02.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 3

Carola ReimannSPD - Regulierung des Prostitutionsgewerbes

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Prostitutionsschutzgesetz schaffen wir das erste Mal klare Regeln für den Betrieb und die Erlaubnis von Prostitutionsstätten. Das ist gut; denn damit sorgen wir für bessere Arbeitsbedingungen für die in der Prostitution tätigen Frauen und Männer. Für die SPD ist das ein ganz entscheidender Punkt. Wir wollen nämlich, dass dieses Gesetz hält, was sein Name verspricht: ein höheres Schutzniveau und eine nachhaltige Verbesserung der Situation von Prostituierten.

Es ist schon angesprochen worden: Die Erfahrungen aus der Praxis haben gezeigt, dass auch nach dem im Jahr 2002 unter Rot-Grün eingeführten Prostitutionsgesetz Handlungsbedarf besteht. Leider, Kollege Weinberg, hat aber ein schwarz-gelb dominierter Bundesrat in der Vergangenheit immer notwendige Regulierungen verhindert.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Das Prostitutionsgesetz setzt jetzt an dieser Stelle an. Die Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten ist hierbei der zentrale Punkt. Mit ihr setzen wir wichtige Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen durch.

(Beifall bei der SPD)

Erstens. Die Betreiber eines Prostitutionsgewerbes müssen sich einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Zweitens. Diese Erlaubnispflicht wird an die Erfüllung gesetzlicher Mindestanforderungen für die Betriebe geknüpft. Bei Verstößen drohen empfindliche Strafen und der Entzug der Erlaubnis. Drittens. Es stehen uns mit dem Gesetz jetzt endlich neue Kontrollinstrumente zur Verfügung,

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Jetzt endlich!)

um auch die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten sicherzustellen.

Wir brauchen diese Maßnahmen; denn es geht hier um nicht weniger als die Einhaltung von Grundrechten wie der sexuellen Selbstbestimmung, der persönlichen Freiheit und auch der Gesundheit. Deshalb ist es richtig, dass wir mit Geschäftsmodellen Schluss machen, die mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung unvereinbar sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir regeln hier einen Bereich, der, wo immer man hinschaut, ganz unterschiedlich ist, ja sogar widersprüchlich ausgeprägt ist. Zweifelsohne ist die Situation für viele in der Prostitution Tätige nach wie vor schwierig. Sie werden ausgegrenzt und stigmatisiert, nur wenige wagen es, offen über ihre Tätigkeit zu sprechen. Viele fürchten Benachteiligungen im eigenen sozialen Umfeld. Gleichzeitig gibt es aber auch Sexarbeiterinnen, die selbstbewusst für ihre Rechte kämpfen können, die Freiwilligkeit und Selbstbestimmtheit für sich reklamieren.

Die Ministerin hat in ihrer Rede auf diese ganz unterschiedlichen Lebenslagen hingewiesen. Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das dieses Spektrum berücksichtigt und dem gerecht wird. Das ist eine besondere Herausforderung. Das ist aber nicht die einzige Herausforderung und nicht der einzige Widerspruch, mit denen man sich in diesem Gewerbe konfrontiert sieht; denn wir sprechen hier über einen Wirtschaftszweig, in dem Milliarden umgesetzt werden, mit dem aber, wenn man sich umhört, niemand etwas zu tun hat. Es ist die Tabuisierung, das Verschweigen und zum Teil auch die Verlogenheit, die die Lage dieser Frauen und Männer so schwierig machen. Dieses Problem ist wesentlich tief greifender, als dass wir es mit einem einzigen Gesetz von heute auf morgen ändern könnten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist aber wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind und verstehen, in welch unterschiedlichen Lagen sich Prostituierte befinden. Das müssen wir auch als Gesetzgeber vor Augen haben. Deshalb brauchen wir Regeln mit Augenmaß, Regeln, die den Frauen ein sicheres Leben ohne gesellschaftliche Ächtung möglich machen, aber auch Regeln, die der Lebens- und Berufspraxis gerecht werden. Das ist das, was viele renommierte Verbände, angefangen vom Deutschen Juristinnenbund und dem Deutschen Frauenrat über die Diakonie bis hin zur Deutschen AIDS-Hilfe, im vorparlamentarischen Beratungsprozess immer wieder angemahnt haben.

Deshalb bin ich froh, dass es in langen Verhandlungen gelungen ist, Forderungen abzuwehren, die die Balance dieses Gesetzes gefährdet hätten. Dazu zählen Forderungen nach Pflichtuntersuchungen oder nach dem Mindestalter. Richtig war auch, die Anmeldepflicht praxistauglicher zu machen. Unsere Marschrichtung ist klar: Wir wollen mehr Schutz, und wir wollen mehr Rechte für die Prostituierten. Wir wollen klare Standards für ordentliche Arbeitsbedingungen.

Was wir aber nicht wollen, ist Tabuisierung, Stigmatisierung und Regelungen, die diese für die Frauen schädliche Entwicklung ohnehin verstärken; denn am Ende schieben wir damit Probleme und auch Missstände in die dunkle Ecke der Illegalität, obwohl wir eigentlich mehr Licht und mehr Transparenz an dieser Stelle brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind mit dem Gesetz auf einem guten Weg, wenn wir diese Leitlinien auch im parlamentarischen Verfahren beherzigen. Das heißt: keine weiteren Verschärfungen, stattdessen mehr Rechte, mehr Beratung und mehr Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Kollegin Ulle Schauws für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6887689
Wahlperiode 18
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Regulierung des Prostitutionsgewerbes
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