02.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 3

Sönke RixSPD - Regulierung des Prostitutionsgewerbes

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Veranstaltung – eine Familienfeier, ein größeres Fest, wie auch immer – und lernen eine Frau kennen. Im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass sie als Prostituierte arbeitet. Machen wir uns nichts vor, dass das für uns alle irgendwie eine sehr merkwürdige Situation wäre. Stellen Sie sich weiterhin vor, Sie sind auf einer Familienfeier und eine Frau erklärt, dass sie als Krankenschwester arbeitet. Kein Mensch würde dann schlucken und sagen: Oh, was ist das denn? – Aber bei dem anderen Beruf würden wir es machen.

Warum sage ich das? Weil es in diesem Bereich – unabhängig davon, ob Frauen, die der Prostitution nachgehen, dies selbstbestimmt oder aus Nöten und Zwängen heraus tun – immer eine Stigmatisierung gibt. Das trifft auch für die Frauen zu, bei denen wir sagen: Das ist doch eine ganz selbstbewusste, toughe Frau; das ist doch gar nicht schlimm. – Wir, die wir uns jetzt zwei Jahre lang intensiv mit diesem Thema beschäftigt haben, würden wahrscheinlich sogar erst recht sagen: Alles nicht so wild. – Aber es ist und bleibt eine Stigmatisierung.

Die Situation ist immer noch so – auch am Internationalen Hurentag muss man darauf aufmerksam machen –, dass wir dieses Thema – Frau Reimann hat es vorhin gesagt – ein Stück weit verlogen, verdeckt und mit schrägen moralischen Vorstellungen angehen. Das macht die ganze Debatte um diesen Bereich ja auch so schwierig. Wenn wir wirklich darüber diskutieren würden, wie wir den Menschenhandel bekämpfen können, dann würden wir nicht nur über Prostituierte reden; denn der Menschenhandel betrifft nicht nur den Bereich der Prostitution, in dem die Situation zugegebenermaßen sehr gravierend ist. Auch Menschen in anderen Bereichen werden ausgebeutet und müssen beispielsweise auf Baustellen, im Reinigungsgewerbe und wo auch immer arbeiten. Menschenhandel und Ausbeutung betreffen also nicht nur den Bereich der Prostitution, auch wenn die Situation in diesem Bereich am gravierendsten und schlimmsten ist, sondern Menschenhandel umfasst noch mehr.

Genau aus diesem Grund haben wir die beiden Bereiche getrennt. Wir haben gesagt: Das eine ist die Regulierung der Prostitution und der Schutz von Prostituierten insgesamt, und das andere ist die Bekämpfung des Menschenhandels. Das sollten wir in dieser Debatte unterscheiden; den zweiten Teil dieses Komplexes beraten wir getrennt, gleich im Anschluss an diese Debatte. Das wollte ich vorweg einmal sagen.

Nachdem wir zwei Jahre verhandelt haben, kann ich feststellen, dass wir in dieser Koalition von sehr unterschiedlichen Seiten gekommen sind. Es ist mitnichten so, dass das rot-grüne Prostitutionsgesetz dazu beigetragen hat, dass wir angeblich der Puff Europas sind.

(Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Doch! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Natürlich! Schauen Sie sich mal das Saarland an, wie die da aus Frankreich kommen! Wovon träumen Sie denn nachts?)

– Frau Kollegin, die massive Ausbeutung von Arbeitskräften findet auch in anderen Bereichen statt. Das habe ich Ihnen gerade gesagt. Damit hat das Prostitutionsgesetz nichts zu tun; es hat etwas mit anderen internationalen Rahmenbedingungen zu tun. Das muss man an dieser Stelle einmal unterstreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben zwei Jahre lang intensiv verhandelt, wobei wir aus sehr unterschiedlichen Richtungen gekommen sind. Natürlich haben auch unterschiedliche Wertevorstellungen eine Rolle gespielt. Ich weiß, dass auch innerhalb der Fraktionen und der Parteien die Wertevorstellungen auseinandergehen. Es ist ja nicht so, dass nur in einer Fraktion gesagt wird, dass man Prostitution verbieten muss, und in einer anderen Fraktion niemand das sagt. Die Wertevorstellung, dass man Prostitution am besten verbieten müsste, gibt es – wie ich es zumindest den Äußerungen der Kolleginnen und Kollegen entnehme, mit denen ich gesprochen habe – in allen Fraktionen. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass wir im Zusammenhang mit der Regulierung von Prostitution aufgrund der Tatsache, dass wir uns unter Druck gesetzt fühlen, Schaufenstergeschichten machen. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir sinnlose Sachen wie die Einführung der Altersgrenze von 21 abgewendet haben; sie hätte dazu geführt, dass die Frauen unter 21 Jahren in die Illegalität gegangen wären. Bei der Einführung dieser Altersgrenze haben wir nicht mitgemacht.

(Beifall der Abg. Petra Crone [SPD])

Ein weiterer Punkt ist, dass wir den sogenannten Bockschein nicht wieder eingeführt haben. Denn sämtliche Untersuchungen und Aussagen aus der Fachwelt haben gezeigt, dass er nichts gebracht hat. Auch wenn der Bockschein in dieser Debatte gefordert wurde – bei sinnlosen Schaufenstergeschichten macht die SPD-Fraktion nicht mit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte den zweiten großen Bestandteil dieses Gesetzes erwähnen. Wir haben eine große Einigkeit darüber – das haben auch die Kolleginnen der Grünen gesagt –, dass der größte Bestandteil dieses Gesetzes gar nicht das Anmeldewesen für die Prostituierten ist. Wir müssen das Anmeldewesen so ausgestalten, dass es ein Andockpunkt für Hilfe und Beratung ist und nicht zur Stigmatisierung beiträgt. Wir müssen also sagen: Das ist der Punkt, an dem ihr euch in der Behörde anmeldet, und wir zeigen euch Wege zur Hilfe, Beratung und Unterstützung auf. – Das ist der Sinn der Anmeldung; es geht nicht um eine Registrierung zum Zwecke der Demütigung und Stigmatisierung.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

Der viel größere Teil dieses Gesetzes – über 70 Prozent – befasst sich mit der Regulierung der Bordelle und der Prostitutionsstätten. Wir legen endlich einmal fest, dass nicht jeder – auf gut Deutsch – einen Puff aufmachen kann, sondern dass er vorstrafenfrei sein muss, also keine relevanten Strafen begangen haben darf. Wir setzen fest, dass das Bordell entsprechende Standards vorweisen muss und dass auch die freiberuflich Beschäftigten gewisse Regeln einzuhalten haben. Sie müssen allerdings auch entsprechend geschützt werden.

Herr Kollege Rix, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Deswegen verdient das Gesetz auch den Namen, den es bekommt.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Kollege Paul Lehrieder hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6887741
Wahlperiode 18
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Regulierung des Prostitutionsgewerbes
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