Peter WeißCDU/CSU - Rentenrecht für DDR-Altübersiedler und -Flüchtlinge
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine persönliche Sympathie, ich glaube, die Sympathien aller Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und – Frau Kollegin Kolbe hat dies, glaube ich, deutlich gemacht – die Sympathien aller Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion gelten den Menschen, die den Unrechtsstaat DDR unter vielen Entbehrungen und Gefährdungen und zum Teil nach Gefängnisaufenthalten, der Wegnahme ihres Eigentums und allem, was noch in diesem Unrechtsstaat geschehen ist, verlassen haben. Deswegen will ich als Erstes unabhängig von allen rechtlichen Regelungen festhalten: Es war der Unrechtsstaat DDR, den diese Menschen zugunsten eines demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaats verlassen haben. Hierfür gelten ihnen auch heute unsere Hochachtung und – ich sage es ausdrücklich – unsere Sympathien.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der LINKEN)
Nun ist bei allen Sympathien aber nicht wegzudiskutieren, dass ich nicht jemandem aufgrund von Sympathien eine Rente zusprechen kann und jemandem aufgrund von weniger sympathischem Verhalten eine Rente absprechen kann. Das haben wir übrigens bitterlich erfahren. Nach meiner persönlichen Auffassung wäre es gerechtfertigt, dass denjenigen, die dem Unrechtsstaat DDR gedient haben und auch noch auf unmenschliche Weise das Unrecht exekutiert haben, die Rente gekürzt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber das lässt unser Rentenrecht nicht zu.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zum Glück! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Was ist das für eine krude Auffassung!)
Was ist Recht? Für jeden von uns, für jeden Bürger gilt, dass das zu dem Zeitpunkt, an dem er zu arbeiten beginnt, geltende Rentenrecht durch den Gesetzgeber im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verändert werden kann. Es ist selbstverständlich, dass an dem Tag, an dem ich in Rente gehe und Rente beziehe, für mich das aktuelle Recht gilt. Das hat Herr Birkwald offensichtlich nicht kapiert. Es gilt immer das aktuelle Recht, und zwar für alle Bundesbürgerinnen und Bundesbürger. Das ist ein Rechtsstaat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Herr Birkwald kapiert, das Sie den Menschen etwas versprochen haben und nicht halten! Versprochen – gebrochen!)
Nachdem wir gestern all das in der Ausschusssitzung noch einmal rauf und runter besprochen haben, wundere ich mich über die Rede von Herrn Birkwald. Offensichtlich gilt für Abgeordnete der Linken: Erörterungen im Ausschuss sind Ihnen schnurzegal. Sie wollen und Sie können nichts dazulernen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Danke gleichfalls! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kommen zu unterschiedlichen Bewertungen!)
Was ist das Problem?
(Zuruf von der LINKEN: Wir!)
Als diese Damen und Herren, denen meine volle Sympathie galt, den Unrechtsstaat DDR verlassen haben, hätte es folgende Möglichkeit gegeben: Da sie aus der DDR ja nichts mitbringen konnten, auch keine Rentenanwartschaften, hätte man sie mit Sozialhilfe bedienen können. Gott sei Dank haben wir das Fremdrentengesetz geschaffen. Es hat Folgendes beinhaltet: Man hat eine Fiktion aufgestellt und gefragt: Wie würde die Rentenbiografie dieses Menschen mit seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit konkret aussehen, wenn er die ganze Zeit hier im Westen gearbeitet hätte? Das ist Anwendung des Fremdrentenrechts. Gleiches gilt für die Deutschstämmigen, die aus der Sowjetunion zu uns gekommen sind.
Nun komme ich zum Mauerfall, einem historischen Ereignis, das Deutschland und Europa verändert hat. Der Eiserne Vorhang ist weg, die kommunistischen Diktaturen sind in sich zusammengefallen. Wir können in Deutschland endlich wiedervereinigt leben, und wir können endlich jeden entsprechend seiner Rentenbiografie behandeln und müssen keine Fiktion mehr aufstellen. Das ist das historische Ereignis.
Jetzt ist durch eine Gesetzesänderung festgelegt worden, dass ab 1992 die echten Rentenentgeltpunkte, die auch der Erwerbsbiografie zugrunde liegen, angewandt werden und nicht mehr das Fremdrentenrecht. So weit der Vorgang.
Nun kommt der Wunsch auf, wir mögen es doch regeln, dass die Betroffenen wählen können, ob sie ihre Rente nach dem alten Fremdrentenrecht, das vor der Wiedervereinigung galt, ausbezahlt bekommen möchten oder nach dem neuen Recht. Es ist schon ein hoher Anspruch, ein Wahlrecht zu haben und sich für ein System entscheiden zu können – je nachdem, welches System gerade besser für einen ist.
Das Problem ist, dass es dieses alte Fremdrentenrecht nicht mehr gibt. Frau Kollegin Kolbe hat ausgeführt, dass das Fremdrentenrecht in den 90er-Jahren zweimal durch den Deutschen Bundestag neu geregelt worden ist
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind der Gesetzgeber! Nur, dass Sie das noch einmal merken!)
und dass die Werte nur noch bei 60 Prozent gegenüber früher liegen. Das möchten aber diejenigen, die aus der damaligen DDR geflohen sind, auch nicht haben, sondern sie möchten das alte Fremdrentenrecht mit 100 Prozent, das früher galt, angewandt wissen.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Was spricht dagegen?)
Daran sieht man: Das passt nicht zusammen. Wie sollen wir gegenüber den anderen Bürgerinnen und Bürgern, die kein Wahlrecht haben und für die selbstverständlich das aktuelle Rentenrecht angewandt wird, begründen können, dass wir für eine bestimmte Personengruppe ein nicht mehr existierendes altes Recht anwenden?
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es keine DDR-Flüchtlinge sind!)
Ich will kurzum sagen: Wir kommen in Teufels Küche, wenn wir einzelne Ausnahmen für bestimmte Personengruppen machen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tosender Beifall!)
Ich würde diese Ausnahme aus Sympathie, aus dem Herzen heraus, gerne machen,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, ja!)
aber der Deutsche Bundestag muss gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern im Sinne der Rechtsklarheit manchmal leider sagen: Das, wofür wir Sympathie empfinden, können wir nicht tun, weil wir damit gegenüber den anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern eine massive Ungerechtigkeit begehen würden.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Rechtsklarheit! Versprochen war das!)
Deswegen: Nach aller Prüfung des Für und Wider kommen wir zu dem Schluss, dass wir dem, was hier als Antrag vorgelegt worden ist, leider nicht entsprechen können.
Herr Kollege Weiß, auch bei großzügiger Auslegung der Redezeit: Sie ist bereits abgelaufen.
Danke schön. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach großzügiger Auslegung der Redezeit durch den Präsidenten möchte ich damit schließen: Es ist gut, dass wir ein gemeinsames deutsches Rentenrecht haben. Das ist der eigentliche große Fortschritt, und ich bitte diejenigen, die sich betroffen fühlen, weil sie einmal über ein anderes, altes Recht informiert worden sind, das zu akzeptieren,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fühlen sich betroffen? Die haben mehrere 100 Euro weniger Rente heute! Sie sind betroffen!)
so schwer es auch ist. Es muss für alle in Deutschland das gleiche Rentenrecht gelten. Das ist das, was wir miteinander vertreten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass die Redezeiten keine Richtwerte sind, sondern zwischen den Fraktionen vereinbart wurden. – Jetzt erteile ich dem Kollegen Markus Kurth für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6831931 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Rentenrecht für DDR-Altübersiedler und -Flüchtlinge |