Nina WarkenCDU/CSU - Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute schon zum wiederholten Mal über das Thema „sichere Herkunftsstaaten“, und es ist immer dieselbe Kritik, die hier vorgetragen wird; die Argumente sind genannt. Klar ist auch, dass einige Kolleginnen und Kollegen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich ablehnen; das ist auch jetzt wieder klar geworden. Ich möchte gern noch einmal die Gelegenheit nutzen, um mit den wesentlichen Vorwürfen aufzuräumen.
Erstens. Die Einstufung als sicheres Herkunftsland ist keine Maßnahme, um Schutzsuchende ungerecht zu behandeln oder um zu verhindern, dass sie in Deutschland Schutz suchen. Im Gegenteil: Die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten ist vielmehr eines der wenigen Instrumente, die wir auf nationaler Ebene haben, um gegen Asylmissbrauch und gegen illegale Migration vorzugehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Zahlen zeigen eindeutig, dass von den vielen Menschen, die aus den Maghreb-Staaten zu uns gekommen sind, nur ganz wenige wirklich schutzbedürftig sind. Von den rund 2 600 Asylanträgen, über die das BAMF 2015 entschieden hat, wurden nur ganze 41 positiv beschieden. Die Gerichte bestätigen uns, dass nur in ganz wenigen Einzelfällen ein Schutzbedarf besteht. Nur in 7 von über 700 Gerichtsentscheidungen wurde das BAMF korrigiert.
Doch trotz dieser geringen Anerkennungschancen kamen letztes Jahr rund 26 000 Asylsuchende aus den Maghreb-Staaten, ein Viertel davon allein im Dezember. Alles spricht dafür, dass dieser Zustrom in Wirklichkeit nichts mit Verfolgung zu tun hat.
Als Gesetzgeber ist es doch unsere Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas gegen eine solche Zweckentfremdung unseres Asylsystems zu tun.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])
Sorgen wir mit der Einstufung dafür, dass die Zahl der unbegründeten Asylanträge aus den Maghreb-Staaten zurückgeht; denn sie gehen zulasten unserer Kommunen und auch zulasten der Menschen, die unseren Schutz wirklich brauchen.
Ich bin mir im Übrigen sicher: Viele der Migranten aus dem Maghreb wissen auch, dass sie nicht schutzbedürftig sind. Viele konnten zum Beispiel nur mithilfe der Polizei dazu gebracht werden, ihren Antrag beim BAMF zu stellen und zur Anhörung zu erscheinen. Häufig wurde auch versucht, durch Mehrfachregistrierungen an unterschiedlichen Orten das Verfahren künstlich in die Länge zu ziehen und zusätzliche Leistungen zu erhalten. Ein solches Verhalten – da geben Sie mir sicher recht – lässt doch an der Ernsthaftigkeit dieser Asylanträge stark zweifeln und zeigt, wie notwendig die Einstufung der Maghreb-Staaten ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber klar ist auch: Für die wenigen Fälle, in denen tatsächlich ein Schutzgrund besteht, ändert sich mit der Einstufung nichts. Diese Anträge werden auch weiterhin positiv beschieden werden können.
Zweitens, meine Damen und Herren, möchte ich mit einem Irrtum aufräumen: Von der Opposition wird immer wieder behauptet, die Einstufung als sicheres Herkunftsland würde nichts bringen. Lassen Sie mich deshalb den Gegenbeweis antreten: Die Zahl der unbegründeten Asylanträge aus den Balkanstaaten ist nach der Einstufung sehr deutlich zurückgegangen. Die Maßnahmen, die wir mit dem Asylpaket II eingeführt haben wie die Wohnpflicht in einer speziellen Aufnahmeeinrichtung, ein beschleunigtes Verfahren mit zügiger Abschiebung, ein generelles Arbeitsverbot und die Möglichkeit der Verhängung von Wiedereinreisesperren, haben eine deutliche Signalwirkung. Diese brauchen wir auch für die Maghreb-Länder, damit hier der falsche Anreiz wegfällt, aus rein wirtschaftlichen Gründen einen Asylantrag zu stellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Laut BAMF hat bereits die Tatsache, dass wir über diesen Gesetzentwurf beraten, zu einem Rückgang der Neuzugänge aus dem Maghreb geführt. Während im Januar dieses Jahres noch über 3 000 Menschen kamen, waren es im April nur noch knapp 400. Wir sehen also, dass die Maßnahmen, die wir in der Asylpolitik ergreifen, in den Herkunftsländern sehr genau beobachtet werden. Es wäre deshalb ein großer Fehler, wenn wir bei diesem Gesetz jetzt wanken würden.
Drittens ist es mir sehr wichtig, eine Sache ganz deutlich zu betonen: Deutschland hat sich die Einstufung als sicheres Herkunftsland bei keinem einzigen Staat leicht gemacht. Wir haben letztes Jahr bei den Balkanstaaten genau geprüft, ob die Voraussetzungen für die Einstufung vorliegen. Genauso haben wir das bei Marokko, Tunesien und Algerien getan. Dafür machen das Grundgesetz, das europäische Recht und die Gerichte klare Vorgaben: Der Gesetzgeber muss die Gesamtsituation im Land beurteilen. Keine Bevölkerungsgruppe darf systematisch, generell und durchgängig unterdrückt oder verfolgt werden. Das haben wir getan. Die Gesamtsituation wurde in allen drei Ländern anhand mehrerer Erkenntnisquellen gründlich beurteilt, darunter auch Berichte von Menschenrechtsorganisationen wie dem UNHCR, Amnesty International oder Human Rights Watch.
Auch in der Sachverständigenanhörung und in der Ausschussberatung haben wir uns über die Lage informiert und diese erörtert. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Schwelle zu einer systematischen und durchgängigen Verletzung schwerwiegender Menschenrechte wird in Marokko, Algerien und Tunesien nicht überschritten. Daran ändern auch die Einzelfälle von Verfolgung, etwa wegen Homosexualität, nichts, auch wenn wir diese natürlich kritisieren. Wir stellen mit der Einstufung – das wurde uns auch immer wieder vorgeworfen – ganz bestimmt keinen Blankoscheck für Menschenrechtsverletzungen in den Maghreb-Staaten aus. In der Anhörung ging es auch darum, die rechtlichen Voraussetzungen und die bei der Bewertung anzulegenden Maßstäbe zu erörtern. Diesbezüglich hat die Anhörung Folgendes erbracht: Der Gesetzgeber hat einen Bewertungsspielraum, welche Erkenntnisquellen er für die Beurteilung heranzieht und wie er die einzelnen Quellen gewichtet. Am Ende muss er sich ein Gesamturteil bezüglich der Umstände im Land bilden. Es geht nicht darum, jeden Einzelfall zu betrachten; denn die Einstufung ist eine gesetzliche Regelvermutung, die explizit Ausnahmen zulässt und die vom Bundesamt und auch von den Gerichten im Einzelfall widerlegt werden kann. Es geht also gerade nicht um eine hundertprozentige Sicherheit, sondern um eine systematische Betrachtung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, anhand all dieser Vorgaben, haben wir sehr sorgfältig geprüft, ob die Voraussetzungen für die Einstufung vorliegen. Ich will auch gar nicht bestreiten, dass es in den Maghreb-Ländern noch viele Probleme gibt, die bewältigt werden müssen. Fest steht aber: Das Asylrecht ist nicht das richtige Instrument, um diese Probleme anzugehen. Und selbst wenn wir wollten, können wir die Probleme in diesen Ländern doch nicht mit dem deutschen Asylrecht lösen. Das ist Aufgabe der Außen- und Entwicklungspolitik.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deutschland tut ja auch eine ganze Menge und hilft den Maghreb-Staaten. Allein im letzten Jahr haben wir rund 700 Millionen Euro für die Entwicklungszusammenarbeit mit Marokko, Algerien und Tunesien bereitgestellt. Diese Mittel wurden für die gezielte Verbesserung der Lebensbedingungen in diesen Ländern eingesetzt, unter anderem für Projekte zur Stärkung von Frauen- und Minderheitenrechten, guter Regierungsführung und der Zivilgesellschaft und für die Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz. Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der Fluchtursachen müssen auf europäischer Ebene noch viel stärker gebündelt und intensiviert werden.
Meine Damen und Herren, wenn eifrig kritisiert wird, ist es manchmal wichtig, die Dinge anhand der Fakten noch einmal geradezurücken. Deswegen fasse ich zusammen: Erstens. Die Einstufung der Maghreb-Staaten ist notwendig, um falsche Anreize und die Zahl der unbegründeten Asylanträge aus diesen Ländern zu reduzieren und um unsere Kommunen zu entlasten. Zweitens. Die Einstufung bedeutet nicht, dass keine Asylanträge aus diesen Ländern gestellt werden können. Drittens. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Einstufung wurden sorgfältig geprüft und liegen vor.
Lassen wir uns deshalb nicht von der Opposition mit ihrer Kritik in die Irre führen, sondern stimmen dem Gesetzentwurf mit breiter Mehrheit zu.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Andrej Hunko ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6833402 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien |