Herbert BehrensDIE LINKE - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es mit zweierlei Abschalteinrichtungen zu tun: zum einen mit der speziellen Hardware und Software, wie sie bei Automobilfirmen eingesetzt worden sind, um den Ausstoß von Schadstoffen zu manipulieren. Das hat dazu geführt, dass Millionen Fahrzeuge viel mehr Stickoxide ausgestoßen haben als erlaubt. Stickoxide haben – das wissen wir – schwere gesundheitliche Schäden zur Folge. Insofern ist das keine Kleinigkeit. Darum müssen wir gründlich und rückhaltlos aufklären, und zwar hier und jetzt.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum anderen geht es um eine Abschalteinrichtung ganz anderer Art, nämlich die offensichtliche Abschaltung im Hause des Ministers Dobrindt. Was passierte, wenn man Fragen nach dem Abgasskandal stellte? Das Ministerium schaltete ab, produzierte erst einmal Vernebelungsschwaden und ließ nichts weiter von sich hören. Erst dann, als nicht nur VW, sondern auch andere Automobilhersteller in den Fokus gerieten und sich herausstellte, dass auch sie betrogen und falsche Abgaswerte angegeben haben, wurde das Ministerium ein bisschen aktiver. Es setzte eine Untersuchungskommission ein, die dann allerdings zwei Monate lang die Emissionen bei den Fahrzeugen nachmessen ließ, aber fünf Monate brauchte, um diese Messungen auszuwerten.
Das ist eine ganz offenkundige Schieflage, die nicht dazu geführt hat, beispielsweise die jüngsten Skandale, die in den letzten Tagen bekannt geworden sind, zu vermeiden. Das ist echtes Versagen des zuständigen Ministeriums. Das ist nicht zu tolerieren.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schließlich geht es um die Gesundheit der Menschen hier im Land. Es geht um Hunderttausende Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, die von den Konzernspitzen durch jahrelange Manipulationen aufs Spiel gesetzt worden sind. Hier ist Vertrauen zerstört worden, das eben nicht mit Geheimniskrämerei zurückgewonnen werden kann. Darum müssen wir tätig werden.
Ich will im Bild des Abgasskandals bleiben. Mit der Informationspolitik des Ministeriums wurden Grenzwerte weit überschritten, und zwar die Grenzwerte des politisch Erträglichen. Die Opposition hat gar keine andere Wahl, als das schärfste Schwert zu ziehen und einen Untersuchungsausschuss zu beantragen.
Wir akzeptieren den Umgang mit dem Abgasskandal so in keiner Weise. Nicht nur, dass im Hause Dobrindt das Fragerecht des Parlaments beschnitten wurde – das kennt man schon ein bisschen länger –: Das Ministerium hat es auch nie für nötig gehalten, auf Umweltverbände und Verkehrsklubs rechtzeitig zuzugehen. Diese haben schon vor vielen Jahren und Monaten festgestellt: Es gibt überhöhte Abgaswerte. Das Ministerium soll sich darum kümmern. – Die Deutsche Umwelthilfe und der ADAC haben Daten aus eigenen Messungen vorgelegt. Null Interesse beim Ministerium! Dort zieht man es vor, die Automobilindustrie, das heißt die Verursacher dieses Skandals, zu hofieren, ihnen Geschenke in Form einer E-Auto-Prämie zu machen und eine zahnlose Untersuchungskommission einzusetzen.
Jetzt geht es darum, dass wir die Betrügereien nicht zulassen; sie müssen jetzt beendet werden. Sie müssen schonungslos aufgeklärt werden, und darum brauchen wir diesen Untersuchungsausschuss.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir über den Abgasskandal reden und einen Untersuchungsausschuss fordern, dann geht es nicht nur um die Skandale in der Vergangenheit. Sie haben es alle mitbekommen: Gestern und heute haben der WDR, der Spiegel und die Deutsche Umwelthilfe Untersuchungsergebnisse zu weiteren Fahrzeugen vorgelegt. Sie haben festgestellt: Die Abgaswerte stimmen nicht. Es ist offenbar auch bei zwei Dieselfahrzeugen von Opel eine Motorsoftware eingesetzt worden, die genau das bewirkt, was bei VW-Fahrzeugen passiert ist.
(Gustav Herzog [SPD]: Das ist falsch, Herr Kollege! Das ist falsch, was Sie da sagen! Das sagt auch nicht die Deutsche Umwelthilfe! – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch falsch!)
Der Opel Zafira war von der Untersuchungskommission des Verkehrsministeriums in Gruppe II eingestuft worden. Man hat erhöhte Werte festgestellt. Aber Gruppe II besagt nicht, dass man schadstoffbeeinflussende Software festgestellt hat. Vielmehr geht es hier nur um überhöhte Werte. Man hat aber gesagt: Es hat keine Abschalteinrichtung festgestellt werden können. – Doch gerade das haben heute der Spiegel, der WDR und die DUH belegt: Gleich mehrere Abschalteinrichtungen wurden dort identifiziert.
Bei den gefundenen Einrichtungen geht es nicht nur um das häufig von Herrn Dobrindt erwähnte Thermofenster, das es übrigens nicht gibt – das ist ein Kunstbegriff aus der Automobilindustrie –, sondern darum, dass bei bestimmten Drehzahlen und bei entsprechendem Luftdruck die Abgasbehandlung einfach abgeschaltet wird.
Es stellt sich also die Frage: Hat das Verkehrsministerium wirklich alles darangesetzt, Abschalteinrichtungen zu erkennen? Warum wurden keine Schritte unternommen, den Betrug zulasten der Verbraucher, des Klimas und der Umwelt zu beenden?
Auch den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen muss zumindest jetzt klar werden: Es bedarf eines Untersuchungsausschusses, der schonungslos alles auf den Tisch packt, was wir bislang nicht erkennen konnten. Darum muss dieser Untersuchungsausschuss heute beschlossen werden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben es gemeinsam in der Hand, dass sich in Zukunft Autokäuferinnen und -käufer darauf verlassen können, dass die Hersteller ihnen die richtigen Angaben zu Verbrauch und Abgaswerten vorlegen, wenn sie sich ein Auto kaufen. Der Untersuchungsausschuss muss klarmachen: In Zukunft haben Abgasbetrüger keine Chance mehr, sich zulasten der Gesundheit und des Klimas zu bereichern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Kirsten Lühmann.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6834026 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 171 |
Tagesordnungspunkt | Einsetzung eines Untersuchungsausschusses |