Thomas HitschlerSPD - Bundeswehreinsatz in Mali (EUTM Mali)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennen Sie den Ausspruch: „Dann geh doch nach Timbuktu!“? Das hat man früher Leuten empfohlen, die man möglichst weit weg haben wollte. Um es gleich vorweg zu sagen: Das ist nicht der Grund, warum wir die Bundeswehr nach Mali schicken; sonst würde am Ende vielleicht noch die Linkspartei dem Mandat zustimmen.
Warum aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, schicken wir deutsche Soldatinnen und Soldaten nach Mali? Auch wenn wir heute nur über die EU-Trainingsmission entscheiden, muss man diese Debatte etwas weiter fassen. Deutschland ist nicht nur der größte Truppensteller bei EUTM Mali, sondern auch mit über 70 Millionen Euro in der Entwicklungshilfe, im Rahmen von EUCAP bei der Ausbildung der Polizei sowie in der UN-Friedensmission MINUSMA engagiert. Mali ist eines der gefährlichsten Einsatzgebiete der Welt, Kolleginnen und Kollegen; auch darüber muss man kritisch diskutieren.
Im vergangenen Jahr fielen dort 29 Blauhelmsoldaten der UN; 80 wurden verletzt. Im Dezember fanden die letzten Raketenangriffe auf das Camp Castor statt, in dem auch deutsche Soldaten untergebracht sind. Im März wurde ein Al-Qaida-Angriff auf das Hotel in der malischen Hauptstadt Bamako abgewehrt, in dem sich das EUTM-Hauptquartier befindet. Im April fielen drei französische Soldaten durch die Explosion einer Mine. Wir sind in Gedanken auch bei ihnen, wenn wir über diesen Einsatz heute entscheiden, Kolleginnen und Kollegen.
Die Einsätze der Bundeswehr in Mali sind keine Kampfeinsätze. Trotzdem stehen dort auch deutsche Soldatinnen und Soldaten im Fadenkreuz der Dschihadisten. Mit der Ausweitung der Mission an den Niger-Bogen von Timbuktu bis Gao rücken sie noch näher an die Operationsgebiete der örtlichen Ableger von al-Qaida und von dem sogenannten „Islamischen Staat“. Gerade weil wir unsere Truppe einem solchen Risiko aussetzen, müssen wir diesen Einsatz außerordentlich gut begründen. Das schulden wir unseren Bürgerinnen und Bürgern; das schulden wir als Parlamentarier aber auch unserer Parlamentsarmee.
Bamako, Brüssel, Jakarta, Mogadischu, Kairo, Ankara, Stawropol, Kabul und Essen – eine jetzt schon zu lange, aber nicht einmal komplette Liste dschihadistischer Attentate allein in diesem jungen Jahr 2016; in vielen Fällen mit al-Qaida oder dem IS verbunden.
Der Dschihadismus, Kolleginnen und Kollegen, gedeiht überall dort, wo er sich dank fragiler oder gänzlich fehlender Staatlichkeit ungehindert ausbreiten kann: Somalia, Libyen, Syrien, Nordirak oder Nordmali. Hier rekrutiert der Dschihadismus seine Kämpfer. Besonders erfolgreich wirbt er bei jungen Menschen ohne echte Perspektive. Die Hälfte der Bevölkerung in Mali ist jünger als 15 Jahre. Die Hälfte der Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Über die Hälfte der Bevölkerung kann weder lesen noch schreiben.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Darum mehr Militär!)
Hier schmuggelt der Dschihadismus seine Waffen. Mit den Waffen aus Gaddafis Arsenalen überrannten die Rebellen 2012 den Norden Malis.
Hier zieht sich der Dschihadismus allerdings auch zurück. Al-Qaida-Gruppen nutzen Mali als Ausgangsstation neuer Angriffe in der gesamten Region und zum Rückzug. Auch der IS hat seinen Fuß in genau dieser Tür.
Hier bleibt der Dschihadismus aber nicht. Seine Angriffsziele erstrecken sich über die gesamte Welt, auch über Europa, auch über Deutschland. Europäische Sicherheit wird auch in Timbuktu verteidigt; da hat der Kollege Otte völlig recht. Ein stabiler Staat schützt uns alle, weil er weniger Nährboden für Terroristen bietet. Ein stabiler Staat Mali entspricht deshalb unserem ureigenen sicherheitspolitischen Interesse in Deutschland.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Bereits 8 000 Soldaten, Kolleginnen und Kollegen, wurden durch EUTM Mali ausgebildet – zwei Drittel der kompletten malischen Streitkräfte. Ohne einen gut ausgebildeten Sicherheitsapparat lässt sich ein stabiler Staat kaum machen.
Es gibt Fortschritte; Christoph Strässer hat es vorhin betont. Es gibt einen Friedensvertrag und einen Waffenstillstand. Es gibt aktive Versöhnungsarbeit, Reintegrationsmaßnahmen und politische Dezentralisierung. Es gibt aber auch Hindernisse und Rückschläge; das gehört dazu. Frank-Walter Steinmeier hat diese Probleme bei seiner Mali-Reise deutlich angesprochen. Es ist ein steiniger Weg, Kolleginnen und Kollegen, aber man kann darauf laufen.
Der Mali-Beauftragte der Afrikanischen Union, Pierre Buyoya, sagte vor wenigen Tagen: Die Terroristen bedrohen nicht nur Mali, sondern die gesamte Region. Nordmali ist zum Stützpunkt geworden, um Burkina Faso, die Elfenbeinküste und womöglich weitere Länder anzugreifen. – Der Terrorismus in der Sahelzone bedroht dabei auch deutsche Sicherheitsinteressen.
Von den Flüchtlingen, die 2016 bereits in Italien angekommen sind, sind fast zwei Drittel aus dem Nordwesten Afrikas. Geografisch liegt Mali dort ähnlich zentral wie Deutschland in Europa. Mali und das Nachbarland Niger gelten als Drehscheibe der afrikanischen Flüchtlingsbewegungen.
Die massenhafte Flucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien hat uns in Deutschland und Europa vor enorme Herausforderungen gestellt. Ein weiterer Zerfall Malis wäre nicht nur für die gesamte Region katastrophal. Auch in Deutschland würden wir die Folgen spüren. Deshalb ist Wegschauen definitiv keine Alternative, Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir schicken die Bundeswehr nicht nach Timbuktu, weil wir sie möglichst weit weg von uns haben wollen. Timbuktu war in früheren Zeiten vielleicht sehr weit weg. In heutigen Zeiten ist es sehr nah. Was dort passiert, betrifft auch unsere eigene Sicherheit. Deshalb schicken wir die Bundeswehr auch nach Timbuktu, und deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für die Verlängerung des Mandats.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Dagmar Wöhrl das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6831861 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Mali (EUTM Mali) |