Klaus-Peter SchulzeCDU/CSU - Kohleausstieg und Braunkohlesanierung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von den Linken, ich hätte zumindest erwartet, wenn Sie hier als Erste reden dürfen und erwähnen, dass Sie am Wochenende in der Lausitz sind – wenn ich da wäre, würde ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen –, dass Sie sagen, dass „Ende Gelände“ dort nicht nur friedliche Proteste machen will, sondern am 4. April 2016 im Netz aufgerufen hat, die Autos der Mitarbeiter von Vattenfall abzufackeln bzw. zu ihnen nach Hause zu gehen.
(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Nein!)
– Das können Sie nachlesen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich hätte erwartet, dass Sie sich ähnlich wie Axel Vogel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag Brandenburg, klar dazu bekennen, dass man so etwas nicht machen kann. Diese Aussage hätte ich auch hier erwartet.
Herr Schulze, erlauben Sie eine Bemerkung oder Zwischenfrage von Frau Bulling-Schröter?
Ja.
Sie haben hier behauptet, dass ich im Netz aufgerufen hätte, –
Das habe ich nicht gesagt.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ende Gelände!)
– Reifen zu zerstechen. Ich möchte das dementieren. Ich möchte Sie wirklich fragen, woher Sie das haben,
(Dagmar Ziegler [SPD]: Das hat er nicht gesagt!)
wir hätten im Netz dazu aufgerufen und ich hätte das unterstützt. Ich muss Ihnen sagen: Ich halte nichts von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Natürlich distanziere ich mich gemeinsam mit meiner Fraktion davon.
Dann haben Sie mich falsch verstanden. Ich habe gesagt: Ich hätte erwartet, dass man sich von diesem Aufruf, der am 4. April 2016 im Netz nachzulesen war, genauso distanziert, wie es Axel Vogel von den Grünen gemacht hat.
(Zuruf von der LINKEN: Es ist kein Aufruf von „Ende Gelände“!)
So habe ich das gemeint, und ich habe es nicht auf Sie als Person bezogen.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wer hat denn da aufgerufen? Haben Sie sich davon distanziert?)
– Natürlich.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ja, persönlich?)
– Auch persönlich.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wenn Sie das nötig haben!)
In Ihrer Vorlage geht es unter anderem darum, dass Sie mit dem Kohleausstieg einen anderen fossilen Energieträger als Ersatz anbieten. Es sollen zusätzliche Gaskraftwerke gebaut werden. Das wird gefordert, ohne zu sagen, dass ein Gaskraftwerk natürlich wesentlich höhere Kosten als ein Kohlekraftwerk hat. Gestern hat das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln festgestellt, dass die Mehrkosten in den nächsten 25 Jahren bis zum Jahr 2045 etwa 72 Milliarden Euro betragen werden.
Wo kommt denn das Gas her? 90 Prozent importieren wir zurzeit. Wenn wir jetzt die Kapazitäten ausbauen, müssen etwa 25 Prozent mehr Gasimporte angestrengt werden. Diese Importe kommen mit Sicherheit nicht mehr aus Holland, weil die Gasreserven dort langsam dem Ende entgegengehen. Die Gasimporte werden aus Westsibirien kommen, und man wird möglicherweise im Schelfgebiet in Norwegen neue Felder erschließen müssen.
Ich erinnere mich an Ihren Antrag von Mai 2015, in dem Sie schrieben: Wir wollen keine Bodenschätze mehr im Meer gewinnen. – Sie denken auch nicht an das, was passiert, wenn das Gas, über 5 000 oder 6 000 Kilometer mit 28 Verdichterstationen angetrieben, hier bei uns in Deutschland ankommt. Auch dann gibt es Emissionen. Ich bin der Auffassung – das habe ich hier bei Gelegenheit, ich glaube, schon vor einem Jahr, gesagt –: Wir sollten uns darum bemühen, alle fossilen Energieträger zu reduzieren und sie jetzt nicht nur auf einen zu subsumieren; denn auch die anderen Energieträger enthalten Kohlenstoff. Methan ist ein wesentlich schlimmerer Klimakiller als CO 2 .
Aber es geht natürlich auch um die Menschen im Revier. Ich komme aus solch einem Revier, und dort sind in 25 Jahren mehr als 80 000 Industriearbeitsplätze weggefallen. Es sind viele Anstrengungen vom Bund, aber auch vom Land unternommen worden, dort neue Arbeitsplätze zu implementieren. Das gelang im Brandenburger Teil mit einer Papierfabrik, die 500 Arbeitsplätze bringt, und mit einem Windflügelhersteller in Lauchhammer, der auch noch einmal etwa 600 Arbeitsplätze vorhält. Das ist das, was neu an Industriearbeitsplätzen gekommen ist, und das muss man meiner Meinung nach alles mit berücksichtigen.
Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang ist: Wie ist denn die Einkommensstruktur? Es wird ja immer gesagt, wir könnten zum Beispiel im Tourismusbereich Ersatz schaffen. In Brandenburg liegt das Durchschnittseinkommen im Tourismusbereich bei 16 000 Euro und das in der Kohle- und Energiewirtschaft bei 45 000 Euro.
Mit einem Strukturwandelfonds, wie Sie ihn dort vorschlagen, ohne zu sagen, wie er letztlich finanziert werden soll, werden wir diesen Wandel, so denke ich, nicht schaffen.
Wir müssen auch über andere Dinge nachdenken, zum Beispiel über eine Veränderung der Struktur der EU-Förderung oder über eine Investpauschale, die in den ersten zehn Jahren nach der politischen Wende dazu geführt hat, dass der eine oder andere Industriearbeitsplatz geschaffen wurde.
Dann sind aus meiner Sicht der Netzausbau und die Speicher ganz wichtig. Solange wir nicht ausreichend Speicher haben, um die Dunkelflaute zu überbrücken, so lange können wir keinen gleichzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung und aus der Atomverstromung machen. Der Atomenergieausstieg ist besiegelt, und Kohleenergie werden wir noch so lange brauchen, bis wir ausreichend Speicherkapazitäten haben.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Dr. Schulze. – Die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen: Annalena Baerbock.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6832200 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 170 |
Tagesordnungspunkt | Kohleausstieg und Braunkohlesanierung |