Martin BurkertSPD - Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als SPD – das steht für uns fest – wollen einen starken und leistungsfähigen Schienenverkehr in Deutschland. Dafür schaffen wir nun die Rahmenbedingungen, die politisch notwendig sind.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das falsche Gesetz dafür!)
Es wurde mehrfach darauf hingewiesen: Wir haben schon einiges erreicht. Ich denke, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II ist ein Vorzeigemodell für ganz Europa. Darüber hinaus war die Erhöhung der Regionalisierungsmittel dringend notwendig, um den Schienenpersonennahverkehr in Deutschland sicherzustellen. Gestern gab es hierzu im Plenum ja eine Aussprache.
Heute beraten wir einen Gesetzentwurf mit dem Titel „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich“. Es gilt, die europäische Richtlinie aus dem Jahre 2012 in deutsches Recht umzusetzen, und zwar mit dem Schwerpunkt der Entgeltregulierung, das heißt Schaffung von Anreizen für die Betreiber der Schienenwege zur Senkung der Infrastrukturkosten und der Trassenentgelte. Entgelte für die Nutzung der Schienenwege sollen zukünftig durch die Bundesnetzagentur genehmigt werden. Ziel dabei ist: mehr Fairness im Wettbewerb auf der Schiene, mehr Kostentransparenz bei der Nutzung der Schieneninfrastruktur und Schaffung eines diskriminierungsfreien Zugangs zur Schieneninfrastruktur in Deutschland.
Ich betone aber ausdrücklich, dass wir im Schienenverkehr eine Regulierung mit Augenmaß und keine Überregulierung haben wollen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sind wir dabei auf einem guten Weg, Herr Kollege Ferlemann. Selbstverständlich müssen wir die angesprochenen 57 Punkte, die der Kollege Fischer genannt hat, mit den Bundesländern diskutieren, die ja über 50 Änderungen wollen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das spricht ja nicht gerade für den Gesetzentwurf!)
Meine Kollegin Lühmann hat die Knackpunkte aus Sicht unserer Fraktion bereits angesprochen. Ich möchte in Anbetracht der Zeit nur noch folgende Punkte ansprechen:
Zunächst zur Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland: Übergeordnetes Ziel ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraumes, das heißt, für Fahrzeuge gelten überall gleiche Vorschriften und überall sind gleiche Signaltechniken verfügbar. Dies begrüßen wir ausdrücklich, um das deutlich zu sagen.
Wegen verspäteter Umsetzung dieser Regulierung läuft gegen uns ein Vertragsverletzungsverfahren. Ich will aber schon darauf hinweisen, dass es ein Skandal ist, dass zwar europaweit die Regulierung greift, aber in einem Land wie Frankreich auf der Schiene überhaupt noch kein Wettbewerb existiert, während wir hier schon den Wettbewerb regulieren. Es kann nicht sein, dass dort Wettbewerb überhaupt erst ab 2026 möglich ist. Ich sage der Bundesregierung: Wir müssen im Europäischen Rat darauf drängen, dass das aufhört. Der Wettbewerb muss überall in Europa möglich sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Dann will ich etwas zur Haftpflichtversicherungssumme sagen. Im Ausschuss haben wir noch die Zugunglücke in Bad Aibling, in Mannheim, in Freihung in guter Erinnerung. Diese geschahen alle in dieser Legislatur. Wir hatten in Italien den schlimmen Güterzugunfall in Viareggio. Er kostete 75 Millionen Euro. Bei vielen Eisenbahnunternehmen gibt es eine zu geringe Kapitaldecke. Das heißt, im Schadensfall droht die Insolvenz, aber es droht auch eine unzumutbare Unsicherheit für Geschädigte wie auch für den Verursacher. In letzter Konsequenz heißt das: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Unternehmen von Insolvenz bedroht wäre, blieben auf der Strecke, und Geschädigte könnten nicht entschädigt werden. Deshalb müssen wir hier den Vorschlag diskutieren, ob wir eine gestaffelte Erhöhung der Haftpflichtversicherungssumme vornehmen. Man kann sich vorstellen, dass Gefahrguttransporte anders versichert werden müssen als normale Transporte. Ich glaube, die 14 Millionen Euro, die im Gesetzentwurf stehen, reichen pauschal nicht aus. Andererseits haben sich schon Betreiber von Museumsbahnen mit historischen Eisenbahnfahrzeugen gemeldet und darauf hingewiesen, dass die Versicherungssumme für sie zu hoch ist. Auch da müssen wir Regelungen finden.
In § 28 des Gesetzentwurfs wird auf den Produktivitätsfaktor Bezug genommen. Dort steht, dass dieser Faktor, der anhand der vom Sachverständigenrat des Statistischen Bundesamtes für alle Wirtschaftsbereiche ermittelten Werte bestimmt wird, bei der Entgeltbildung zugrunde gelegt wird. Das ist schwierig, weil der Faktor die Gesamtwirtschaft umfasst, aber nicht unbedingt für den Eisenbahnsektor sachgerecht ist. Hier wurde vorgesehen, dass das Ministerium davon abweichen kann; darüber müssen wir reden. Es wäre aber gut, wenn eine verpflichtende Einbindung von unabhängigen Forschungsinstituten mit Erfahrungen im Eisenbahnbereich vorgesehen werden könnte.
Ich will zum Schluss darauf hinweisen, dass die Materie sehr komplex ist. Es ist schwierig, der Bevölkerung überhaupt zu erklären, worum es hier geht. Dieses umfangreiche Gesetz ist kompliziert genug. Sollte es dazu kommen, dass der Vermittlungsausschuss angerufen wird, dann kann ich nur empfehlen, auf die Erfahrungen aus einer Sternstunde des Parlaments zurückzugreifen: Es gab den Fall, dass im Vermittlungsausschuss, als es um das Personenbeförderungsgesetz ging, ein Ausschuss mit Fachpolitikern eingesetzt wurde, dessen Arbeit am Ende dazu geführt hat, dass wir mit den Ländern ein vernünftiges, gutes Gesetz auf den Weg gebracht haben.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Wann war denn das?)
Ich will meinem Fraktionsvorsitzenden, aber auch Herrn Kauder nicht zu nahe treten; aber wenn man sich mit solch einem Gesetz befasst, wäre es gut, im Vermittlungsausschuss einen Fachausschuss zu bilden, weil die Materie wirklich umfangreich ist und in die Tiefe geht.
Ich wünsche mir gute Beratungen. Ich bin überzeugt, dass wir am Ende hier im Parlament einen Gesetzentwurf verabschieden, der seinen Namen verdient.
In diesem Sinne: Schöne Pfingsten!
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6833769 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich |