Bettina MüllerSPD - Zukunft der Hebammen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie! Am letzten Donnerstag, am 5. Mai, war der Internationale Hebammentag – ein Tag, an dem uns vor Augen geführt wurde, dass die Geburtshilfe in vielen Ländern der Erde immer noch im Argen liegt und es dort noch sehr große Gefahren für Mutter und Kind gibt. Das sollten wir uns stets vor Augen halten, wenn wir über die Situation der Geburtshilfe in Deutschland reden, wo die Versorgung auf einem qualitativ hohen Niveau stattfindet, und zwar flächendeckend. Ich möchte das zu Beginn ausdrücklich betonen; denn wenn man die Anträge der Opposition liest, könnte man durchaus einen gegenteiligen Eindruck bekommen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Beide Anträge, liebe Kolleginnen und Kollegen, stammen aus dem Frühjahr 2014, als die steigenden Beiträge zur Berufshaftpflicht der freiberuflich tätigen Hebammen wieder neue Höchststände erreichten und die letzten Versicherer drohten, den Markt zu verlassen. Aber – es ist schon angeklungen – der Gesetzgeber ist nicht untätig geblieben: Schon seit 2012 werden ja die Aufwendungen der Hebammen für ihre Berufshaftpflicht gemäß § 134 a SGB V in den Verhandlungen über die Vergütungen besonders berücksichtigt. 2013 hatten wir dann eine interministerielle Arbeitsgruppe, die sich mit dem Thema beschäftigt hat, im Übrigen im Dialog mit den Hebammenverbänden, die an den Diskussionen beteiligt waren. Dort sind Handlungsempfehlungen erarbeitet worden.
Mit dem GKV-FQWG wurde 2014 ein Sicherstellungszuschlag für den Ausgleich der Haftpflichtprämien beschlossen, der insbesondere den Hebammen mit wenigen Geburten – wir haben das Problem durchaus auch gesehen – zugutekommen soll. Bis dieser neue Sicherstellungszuschlag den langen Weg durch die Mühlen der Selbstverwaltung geschafft hatte, wurde für eine Übergangszeit bis 2015 ein pauschaler Zuschlag für die Hebammen – das waren circa 130 Euro pro Geburt – eingeführt.
Mit dem 2015 verabschiedeten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz haben wir dann auch noch den Regressverzicht installiert. Den gesetzlichen Krankenkassen oder besser gesagt den Beitragszahlern wird seitdem die Übernahme der Folgekosten von Geburtsschäden auferlegt. Meine Damen und Herren, die Koalition hat also durchaus geliefert und die Forderungen der Opposition, wie ich meine, weitgehend abgeräumt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich will hier aus Sicht der SPD-Fraktion deutlich machen, dass wir damit den Hebammen bei der Lösung der Haftpflichtproblematik wirklich sehr weit entgegengekommen sind; denn insbesondere mit dem Regressverzicht haben wir unter größten Bauchschmerzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einem Systembruch zugestimmt; dadurch wird nämlich den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen eine Übernahme der Kosten zugemutet.
Folgekosten von Behandlungsfehlern sind eigentlich Sache der Berufshaftpflicht, dafür ist sie da. Oder man muss sich überlegen, ob man eine gesamtstaatliche Aufgabe daraus macht. Oder man muss sich andere Modalitäten überlegen; ich werde noch darauf zu sprechen kommen. Innerhalb des GKV-Systems sind solche Haftungsübernahmen jedenfalls völlig versicherungsfremd.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Aber: Im Sinne einer schnellen Lösung und um sicherzustellen, dass zum Juli 2016 überhaupt ein Anschlussvertrag vorliegt, hat die SPD diesem Systembruch zugestimmt. Das hat dazu beigetragen, dass, entgegen der Schwarzmalerei der Opposition, eine Lösung geschaffen worden ist.
Fakt ist nämlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt einen neuen Versicherungsvertrag. Die Prämiensteigerung fällt mit 10 Prozent jährlich erheblich moderater aus als in den letzten Jahren; da waren es immer 20 Prozent. Der Vertrag läuft über zwei Jahre. Ich denke, dadurch besteht ein hohes Maß an Planungssicherheit für die Beteiligten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir müssen uns aber selbstverständlich Gedanken darüber machen, wie wir diese ewige Preisspirale nach oben und das Abhängigkeitsverhältnis von einem Monopolversicherer beenden können. Ob die vorgeschlagenen Lösungen, wie auf die gesetzliche Unfallversicherung auszuweichen oder einen Haftungsfonds aufzulegen – darüber will ich ganz sachlich diskutieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition –, tragfähig sind, ist ja bereits in der genannten interministeriellen Arbeitsgruppe zusammen mit den Hebammen untersucht worden. Das entsprechende Rechtsgutachten kennen Sie sicher auch. Es haben sich sehr viele versicherungsrechtliche und verfassungsrechtliche Probleme aufgetan. Es wurde eigentlich keine große Hoffnung gemacht, dass das eine Lösung sein kann.
Wir müssen aber nach bezahlbaren Lösungen suchen; das sehe ich auch so. Ich will Ihnen ein paar Zahlen nennen. Wir haben etwa 3 000 Versicherungsverträge mit einer Jahresprämie von circa 7 000 Euro. Das ergibt ein Gesamtvolumen von ungefähr 21 Millionen Euro. Die werden aber zur eigentlichen Schadensregulierung gar nicht gebraucht. 4 Millionen Euro fließen als Versicherungsteuer an den Bundesfinanzminister, weitere 5 Millionen Euro bleiben als Provisionen und Gewinnanteil beim Versicherungsmakler, beim Hebammenverband und bei einem Versicherungskonsortium hängen. In die eigentliche Regulierung der Geburtsschäden fließen netto deswegen nur 12 Millionen Euro jährlich. Das ist eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein überschaubarer Betrag, den die Hebammen, die GKV, der Bund und die Länder durchaus aufbringen können. Ich denke, hier liegt unsere eigentliche Aufgabe: Wir müssen eine Rechtsform finden, die das ermöglicht.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Reiner Meier [CDU/CSU])
Mit dem Sicherstellungszuschlag liegt nunmehr jedenfalls ein Ausgleichsmechanismus vor, der die Hebammen fast vollständig entlastet. Er wird seit Beginn 2016 rückwirkend ausgezahlt. Er ist viel zielgenauer als die alte Lösung, die in nicht wenigen Fällen ja sogar zu Überkompensationen geführt hat. Die Regelung sieht vor, dass die Hebammen statt am Jahresende mehrmals im Jahr den Ausgleich beantragen können – das ist für die Hebammen günstig im Sinne einer zeitnahen Bezahlung –, und die gezahlte Haftpflichtprämie wird dabei fast vollständig erstattet. Lediglich der Anteil für Privatversicherte, die sachfremden Bestandteile wie beispielsweise eine Hundehaftpflichtversicherung, die Privathaftpflicht und der Prämienanteil für nichtgeburtliche Leistungen werden abgezogen. Außerdem gibt es eine Art Eigenanteil in Höhe von 1 000 Euro, der in etwa dem Stand der Prämie von 2010 entspricht. Sie wissen: Fast alle Selbstständigen sind auf eine Haftpflichtversicherung angewiesen, und ein Eigenanteil ist hier, denke ich, auch vertretbar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage ganz deutlich: Es wäre schön gewesen, wenn wir diese sinnvolle Neuregelung nicht erst durch einen Schiedsspruch hätten bestätigen lassen müssen. Es wurde eine praktikable und transparente Regelung geschaffen, die für die freiberuflichen Hebammen eine echte Entlastung darstellt. Darum hat zum Beispiel – das hat der Kollege Kühne ja schon angesprochen – der Bund der freiberuflichen Hebammen Deutschlands, BfHD, diese Regelung ausdrücklich begrüßt. Der BfHD hat zu diesem Punkt nicht die Schiedsstelle angerufen, hat auch nicht vor dem Landessozialgericht Berlin gegen den Schiedsspruch geklagt. Meine Damen und Herren, wenn schon ein Verband, der die freiberuflichen Hebammen originär vertritt – im BfHD sind ja gerade die freiberuflichen Hebammen organisiert –, mit der ausgehandelten Regelung einverstanden ist, dann kann sie so falsch nicht gewesen sein.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Für mich ist es daher unverständlich, warum der Deutsche Hebammenverband weiter dagegen klagt. Ich finde, das schürt nur die Verunsicherung bei den Hebammen und blockiert auch jede politische Aktivität. Dem DHV muss doch klar sein: Solange das Landessozialgericht bzw. das Bundessozialgericht, wenn eine weitere Instanz in Anspruch genommen wird, noch keine Entscheidung gefällt hat, ist der gesetzgeberische Handlungsspielraum nicht besonders groß.
Fakt ist auch, dass sich die Versorgungslage – das ist auch schon angeklungen – nicht wesentlich verschlechtert hat. Das kann man auch objektiv mit Zahlen belegen. Zum einen liegt uns ein Bericht des übrigens von einer Linken geführten Sozialministeriums Thüringen vor, aus dem hervorgeht, dass sich die Versorgungslage nicht verschlechtert hat. Auch aus den aktuellen GKV-Zahlen, die ich mir habe vorlegen lassen, geht das hervor. Es ist eben nicht so, dass die Hebammen scharenweise aus dem Beruf ausgestiegen sind. Laut GKV-Zahlen ist die Zahl der freiberuflichen Hebammen 2015 im Vergleich zu 2014 sogar leicht angestiegen. Hier lässt sich also überhaupt kein deutlicher Einbruch feststellen. Das gilt im Übrigen auch für die Geburtsmodule, für die Hebammen mit Geburtshilfe.
