Gabi WeberSPD - Soldatenbeteiligungs- und Personalvertretungsrecht
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Verteidigungsministerin, als Sie eben Ihre Rede begonnen haben, habe ich gedacht: Willkommen bei uns in der SPD! Denn so wie Sie die Errungenschaften der Mitbestimmung für die soziale Marktwirtschaft geschildert haben, können wir nur unterschreiben, was das für einen Stellenwert hat.
Ich wollte meine Rede eigentlich damit beginnen, dass beinahe jeder im Saal bereits mit dem Betriebsverfassungsgesetz oder dem Personalvertretungsgesetz Kontakt hatte, weil diese Gesetze selbstverständlicher Bestandteil unseres Wirtschaftslebens und unseres Arbeitslebens geworden sind
(Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist doch Unionsthema!)
und von daher auch für uns als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – auch ich war früher eine ganz normale Arbeitnehmerin –, wie wir uns auch mit unserem jeweiligen Arbeitgeber auseinandergesetzt haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Angesichts der Tatsache, dass mit diesen Gesetzen das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit ganz bestimmten Möglichkeiten versehen wird und dass es möglich ist, konkrete Mitbestimmungstatbestände in Form von Betriebsvereinbarungen festzulegen und Vorschläge aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu machen, die zu Verbesserungen im Arbeitsprozess führen, war es überfällig, dass wir das Soldatenbeteiligungsgesetz endlich an die Möglichkeiten anpassen, die die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und in der privaten Wirtschaft bereits haben. Das war überfällig.
(Beifall bei der SPD – Florian Hahn [CDU/CSU]: Wir haben es angepackt!)
Gestatten Sie mir noch einen Hinweis. Die Krise 2008 im Wirtschaftsleben dieser Republik ist zum großen Teil deshalb glimpflich und ohne Arbeitsplatzverluste im größeren Stil verlaufen, weil es das Vorschlagsrecht der Betriebsräte gab, die als Komanager daran mitgearbeitet haben, dass wir heute in dieser Republik wirtschaftlich so gut dastehen.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das war aber auch die Kanzlerin!)
– Das wurde aber auch von den Menschen erreicht, die in den Betrieben ganz stark um ihre Arbeitsplätze gekämpft haben.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Alle gemeinsam!)
Jetzt sollen die Soldatinnen und Soldaten ebenfalls starke neue Mitwirkungsrechte bekommen.
Wenn wir uns die Verhältnisse in der Bundeswehr genau anschauen und zurückblicken, dann stellen wir fest: Im militärischen Dienstverhältnis stehen die demokratisch verbrieften staatsbürgerlichen Rechte jedes Einzelnen dem generellen Prinzip von Befehl und Gehorsam gegenüber; das darf man nicht vergessen. Hier schlagen sich die Weisungen und Vorgaben des Arbeitgebers noch deutlich stärker nieder. Um die richtige Balance zu gewährleisten, also die individuellen Rechte so wenig wie möglich durch die Zwänge einer militärischen Organisation einzuschränken, regelt das Soldatengesetz die Rechtsstellung der Soldaten und Soldatinnen und bestimmt die Rechte und Pflichten. § 35 dieses Gesetzes bestimmt, dass Soldaten und Soldatinnen schon jetzt bei Dienstentscheidungen zu beteiligen sind. Konkret wurde das aber tatsächlich erst umgesetzt mit dem ersten Soldatenbeteiligungsgesetz 1991. Es ist spannend, nachzuvollziehen, was passiert ist, als sich damals der Bundestag damit befasst hat. Es lohnt sich manchmal, zurückzublicken.
Dem Bundestag war klar, dass die Soldatinnen und Soldaten „die gesellschaftliche Werteordnung, die sie zu verteidigen haben, auch im täglichen Dienst erleben“ sollen. Weiter heißt es:
Dazu gehört die Möglichkeit, Beteiligungsrechte wahrzunehmen. Diese entsprechen in den Streitkräften gegenwärtig
– also am Ende der Blockkonfrontation –
nicht mehr dem allgemeinen Stand der Entwicklung in der Gesellschaft.
Bis zu diesem Zeitpunkt war eine Vertretung und Mitsprache der Soldaten durch gewählte Vertrauenspersonen unmöglich. Das ist für mich als Gewerkschafterin, die selbst über 30 Jahre für stärkere Beteiligungsrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gekämpft hat, kaum nachvollziehbar. Immerhin zählen die Prinzipien der Inneren Führung und des Bürgers in Uniform zu den Grundlagen der Bundeswehr seit ihrer Gründung 1956. Da ist es gut und selbstverständlich, allen Bürgern und Bürgerinnen – ob in Uniform oder ohne Uniform – die Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen.
Mit der Neufassung von April 1997 wurden – die Ministerin hat vorhin darauf hingewiesen, dass es schon zwei Schritte gegeben hat – die Stellung der Vertrauenspersonen sowie ihre qualitativen und quantitativen Beteiligungsmöglichkeiten besonders in Personalangelegenheiten gestärkt. Wichtig war damals zudem, dass die Vertreter der Soldaten und Soldatinnen in den Personalräten mit den Vertretern der zivilen Beschäftigten gleichgestellt wurden und damit ihre Mitwirkungsmöglichkeiten in diese demokratischen Gremien hineingetragen wurden. Die Ausgewogenheit zwischen den Anforderungen des militärischen Dienstes und der Verwirklichung der Grundsätze der Inneren Führung wurde damit gewährleistet.
