12.05.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 170 / Tagesordnungspunkt 9

Florian HahnCDU/CSU - Soldatenbeteiligungs- und Personalvertretungsrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Soldatenbeteiligung und Personalvertretung in der Bundeswehr“ erscheint auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen trocken, technisch und hoch speziell. Da hat es auf den ersten Blick vielleicht auch mehr Attraktivität, an der fraktionsoffenen Sitzung „Effektive Einsätze gegen Fluchtursachen“, die parallel gerade stattfindet, teilzunehmen. Das ist übrigens der Grund, warum unsere Fraktion nicht ganz so dicht wie sonst besetzt ist; die sind alle dort.

(Lachen des Abg. Rainer Arnold [SPD])

Aber der zweite Blick lässt erkennen – die Kollegen haben natürlich zu Recht schon darauf hingewiesen –, dass Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens zwar eine spezielle Materie ist, dass sich darin aber ganz Fundamentales verbirgt. Es geht um Demokratie, es geht um Teilhabe, es geht um Offenheit, und es geht um Modernität.

Die Soldatenbeteiligung ist der deutsche Versuch, all dies in einem Bereich zu verwirklichen, der lange Zeit eher durch strikten Befehl und Gehorsam, durch Abgeschlossenheit und Tradition geprägt war. Die Schwierigkeit einer Soldatenbeteiligung liegt nun gerade darin, dass vor allem Befehl und Gehorsam ein notwendiges Prinzip des Militärs bleiben und eine klassische Mitbestimmung nicht vollumfänglich zu verwirklichen ist. Trotzdem glauben wir an die wichtige Rolle demokratischer Elemente auch in den Streitkräften. Die Soldatenbeteiligung ermöglicht die Wahrnehmung demokratischer Rechte, ohne die militärische Hierarchie infrage zu stellen. Auch im Truppenalltag muss das demokratische Prinzip für Soldatinnen und Soldaten erfahrbar sein; schließlich müssen sie für die Demokratie unter Umständen bewaffnet eintreten und die Demokratie mit ihrem Leben verteidigen.

Beteiligung ist zugleich aber auch ein militärischer Führungsgrundsatz. Die Vorredner haben schon auf das Konzept der Inneren Führung Bezug genommen. Es beruht auf einem Leitbild, das vor allem zur Rechtfertigung der Wehrpflicht immer prominent zitiert wurde, das aber auch in Zeiten einer Freiwilligenarmee richtig bleibt: Der Staatsbürger in Uniform, die Soldatin/der Soldat, bleibt Bürger, auch wenn er in den Streitkräften dient. – Dabei beinhaltet dieses Leitbild des Bürgers, das gerade heute von erstaunlicher Aktualität ist, die Elemente der Freiheit, der Mündigkeit und der Aktivität.

Was haben wir bisher schon erreicht? Wie wird die Soldatenbeteiligung bisher umgesetzt? Der Titel des Gesetzentwurfs weist schon auf die zweigleisige Interessenwahrnehmung hin. In sogenannten personalratsfähigen Dienststellen wählen Soldatinnen und Soldaten einen Personalrat mit; in beweglichen Einheiten – vereinfacht: alles, was kämpft, fliegt oder schwimmt – wählen sie Vertrauenspersonen.

Was ist Aufgabe der Vertrauenspersonen? Sie sollen zur verantwortungsvollen Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen sowie zur Festigung des kameradschaftlichen Vertrauens innerhalb des Bereichs beitragen, für den sie gewählt sind. Das Ziel der Soldatenbeteiligung allgemein bleibt die wirkungsvolle Dienstgestaltung und die fürsorgliche Berücksichtigung der Belange der Soldatinnen und Soldaten. In diesem Sinne sollen Vertrauenspersonen Maßnahmen beantragen, die den Soldatinnen und Soldaten dienen, darüber wachen, dass zugunsten der Soldaten geltende Gesetze und Vorschriften durchgeführt und eingehalten werden, und sie sollen Anregungen und Beanstandungen von Soldaten entgegennehmen und sie gegebenenfalls mit dem Vorgesetzten erörtern. – Dies war auch meine Aufgabe, als ich 1995 während meiner Wehrpflichtigenzeit Vertrauensperson für die Mannschaften war.

Heute soll auch die Vereinbarkeit von Familie und Dienst gefördert werden und die Verwirklichung von Gleichstellung und Gleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten unterstützt werden.

Die Vertrauensperson hat umfangreiche Anhörungs-, Vorschlags- und Mitbestimmungsrechte in Personalangelegenheiten, bei der Gestaltung des Dienstbetriebs, bei Beschwerden, auf die ich jetzt im Einzelnen nicht mehr eingehen möchte.

Was bringt das Gesetz Neues? Das neue Gesetz ist ein Beleg dafür, wie die Soldatenbeteiligung hilft, die Bundeswehr flexibel, offen und modern zu halten. Drei dringende Anpassungen sind aktuell zu leisten: Durch die Neuausrichtung und die damit verbundene Neuorganisation entstandene Beteiligungslücken müssen geschlossen werden. Die Soldatenbeteiligung muss auch in den zahlreichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr funktionieren. Aufgaben und Befugnisse der Vertrauensperson müssen an die Ziele der Bundeswehr als moderne Freiwilligenarmee angepasst werden.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sind wir auf einem guten Weg zu einer Modernisierung der Soldatenbeteiligung. Wir stärken die Stellung der Vertrauenspersonen durch erstens eine Verlängerung der Amtszeit von zwei Jahren auf vier Jahre, zweitens die Erweiterung und Fortentwicklung der Beteiligungstatbestände und Mitbestimmungsrechte und drittens die Verbesserung auch der entsprechenden Ausstattung der Vertrauenspersonen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Soldatenbeteiligung, die Elemente der Offenheit, der Diskussionskultur und der Mitverantwortlichkeit für das Ganze in die Organisation der Bundeswehr einbringt, kann verhindern, dass das System Bundeswehr mit den notwendigen Pfeilern von Befehl und Gehorsam und militärischer Hierarchie zu starr und unflexibel wird. Sie hilft, eine moderne Organisation zu schaffen, die damit zugleich effektiver und schlagkräftiger ihren Auftrag erfüllen kann. Der Gesetzentwurf ist in diesem Sinne aus meiner Sicht ein guter erster Aufschlag.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6831489
Wahlperiode 18
Sitzung 170
Tagesordnungspunkt Soldatenbeteiligungs- und Personalvertretungsrecht
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