Johannes KahrsSPD - Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man fragt sich, warum wir gerade jetzt diese Debatte führen.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil nichts kommt!)
Die Grünen haben diese Debatte angemeldet. Das liegt, glaube ich, daran, dass Mitte Juni Gespräche stattfinden werden, bei denen es zu einer Einigung kommen wird oder auch nicht. Deswegen ist der Zeitpunkt für diese Debatte relativ geschickt gewählt.
Wenn man sich die Reden hier angehört hat, hat man, glaube ich, festgestellt, dass sich die Opposition mit keinem eigenen Vorschlag vorgewagt hat. Man hat hier und da etwas abgewogen, man hat erst das eine ein bisschen kritisiert und dann das andere; aber man hat nicht genau gesagt, was der Bund genau tun soll. Das ist für die Opposition natürlich auch schwierig, weil die Grünen und die Linke in einigen Ländern inzwischen mitregieren und die Interessen überall unterschiedlich sind.
Genauso ist das natürlich bei dem einen oder anderen Kollegen. Der Kollege Barthl Kalb, den ich sehr schätze, kann ja schon, wenn er redet, seine Herkunft nicht verleugnen.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Will ich auch gar nicht!)
Er hat natürlich auch die bayerischen Interessen gleich mit eingebracht und sie ganz elegant in dieses System eingefädelt. Neben ihm sitzt Kollege Rehberg aus Mecklenburg-Vorpommern. Auch er hat das bemerkt und geschmunzelt.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie kommen aus Hamburg! Das ist das reichste Land!)
So merkt man, dass wir hier zwar alle Bundespolitiker sind, aber natürlich alle eine Heimat haben und landespolitische Interessen eine Rolle spielen. Deswegen ist es auch nicht ganz einfach, hier unvoreingenommen über die Interessen des Bundes zu reden; denn wir alle haben natürlich durchaus auch regionale Interessen.
Interessant – diese kleine Anmerkung sei mir gestattet – war das Plädoyer des Kollegen Barthl Kalb gegen eine Bundesautobahngesellschaft. Daraufhin hat sich Bundesverkehrsminister Dobrindt, der aus dem gleichen Bundesland kommt, in die hinteren Reihen der Union verzogen, damit man den Konflikt nicht gleich sieht. Denn der eine, der Bundesminister, möchte die Gründung einer Bundesautobahngesellschaft, und der andere – auch er kommt aus Bayern – stellt sich als Haushälter hin und sagt: Gibt es nicht! – Man merkt, dass das alles streng auf der Sachebene behandelt wird.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Man merkt, dass hier jeder seine eigene Herkunft, aber auch seine eigene Fachlichkeit nicht verleugnen kann.
Die Differenzen, die man hier im Deutschen Bundestag bemerkt, hat man natürlich auch zwischen den Ländern und dem Bund. Das muss man eingestehen, wenn man ehrlich ist. Natürlich ist es so, dass sich die Länder, wenn sie sich einigen, in der Regel nicht zu ihren Lasten einigen. Das habe ich in den letzten Jahren im Deutschen Bundestag noch nicht erlebt; das hat nie stattgefunden. Der Bund hingegen ist auch nicht als der große Samariter bekannt, der nur gibt und schenkt.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh doch! Oh doch!)
– Kollege Brinkhaus, ich glaube Ihnen vieles, aber so wirken Sie nicht. – In der Vergangenheit hat der Bund seine Interessen am Ende auch relativ hart durchgesetzt. Oder wollen Sie mir sagen, dass Bundesfinanzminister Schäuble ein elendiges Weichei ist und nicht in der Lage ist, Interessen zu verteidigen, von den Länderministern über den Löffel balbiert wird und als Finanzminister eine Fehlbesetzung ist? Kollege Brinkhaus, das würde ich Ihnen nicht abnehmen.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wir sind nett! Wir sind nett!)
Sie würden es auch nicht sagen. Aber das wäre natürlich die Konsequenz, wenn wir dem Bund vorwerfen würden, dass er hier ständig wider seine eigenen Interessen handelt.
Nachdem wir nun festgestellt haben, dass es Interessen der Länder gibt – Kollege Dobrindt unterhält sich gerade darüber – und dass es Interessen des Bundes gibt, muss man sie natürlich alle irgendwann vereinen. Dass sich hier heute niemand mit tapferen Vorschlägen, wie das aussehen soll, vorgewagt hat, liegt einfach daran, dass wir alle noch nicht genau wissen, wie diese Einigung aussieht. Wir kritisieren natürlich, dass Bund und Länder ohne das Parlament verhandeln.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man ja ändern!)
Da sind wir uns alle einig; denn wir sind ja das Parlament. Im Ergebnis werden wir aber auch hier darüber abstimmen müssen.
Ich glaube, das Wesentliche ist, dass hier alles mit allem zusammenhängt. Das ist eine alte Haushälterwahrheit. Die Frage, wie das mit dem Soli weitergeht, ist gar nicht zu beantworten, ohne die Frage zu beantworten, wie die Bund-Länder-Finanzbeziehungen laufen. Die Frage, ob es einmal eine Finanztransaktionsteuer geben wird, hat durchaus auch etwas damit zu tun, wie die finanzielle Lage des Bundes aussieht. Die Frage, wie wir die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen finanzieren, hat – man kann es kaum glauben – auch etwas mit den Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu tun.
Wenn wir uns anschauen, was noch alles damit zu tun hat – ich möchte jetzt gar nicht über das Thema Verkehr reden; das wurde in den letzten Tagen häufig genug gemacht –, dann sollten wir einfach feststellen: Wir haben unterschiedliche Interessen. Wir werden die Interessen des Bundes mit vertreten. Aber natürlich wird es Kompromisse geben. Wir alle glauben nicht, dass die Länder auf ihre Interessen verzichten. Ich halte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für einen unerschrockenen Kämpfer im Interesse der Sache des Bundes. Im Gegensatz zu Herrn Brinkhaus halte ich ihn nicht für ein Weichei.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6833962 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen |