13.05.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 171 / Tagesordnungspunkt 17

Michael FrieserCDU/CSU - Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht in keiner Weise darum, Menschenrechtsverletzungen kleinzureden. Das Gegenteil ist der Fall. Wer ein treffsicheres, ein funktionsfähiges, ein an Menschenrechten orientiertes Asylsystem braucht und erhalten möchte, der muss sich notwendigerweise darüber Gedanken machen, wie er dieses Asylsystem tatsächlich durchführbar und organisierbar hält. Deutschland muss sich bei dieser Frage wirklich vor niemandem auf der Welt verstecken. Wir haben ein Asylsystem, in dem alles so gründlich, so tief und so genau aufgearbeitet wird wie nirgendwo sonst in der Welt. Genau dabei soll es auch bleiben.

Was wir heute machen, ist eben gerade keine Symbolpolitik nach innen, sondern es ist sehr wohl ein Signal. Denn wir sagen deutlich: Hier handelt es sich nur darum, dass wir eine Regelvermutung – ein fürchterliches Wort; was bedeutet es? – zulassen. Die eingängige, absolut gefestigte Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichtes als auch des Europäischen Gerichtshofes besagt, dass bei Ländern, in denen keine durchgängige und keine generelle Verfolgung herrscht, durchaus die Möglichkeit besteht, die Regelvermutung, dass es sich um sichere Herkunftsstaaten handelt, aufzustellen.

Seien wir doch bitte einmal ehrlich: Die Zahlen zeigen, dass die Anerkennungsquoten gerade im Hinblick auf Algerien, Marokko und Tunesien von 0 Prozent bis gerade einmal 2 Prozent reichen. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass tatsächlich Prüfungen der Einzelfälle stattfinden. Dadurch wird gewährleistet, dass eine Verfolgung, wenn es sie gibt, auch festgestellt wird. Eine Prüfung wird also definitiv auch nach der Einstufung als sicherer Herkunftsstaat möglich sein. Das wollen wir. Das will unser Rechtsstaat. Das sind wir unserem Asylrecht nach dem Grundgesetz auch schuldig. Dabei bleibt es.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin mir nicht ganz sicher, warum Sie aus der Opposition versuchen, die Öffentlichkeit darüber zu täuschen, und behaupten, dass es sich hier um eine Abschaffung des Asylverfahrens im Einzelfall handelt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen auch einmal sehen, was die Menschen, die aus diesen Ländern kommen, zu ihren Asylverfahren beitragen. In den seltensten Fällen wird überhaupt ein Verfolgungsgrund nach dem Asylrecht vorgetragen. In den seltensten Fällen erscheinen die jeweiligen Antragsteller in der Anhörung überhaupt. Das heißt natürlich – das ist menschlich verständlich –, dass sie einen anderen Zweck für ihre Reise bzw. Flucht nach Deutschland haben. Niemand will darüber den Stab brechen; aber eine Frage für das Asylverfahren ist das selbstverständlich nicht.

Entscheidend war – das war mit Sicherheit nicht ganz leicht –, dass wir diese Länder in den Verhandlungen an eine Selbstverständlichkeit erinnert haben. Wir haben die Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien an die Pflicht zur Rücknahme ihrer Bürger erinnert. Man muss deutlich sagen, dass der Innenminister auf seiner Reise etwas sehr Unangenehmes getan hat: Er hat die Länder nämlich daran erinnert, dass es eine völkerrechtliche Verpflichtung gibt. Letztendlich war das aber auch entscheidend und wichtig, um diesen Ländern bewusst zu machen, dass es einen Prozess in Europa, in Deutschland gibt, bei dem man sich auch mit der Situation der Menschenrechte in diesen Ländern genau beschäftigt. Ich sage es an dieser Stelle noch einmal deutlich, Herr Innenminister: Unseren herzlichen Dank für Ihre nicht einfache Reise in diese Länder, die Sie unternommen haben, um die Menschen davon zu überzeugen, dass dieses Thema entscheidend und wichtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und da bin ich bei der außenpolitischen Komponente. Es ist grundfalsch, zu glauben, es betreffe nur die Innenansicht, wenn sich die Politik mit dem Asylsystem beschäftigt. Wir haben über die Fehlanreize und die Signale nach außen schon diskutiert. Aber die Reise des Innenministers in diese Länder bedeutet doch, dass wir dort einen Prozess mit anstoßen und dafür sorgen, dass ohnehin unbestreitbare Menschenrechtsverletzungen im Einzelfall thematisiert werden. Hier wollen wir auch die deutsche Öffentlichkeit nicht täuschen. Genau darum geht es: Auch mit Blick auf unser Asylsystem wollen wir darauf hinweisen, dass wir die Entwicklung dieser Länder durchaus betrachten müssen. Unsere Hilfe und unsere Entwicklungspolitik müssen einen wesentlichen Anreiz darstellen, die Anstrengungen dieser Länder, die durchaus vorhanden sind, zu unterstützen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht eben gerade nicht darum, diese Länder in irgendeiner Art und Weise mit einem Qualitätsstempel für eine unverbrüchliche demokratische Entwicklung zu versehen. Es geht natürlich darum, unser Asylsystem funktionsfähig zu halten. Es geht aber auch darum, durch das Zusammenwirken der Politik aus unserem Land heraus deutlich zu machen, dass wir Fehlanreize und den Migrationsdruck reduzieren. Am Ende des Tages geht es natürlich auch darum, dass wir helfen bzw. Hilfestellung leisten.

Wir haben uns diesen Gesetzentwurf nicht leicht gemacht. Ich glaube, auch diese Diskussion heute hat gezeigt, dass wir den Mitarbeitern beim BAMF und beim Innenministerium mit Blick auf die Verfahren sagen können: Es wird eine Einzelfallprüfung geben, und es wird nach wie vor eine Qualität des Verfahrens geben. – Aber am Ende des Tages müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass dieser Gesetzentwurf nicht nur angemessen, sondern auch notwendig, nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes verhältnismäßig und letztlich die einzig richtige Antwort ist, um unser Asylsystem treffsicher und, ja, auch human zu halten.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6833466
Wahlperiode 18
Sitzung 171
Tagesordnungspunkt Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta