Manuela SchwesigBundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Regulierung des Prostitutionsgewerbes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Bundesjustizminister und ich legen Ihnen am heutigen Tage zwei Gesetzentwürfe vor, mit denen wir dafür sorgen wollen, dass Schluss mit Zwangsprostitution, Schluss mit Menschenhandel und Gewalt in der Prostitution ist. Das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz soll dazu beitragen, dass die Frauen und Männer, die in der Prostitution arbeiten, zukünftig besser geschützt werden, und Sie werden den Parlamentarischen Staatssekretär in der Debatte zum nächsten Tagesordnungspunkt zum Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel hören.
Zugegebenermaßen haben wir es hier mit einem sehr komplexen und schwierigen Thema zu tun. Warum? Viele Frauen und auch Männer in der Prostitution befinden sich in ganz unterschiedlichen Lebenslagen. Ich selbst habe zum Beispiel mit Prostituierten gesprochen, die ganz Verschiedenes erlebt haben.
Da waren die zwei jungen Frauen, die mir ganz selbstbewusst gesagt haben: Frau Schwesig, wir machen diesen Beruf gerne, wir machen ihn freiwillig. Wir haben in unserem Bereich gute Arbeitsbedingungen. Wir möchten auch, dass wir akzeptiert und respektiert werden. – Ich konnte das diesen Frauen abnehmen. Das war glaubwürdig, das war verbindlich.
Aber im gleichen Gespräch hat mich eine junge Osteuropäerin angesprochen und gesagt: Ich habe anderes erlebt. Ich habe keine Freiwilligkeit erlebt. Ich habe auch keine guten Arbeitsbedingungen erlebt. Ich habe Ausbeutung und Gewalt erlebt. Ich war wie versteckt. Mich hat niemand gesehen; ich musste ja nirgendwo hin, auch zu keiner Beratung. Ich war sozusagen versteckt, und der Zuhälter konnte machen, was er wollte.
Eine andere Prostituierte hat mir berichtet, dass sie frühzeitig – schon als junges Mädchen, schon als Minderjährige – zur Prostitution getrieben wurde.
Sie sehen an diesen drei Beispielen, dass wir es mit ganz unterschiedlichen Lebenslagen zu tun haben. Deshalb möchte ich dafür werben, auch an dieses Gesetz entsprechend heranzugehen. Wir müssen versuchen, den verschiedenen Herausforderungen gerecht zu werden, und dafür sorgen, dass die Frauen und Männer, die in der Prostitution sind, gute Bedingungen haben. Gleichzeitig müssen wir aber dafür sorgen, dass niemand Frauen und Männer, Mädchen und Jungen in unserem Land benutzen und zur Prostitution zwingen kann.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Zur Wahrheit gehört, dass in Deutschland viele Prostituierte unter menschenverachtenden Bedingungen arbeiten. Damit muss Schluss sein. Es wird künftig einfacher, Menschenhändler zu verurteilen, und es kann besser gegen Zwangsprostitution vorgegangen werden. Wir wollen aber auch dafür sorgen, dass Bordelle zukünftig klare Regeln bekommen. Viele Frauen sind nicht in der Position, selbst bessere Bedingungen durchsetzen zu können. Viele Frauen sind in der Macht von Bordellbesitzern und ihnen schutzlos ausgeliefert, oft auch der Gewalt. Niemand kontrolliert, unter welchen Bedingungen Bordelle arbeiten. Es ist in Deutschland schwieriger, eine Pommesbude zu eröffnen als ein Bordell. Damit muss Schluss sein. Wir brauchen für Bordelle klare Regeln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen Frauen und Männer davor schützen, zur Prostitution gezwungen zu werden. Wir wollen die Frauen und Männer, die freiwillig in der Prostitution arbeiten, besser schützen: vor Gefährdungen ihrer Gesundheit und ihrer sexuellen Selbstbestimmung, vor Ausbeutung und vor Gewalt. Deshalb geben wir den Prostituierten klare Rechte an die Hand und unterstützen sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte. Nur wer seine Rechte kennt, nur wer Beratungsangebote bekommt und sie auch in Anspruch nimmt, der ist wirklich geschützt. Deshalb ist es richtig, dass wir zukünftig eine Anmeldepflicht vorsehen und diese mit einer Beratungspflicht verbinden, um genau der jungen Prostituierten, die bisher gar nicht rauskam, die gar nicht sichtbar war, die Chance zu geben, gute Hilfe zu bekommen. Das ist keine Gängelung, sondern Schutz und Unterstützung für diese Prostituierten.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Die Einsicht kommt spät, aber sie kommt!)
Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist: Wir werden den Prostitutionsstätten, also den Bordellen, zukünftig Auflagen erteilen. Bis jetzt ist es so, dass es kaum Regeln gibt. Jeder kann so einen Betrieb anmelden; überprüft wird so gut wie nichts. Damit muss Schluss sein. Zukünftig wird das Gewerbe erlaubnispflichtig, und wir werden dafür sorgen, dass geschaut wird: Wie sehen die Verträge mit den Prostituierten aus? Wie gewährleistet der Betreiber, dass dort keine Minderjährigen beschäftigt werden? – Wenn die zuständige Behörde den Eindruck hat, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, dann muss sie auch handeln können.
Wir werden außerdem menschenunwürdige Betriebskonzepte verbieten, zum Beispiel die Flatrate-Bordelle.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Es kann nicht sein, dass eine Frau eine ganze Nacht zu allem verkauft wird. Die Frau muss die Möglichkeit haben, selbst zu sagen, was sie kann und was sie will. Es geht nicht, dass im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Rücken der Frauen Ausbeutung herrscht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Zu der strengeren Regulierung dieses Gewerbes gehören zukünftig auch bessere Arbeitsbedingungen für Prostituierte. Das ist unser Ziel: Wir wollen Schutzstandards, insbesondere räumliche, hygienische und sicherheitstechnische Mindestanforderungen. Ein konkretes Beispiel ist, dass das Arbeitszimmer mit einem Notrufsystem ausgestattet sein muss, damit die Frauen in Notsituationen auch wirklich Hilfe rufen können. Wir sorgen auch dafür, dass Prostituierte besser beraten werden, und wir legen hohe Anforderungen an diejenigen, die Bordelle betreiben, an.
Es gibt zukünftig klare Rechte und viel mehr Handlungssicherheit für die Prostituierten. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass es uns einerseits mit dem Prostituiertenschutzgesetz und andererseits mit dem Gesetz von Herrn Maas zur Bekämpfung von Menschenhandel gelingt, dafür zu sorgen, dass die legale Prostitution unter fairen Bedingungen abläuft und dass wir zukünftig gegen Zwangsprostitution, Ausbeutung und Gewalt besser vorgehen können.
Ich hätte mir gewünscht, dass diese Themen schon in den vergangenen Legislaturperioden intensiver angegangen worden wären. Wir haben hier seit vielen Jahren Zustände, die unhaltbar sind. Ich habe selber erlebt, wie schwierig es angesichts der verschiedenen Gemengelagen ist, die unterschiedlichen Positionen von „Lasst doch alles so, wie es ist“ über „Freiwilligkeit über alles“ bis hin zu „Verbietet Prostitution am besten ganz“ in einem Gesetz zusammenzubekommen, das den Frauen und Männern vor Ort wirklich gerecht wird.
Ich bedanke mich herzlich bei der Regierungskoalition. Wir haben intensiv beraten, auch gestritten. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir jetzt gute Regeln vorliegen haben.
Ich freue mich auf die Beratung und wünsche mir, dass wir nach vielen Jahren Stillstand dieses Gesetz jetzt durchziehen, um endlich etwas gegen Ausbeutung in der Prostitution und für einen besseren Schutz derjenigen, die ihr freiwillig nachgehen, zu tun.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Cornelia Möhring für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6887634 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Regulierung des Prostitutionsgewerbes |