zur Verfügung stellen. Zukünftig können Lohnsteuerhilfevereine und landwirtschaftliche Buchstellen nicht mehr vom Finanzamt zurückgewiesen werden. Bisher galt diese Ausnahmeregelung nur für die Steuerberater. Wir erkennen hiermit ganz besonders auch die wertvolle und wichtige Arbeit der Lohnsteuerhilfevereine und der landwirtschaftlichen Buchstellen an.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vereinfachung für alle heißt natürlich auch Vereinfachung für die Unternehmen. Wir geben ein klares Bekenntnis zur verbindlichen Auskunft ab. Wir wollen, dass die Unternehmen dieses Instrument effektiv nutzen können, um vom Finanzamt schneller Rechtssicherheit und Planungssicherheit zu bekommen. In Zukunft gilt: Verbindliche Auskünfte sollen innerhalb von sechs Monaten bearbeitet werden. Ist die Finanzverwaltung nicht dazu in der Lage, müssen Gründe vorgelegt werden.
Weiterhin haben wir eine unbürokratische Ermittlung von Herstellungskosten eingeführt. Diese verankern wir rechtssicher in der Abgabenordnung.
Die Grenze für die Kleinbetragsrechnungen erhöhen wir von 150 auf 200 Euro. Wir als CDU/CSU-Fraktion hatten 400 Euro im Blick, aber leider – das haben mir die Kollegen der SPD wirklich glaubhaft versichert – liegt die Schmerzgrenze unseres Koalitionspartners bei 200 Euro.
Weitere Erleichterungen gibt es bei den verschiedenartigen Bezügen, bei der Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz, bei dem Versand von Kapitalertragsteuerbescheinigungen, bei den Bekanntgabefristen von Steuerverwaltungsakten und bei der Rechtsbereinigung im Einkommensteuergesetz. Nicht einigen konnten wir uns mit der SPD leider auf die Absenkung der steuerlichen Vollverzinsung. Damit müssen wir leben. Aber ich sage es einmal so: Herr Draghi macht auf mich nicht den Eindruck, als wolle er die Niedrigzinsphase alsbald beenden. Ich respektiere natürlich die Unabhängigkeit der EZB. Aber ich will nicht verhehlen, dass ich dies für brandgefährlich erachte. Auf jeden Fall stellt es uns politisch vor enorme Herausforderungen. Im Handelsrecht, im Steuerrecht, im Bereich der Altersvorsorge, überall holen uns die niedrigen Zinsen ein. Wenn der Marktzins bei null liegt und die steuerliche Verzinsung, unter anderem auch die Vollverzinsung, bei 6 Prozent liegt, dann kann das auf Dauer nicht funktionieren. Ich sage uns voraus: Wir werden uns mit dieser Thematik beschäftigen müssen, ob wir wollen oder nicht.
Jetzt noch ein paar Klarstellungen zur Verfassungsmäßigkeit. Das federführende Bundesfinanzministerium hat den Gesetzentwurf juristisch geprüft. Das Bundesjustizministerium hat den Gesetzentwurf verfassungsrechtlich geprüft. Wir in der Koalition haben uns in einem Berichterstattergespräch nur mit dieser Frage beschäftigt, übrigens unter intensiver Beteiligung von Steuerrechtlern.
Das Ergebnis ist: Es gibt keinen Zweifel an der Verfassungskonformität des vorliegenden Gesetzentwurfes. Wir übernehmen zwei Begriffe – „Wirtschaftlichkeit“ und „Zweckmäßigkeit“ – in die Abgabenordnung. Diese Begriffe sind in juristischen Kommentaren und anderen Gesetzen bereits vollkommen üblich und etabliert. Der Versuch, mit minimalem Verwaltungsaufwand maximalen fiskalischen Ertrag zu erzielen, ist rechtlich unzulässig. Das bleibt auch weiterhin so.
Selbstverständlich können die Grundzüge des Risikomanagementsystems veröffentlicht werden, wenn dadurch das Besteuerungsverfahren nicht beeinträchtigt wird. Die technische Prüfung von Steuererklärungen untergräbt nicht die gleichmäßige und gesetzmäßige Besteuerung. Das Gegenteil ist der Fall: Risikomanagementsysteme zeigen dem Bearbeiter, auch dem Finanzbeamten, genau, wo er prüfen muss und wo es Ungereimtheiten gibt. Sie sind deshalb eine wichtige Unterstützung im Hinblick auf ein gerechtes und gleichmäßiges Steuersystem in ganz Deutschland. Sie dienen nicht dem Personalabbau; sie unterstützen das Personal.
All das kann man wissen, wenn man mit Praktikern spricht. Ich habe in den letzten Monaten zahlreiche Gespräche geführt: mit Steuerberatern, Lohnsteuerhilfevereinen, landwirtschaftlichen Buchstellen, Unternehmen und auch mit Finanzbeamten. Zum Schluss war ich in den Finanzämtern Karlsruhe-Durlach, Heilbronn und Mannheim. Alle sind sich einig, dass ein verstärkter IT-Einsatz im Besteuerungsverfahren sinnvoll und notwendig ist. Der Gesetzentwurf geht also in die richtige Richtung.
Ich möchte mich ausdrücklich bei unserem Koalitionspartner bedanken, ganz besonders bei dir, lieber Frank Junge. Zig Gespräche haben wir geführt, wir haben es wirklich durchgeboxt, und es drang nichts nach außen. Das ist wirklich eine Besonderheit. Dafür ganz herzlichen Dank!
Mein Dank geht auch an das Bundesfinanzministerium, das uns in unzähligen Sitzungen und Einschätzungen mit seinem großen Sachverstand zur Seite gestanden hat. Herr Staatssekretär Spahn, ich möchte Sie bitten, die herzlichsten Grüße und mein Dankeschön an Dr. Meister und das ganze Haus zu übermitteln.
Schlussendlich möchte ich auch meinen Mitarbeitern und den wissenschaftlichen Mitarbeitern insgesamt danken, stellvertretend Herrn Sebastian Wüste und Herrn Stephan Rochow.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist die größte Reform des Steuerverfahrens seit 40 Jahren. Wir haben zusätzlich spürbare Vereinfachungen für Bürger, Unternehmen und Berater durchgesetzt. Dieses Gesetz macht unser Steuerverfahren effizienter, schneller und serviceorientierter, und zwar für alle. Kurz vor Beginn der Fußballeuropameisterschaft sage ich es einmal so: Wir haben den Ländern eine wunderbare Vorlage geliefert; sie müssen den Ball im Steuervollzug jetzt nur noch ins Tor schießen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat der Kollege Dr. Jens Zimmermann für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6831362 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Modernisierung des Besteuerungsverfahrens |