12.05.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 170 / Tagesordnungspunkt 15+ZP6

Thomas JurkSPD - Kohleausstieg und Braunkohlesanierung

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Muss ich jetzt vor Ihnen Angst haben? Frau Roth, also wirklich!

Nein, Herr Jurk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist kaum drei Wochen her, dass bekannt wurde, dass die Braunkohlesparte von Vattenfall wahrscheinlich an den tschechischen Energiekonzern EPH – zusammen mit einem Finanzinvestor namens PPF – gehen wird. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: In der Region hat damit eine Hängepartie von etwa zwei Jahren ein Ende gefunden. Die Menschen sind sehr unsicher. Sie sind von der Energiepolitik sicherlich auch nicht immer begeistert gewesen. Ich merke das bei Einwohnerversammlungen. Deshalb ist es wichtig, dass man mit dem anstehenden Verkauf und mit Blick auf den Erwerber Hoffnungen, Erwartungen und auch Forderungen verbindet; das tue ich übrigens. Wir müssen wissen, welche Absichten EPH verfolgt und was auf uns zukommt. Andererseits kennen wir EPH bereits aus dem mitteldeutschen Revier, von der MIBRAG. Insofern kann man sich da schon bestimmte Vorstellungen machen.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, geschlossen! – Gegenruf des Abg. Ulrich Freese [SPD]: Frau Baerbock, das habe ich Ihnen doch erklärt!)

– Ich schaue da ganz genau hin. Ich mache das schon seit zweieinhalb Jahrzehnten, Frau Kollegin.

Mit Blick auf das, was sich möglicherweise an Demonstrationen am Wochenende abspielen wird, bitte ich alle, die in die Lausitz kommen und dort nicht zu Hause sind, ganz herzlich: Gehen Sie einmal von Gehöft zu Gehöft. Reden Sie mit den Leuten. Sprechen Sie beispielsweise mit den 230 Einwohnern des Ortsteils Mühlrose der Gemeinde Trebendorf. Ich habe die vor acht Wochen gefragt, was ihr sehnlichstes Ziel ist. Sie wollen weg. Sie wollen ihren Heimatort verlassen. Das ist die Wahrheit.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil abgebaggert werden soll!)

Und: Sie wollen Planungssicherheit. Ich verbinde mit der anstehenden Übertragung der Braunkohlesparte in der Lausitz die Hoffnung, dass die Menschen tatsächlich in die Orte umgesiedelt werden, die seit etwa zehn Jahren angepeilt sind; es gibt nämlich Umsiedlungsstandorte.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wollen aber bleiben!)

Was die Zukunft der Braunkohle anbetrifft, so erleben wir – das muss ich Ihnen ehrlich sagen – einen schmerzhaften Prozess, auch mit Blick auf Arbeitsplätze, natürlich. Wir haben das 1990 und in den Folgejahren erlebt, und wir nehmen heute zur Kenntnis, dass der Ausstiegspfad geebnet zu sein scheint. Wenn man in den Entwurf des Strommarktgesetzes schaut, dann stellt man fest, welche Kraftwerksblöcke sukzessive in die Sicherheitsbereitschaft überführt werden. Das heißt, wir kommen zum Braunkohleausstieg.

Es ist aber dennoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir gerade auch für unser Energiesystem Versorgungssicherheit und Systemstabilität brauchen.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen kappen Sie den Wind?)

Ich hielte es, Frau Kollegin Baerbock, weil Sie ja reinrufen, für einen Rückgriff auf das Sankt-Florians-Prinzip, wenn wir in den Zeiten, wo kein Wind weht und keine Sonne scheint – –

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah! Jetzt kommt die Nummer wieder! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alte Leier! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die alte Leier! – Zurufe von der LINKEN): Och!)

– Entschuldigung, aber es ist doch die Wahrheit. Das ist keine alte Leier.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Wollen Sie dann Strom aus Kernkraft aus Frankreich und Tschechien importieren oder Kohlestrom aus Polen? Das ist doch die Realität.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Sie rufen rein. Danke, dass Sie das bestätigen. Genau das ist Ihre Absicht, und das finde ich eine unredliche Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Jurk, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte heute keine Zwischenfrage.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ha!)

Gut.

Ich habe keine Angst vor der Debatte. Die kann ja im Ausschuss geführt werden. Ich kann ja gerne mit dazukommen.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist halt nicht öffentlich!)

– Wir können auch öffentlich diskutieren. Wissen Sie, Sie können öffentlich mit den Menschen in der Region darüber reden, und dann können Sie die Meinung austauschen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein Wort ist mir dennoch wichtig, weil Sie einen wichtigen Punkt angesprochen haben.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Können Sie mal zuhören?

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: He! Können Sie mal still sein? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen reden wir ja dazwischen, weil wir Ihnen zuhören müssen!)

Es geht um die Zukunft der Braunkohlesanierung in Ostdeutschland. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war teuer, aber es war dringend notwendig – nach Bundesberggesetz und seit 1992 im Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern geregelt. Wir haben über 10 Milliarden Euro für dringend notwendige Zwecke eingesetzt. Mein herzlicher Wunsch ist – daran arbeiten wir in der Koalition –, dass die bewährte Partnerschaft zwischen Bund, ehemals Bergbautreibenden und noch aktiv Bergbautreibenden beibehalten wird, auch hinsichtlich alter und künftiger Finanzierungsschlüssel.

Die Aufgabenstellung, die die Kolleginnen von der Opposition hier benannt haben, ist völlig richtig. Wir müssen die Verockerung und die Sulfatbelastung der Spree zur Kenntnis nehmen. Wir haben das Thema von Rutschungen und natürlich auch des Grundwasseranstieges. Wir haben sinnvolle Instrumente entwickelt. Da bitte ich ganz herzlich, dass wir das fortführen. Ich denke, das sind wir den Menschen in der Region schuldig, den Menschen übrigens, die bleiben und nicht bloß zu Pfingsten da sein werden. Manch andere, die heute kommen, werden wieder gehen. Da bitte ich ganz einfach: Sie sollen alle mit den Menschen sprechen und erfahren, wie die Situation in der Region ist.

Ich wünsche Ihnen ein herzliches Glückauf!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Kollege Jurk. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Baerbock – für eine Kurz intervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6832204
Wahlperiode 18
Sitzung 170
Tagesordnungspunkt Kohleausstieg und Braunkohlesanierung
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