Zu den unverständlichen Aspekten gehört für mich auch die Aussage, dass die getroffenen Regelungen die Wahlfreiheit der Frauen einschränken und angeblich die Hausgeburten künftig unmöglich machen würden. Grund seien die sogenannten Ausschlusskriterien für Hausgeburten, die seit 2015, seit der Qualitätsvereinbarung, die im Rahmen der Vergütungsvereinbarung mitverhandelt wurde, gelten. Tatsache ist jedoch, dass genau diese Ausschlusskriterien für Geburtshäuser schon seit 2008 gelten.
Bezüglich der Terminüberschreitungen – das ist ein immer wieder genannter Punkt –, wenn es also einen oder mehr Tage über den ausgerechneten Geburtstermin hinausgeht, waren die Vorgaben für die Geburtshäuser sogar noch rigider. Bei den Geburtshäusern ist quasi jede Art von Überschreitung ein Anlass, um sich mit dem Arzt rückzukoppeln. Bei den Hausgeburten gilt das ab dem dritten Tag nach dem Termin und nicht schon ab dem ersten Tag. Diese drei Tage – das muss man immer wieder betonen – sind auch kein absolutes Ausschlusskriterium, sondern nur ein relatives Ausschlusskriterium. Das heißt, wenn man sich mit dem Arzt rückkoppelt und der sein Plazet gibt, also keine Probleme sieht, kann die Hausgeburt wie geplant stattfinden.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das reden Sie sich schön! Das ist doch Quatsch!)
Diese Ausschlusskriterien stehen im Übrigen auch in den medizinischen Leitlinien. Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum sollte eine Regelung, die für Geburtshäuser, die ein umfangreiches medizinisches Back-up haben, gilt, ausgerechnet bei Hausgeburten keine Gültigkeit haben, obwohl das entsprechende medizinische Equipment, die entsprechende Ausstattung da gar nicht vorhanden ist?
Abschließend noch ein Wort zum Thema Wahlfreiheit – das ist ein ganz wichtiger Aspekt –: Weit über 98 Prozent der Frauen wählen das Krankenhaus als Ort der Entbindung. Das ist eine Abstimmung mit den Füßen. Die Quote der außerklinischen Geburten liegt seit Jahrzehnten konstant bei deutlich unter 2 Prozent. Die Quote der reinen Hausgeburten liegt mit 0,5 Prozent sogar im Promillebereich.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran sollten Sie auch arbeiten, dass sich das ändert!)
– Das kommt auch noch. – Insofern begrüße ich es sehr, dass auch der Deutsche Hebammenverband anstelle der Hausgeburt jetzt endlich verstärkt das Thema Krankenhaus in den Fokus rückt.
Hier haben wir mit Aspekten wie steigenden Kaiserschnittraten – da gibt es eine Steigerung um 30 Prozent;
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau!)
damit bin ich überhaupt nicht zufrieden; das ist, denke ich, auch nicht fachgerecht –, Abbau von Standorten, Personalbemessung, Bezahlung und Arbeitszeiten jede Menge Themen, denen wir uns politisch widmen müssen und von denen – ich sage es noch einmal – mit über 98 Prozent weitaus die Mehrzahl der Frauen auch betroffen ist. Für mich liegt hier der eigentliche Schlüssel für die flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfe auf hohem Qualitätsniveau. Krankenhaus heißt ja schon längst nicht mehr Fließbandgeburt in gekachelten Räumen. Krankenhaus kann beispielsweise auch hebammengeleiteter Kreißsaal bedeuten. Hier gibt es ganz neue Konzepte.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.
Okay. – Wir müssen also davon wegkommen, einerseits die Hausgeburt zu idealisieren und andererseits die stationäre Geburt zu dämonisieren. Wir müssen unseren Fokus auch auf die Situation der Hebammen im Krankenhaus richten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treffen dieses Jahr noch eine Entscheidung über die regelhafte Akademisierung. Da wird es auch darum gehen, dass wir zusätzliche Ausbildungsinhalte für die Hebammen beschließen und über die Übernahme weiterer Leistungen und Aufgaben durch die Hebammen reden.
Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.
Wir sollten das zum Anlass nehmen, –
Nein, jetzt ist gut. Jetzt ist es vorbei.
– konstruktiv für die Hebammen zusammen etwas zu erreichen
(Beifall bei der SPD)
und keine Schaufensteranträge zu stellen. Gemeinsam werden wir das bestimmt gut hinkriegen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin hat Elisabeth Scharfenberg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zehn, elf Minuten!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6831556 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Zukunft der Hebammen |