Mit dem nun eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur erneuten Anpassung des Soldatenbeteiligungsgesetzes werden wir ein Vorhaben unseres Koalitionsvertrages erfüllen. Seit der letzten Novellierung – darauf haben schon zwei Redner hingewiesen – haben sich die Strukturen der Bundeswehr und ihre Aufgaben deutlich verändert. Die Wehrpflicht wurde mittlerweile ausgesetzt, und die Aufgaben der Bundeswehr wurden vielfältiger. Militärisches und ziviles Personal arbeiten enger zusammen denn je. Das macht an manchen Stellen neue Regelungen notwendig. Der Einsatzbezug hat sich deutlich verstärkt. Besonders aber durch die Auslagerung von Aufgaben und damit auch von Personal in die Kommandos der militärischen Organisationsbereiche hat sich ein deutlicher Bedarf an erneuter Gesetzesanpassung ergeben.
Nun ein paar Beispiele, die deutlich machen, was sich durch dieses Gesetz verändern wird. Es gibt nun einen Abschnitt – das ist ab § 19 –, der die Mitbestimmung regelt. Diese Regelungen orientieren sich stark am Betriebsverfassungsgesetz und am Bundespersonalvertretungsgesetz. Das wird zum Beispiel dadurch deutlich, dass die Vertrauensperson „zur verantwortungsvollen Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen sowie zur Festigung des kameradschaftlichen Vertrauens“ und zu einer vernünftigen Arbeitsorganisation beitragen soll. Weiter heißt es:
Vertrauensperson und Disziplinarvorgesetzte oder Disziplinarvorgesetzter arbeiten im Interesse der Soldatinnen und Soldaten des Wahlbereiches und zur Erfüllung des Auftrages der Streitkräfte mit dem Ziel der Verständigung eng zusammen.
Dann kommt das, was mir besonders am Herzen liegt:
Die Vertrauensperson hat folgende allgemeine Aufgaben:
1. Maßnahmen zu beantragen, die der Dienststelle und ihren Soldatinnen und Soldaten dienen,
2. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Soldatinnen und Soldaten geltenden Gesetzes, Verordnungen und Vorschriften durchgeführt werden ...
– dieser Punkt ist mir besonders wichtig –
4. sich dafür einzusetzen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Dienst gefördert wird und
5. auf die Verwirklichung der Ziele des Soldatinnen- und Soldatengleichbehandlungsgesetzes sowie des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes hinzuwirken.
Frau Buchholz, ich glaube schon, dass sich die Attraktivitätsagenda der Bundeswehr auch in diesem Gesetz und in solchen Formulierungen niederschlägt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich glaube durchaus, dass mit solchen Möglichkeiten ein Meilenstein auch für Frauen in der Bundeswehr gesetzt worden ist; denn in dem Moment, in dem man gezwungen ist, darauf wirklich stärker zu achten, und man auch die gesetzliche Vorgabe hat, haben diejenigen, die Vertrauenspersonen sind, eine andere Handhabe.
(Beifall bei der SPD)
Das Gleiche gilt für den Punkt, in dem die Mitspracherechte bei Versetzungen wesentlich gestärkt werden. Auch das ist ein Beitrag zur Erhöhung der Attraktivität der Bundeswehr. Ich denke, dass ein Arbeitgeber, der seinen Angestellten, auch den militärischen, eine entscheidende Mitsprache über grundsätzliche persönliche Lebensentscheidungen einräumt, sicher als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird.
Der vorliegende Entwurf ist von der Aufteilung her klarer gefasst als vorher. So werden nun bereits zuvor untergesetzlich vorgenommene Änderungen in Gesetzesform gegossen. Den vorliegenden Entwurf werden wir gern in die Ausschüsse mitnehmen. Für die gute Vorbereitung durch das Verteidigungsministerium und die beteiligten Ressorts sowie die konstruktive Zusammenarbeit im Vorfeld bedanke ich mich. Ich bin trotzdem sicher, dass dieses Gesetz auch nach unserer Beratung noch an einigen Stellen verändert werden wird – wie, das werden wir dann gemeinsam erarbeiten.
Lassen Sie uns deshalb im Ausschuss kollegial und konstruktiv an der Verbesserung des Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetzes arbeiten – im Sinne unserer Soldaten und Soldatinnen, aber auch mit Rücksicht auf ihre zivilen Kolleginnen und Kollegen; denn mittlerweile haben wir beispielsweise allein im Verteidigungsministerium ein Verhältnis von etwa 560 Soldaten zu 516 zivilen Beschäftigten. Da ist Sorgfalt und Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem Personal absolut notwendig. Dieses Gesetz kann dazu einen Beitrag leisten.
Danke.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin hat Doris Wagner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6831430 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Soldatenbeteiligungs- und Personalvertretungsrecht |