Paul LehriederCDU/CSU - Regulierung des Prostitutionsgewerbes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat, dass sich die Medienwand rechts, auf der die Redner angezeigt werden, gerade während dieser Debatte mit einem roten Aufflackern, mit einem Rotlicht, verabschiedet hat.
(Sönke Rix [SPD]: Jetzt ist es schwarz! – Bärbel Bas [SPD]: Ich sehe nur schwarz!)
Laut Schätzungen der EU-Kommission arbeiten in Europa circa 200 000 Zwangsprostituierte. Die OSZE spricht von jährlich 120 000 bis 500 000 Frauen, die als Prostituierte aus Mittel- und Osteuropa in westeuropäische Länder kommen, ungefähr 27 Prozent davon sind Kinder und Jugendliche. Menschenhändler verdienen pro Jahr circa 150 Milliarden Dollar, so die Internationale Arbeitsorganisation, ILO. Daher liegt es in der Verantwortung der Politik, den in der Prostitution tätigen Menschen einen besseren Schutz zu gewähren, deren Selbstbestimmungsrecht zu stärken und dieses Gewerbe stärker zu kontrollieren.
Das derzeit noch geltende Prostitutionsgesetz, das die damalige rot-grüne Regierung 2002 auf den Weg gebracht hat, konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Frau Dörner, Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen: Gut gemeint bedeutet nicht immer automatisch gut gemacht. Deshalb hätte ich es begrüßt, wenn die Grünen – Sie haben eine gewisse Verantwortung vor dem Hintergrund dessen, was Sie vor 14 Jahren auf den Weg gebracht haben – konstruktiv an der Verbesserung des vorliegenden Gesetzentwurfs mitarbeiten würden.
(Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Frau Pau, Frau Dörner hätte eine Zwischenfrage. – Frau Pau? Frau Dörner möchte mich etwas fragen.
(Heiterkeit)
Ich lasse die Frage zu.
Gut, dann lassen Sie also eine Frage oder Bemerkung zu. Wir waren gerade mit der Lösung technischer Probleme beschäftigt. Entschuldigung. – Bitte, Frau Dörner.
Vielen Dank, dass Sie so überschwänglich meine Frage zugelassen haben.
Ich habe darauf gewartet. – Halt! Meine Zeit läuft noch.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Kollege Lehrieder, Sie kennen sich aus, aber die Zeit ist längst angehalten.
Die Antwortzeit wurde offenbar schon in Ihre Redezeit einkalkuliert.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass wir uns schon vor einem halben Jahr sehr konstruktiv in diese Debatte eingebracht haben, indem wir einen eigenen Vorschlag zu einem Gesetz zur Regulierung von Prostitutionsstätten vorgelegt haben. Ich habe in meinem Beitrag deutlich gemacht, dass wir über Regulierungsmöglichkeiten für das Gewerbe sehr wohl auch eigene Vorstellungen haben, die sich in Teilen mit dem decken, was im vorliegenden Gesetzentwurf enthalten ist, auch wenn wir in Bezug auf einige Details Kritik üben.
Meine Frage lautet: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir uns, gerade was die Regulierung von Betriebsstätten angeht, sehr konstruktiv eingebracht haben, dass sich unsere Kritik darauf bezieht, dass Sie in der Prostitution Tätige mit zusätzlichen Pflichten belegen wollen? Das ist der Punkt, an dem wir Kritik üben, die übrigens, wenn man die Stellungnahmen, die für die Anhörung am kommenden Montag eingegangen sind, liest, von der Breite der Expertinnen und Experten aus unterschiedlichsten Bereichen geteilt wird.
Frau Kollegin Dörner, Sie dürfen versichert sein, dass ich als Ausschussvorsitzender Ihre Anträge und Vorlagen sehr wohl kenne und zur Kenntnis nehme. Ich begrüße ausdrücklich, dass Sie schon zu diesem frühen Zeitpunkt mitgewirkt haben. Umso mehr hat es mich enttäuscht, dass Sie vorhin in Ihrer Rede ausdrücklich gesagt haben – dabei ist die Anhörung erst am Montag –: Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich nicht gesagt!)
Hören wir uns doch erst einmal an, was die Sachverständigen am Montag sagen. Sie lehnen das Gesetz bereits jetzt ab; das können wir im Protokoll nachlesen. – Bleiben Sie stehen, ich bin noch nicht fertig.
Wir werden am Montag in der Anhörung über die Stellungnahmen der Sachverständigen diskutieren. Daraus können wir dann Konsequenzen ziehen, Frau Dörner. Es kann doch nicht darum gehen, reflexartig abzulehnen, was die Große Koalition sinnvollerweise auf den Weg bringt. Arbeiten Sie konstruktiv mit. Ich hoffe, dass Ihnen der Schutz gerade der jungen Frauen in diesem Gewerbe genauso am Herzen liegt wie uns von der SPD und von der CDU/CSU.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Unterstellung!)
– Ich muss Ihnen das unterstellen.
Das 2002 verabschiedete Gesetz und die damit verbundene Liberalisierung des Prostitutionsgewerbes hat nicht nur zu einer massiven Ausweitung der Prostitution, sondern auch zu einer zunehmenden Ausbeutung der in der Prostitution Beschäftigten und zu einer massiven Verschlechterung ihrer sozialen Lage geführt. Menschenunwürdige und ausbeuterische Geschäftsmodelle sind entstanden, und Zwangsprostitution, Menschenhandel sowie die damit verbundene Begleitkriminalität haben massiv zugenommen und stellen mittlerweile einen Kriminalitätsschwerpunkt in unserem Land dar.
Deutschland wurde zeitweise sogar als Bordell Europas bezeichnet; darauf wurde bereits hingewiesen. Die derzeit noch geltenden Regelungen schützen schon seit geraumer Zeit nicht mehr die in der Prostitution Tätigen. Kriminelle und zahlreiche Bordellbetreiber haben die geltende Rechtslage ausgenutzt und hieraus Profit geschlagen. Durch die fehlenden Kontrollmöglichkeiten ist der Raum für Missbrauch und Ausbeutung geöffnet worden.
Frau Dörner, genau deshalb müssen wir die Bordelle überprüfen bzw. die Möglichkeit haben, dass die Polizei in den Bordellen nach dem Rechten schauen kann. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir tun, und das völlig zu Recht. Frau Ministerin Schwesig hat auf die Pommesbude hingewiesen. Jedes andere Gewerbe in Deutschland ist mehr Regulierungen unterworfen als der Betrieb eines Bordells, und das kann es nicht sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der CDU/CSU-Fraktion ist es ein wichtiges Anliegen, ein Prostituiertenschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Ich muss ganz bewusst auf den Namen eingehen. Es heißt nicht Prostitutionsschutzgesetz, sondern es ist ein Prostituiertenschutzgesetz, weil die Prostitution keines Schutzes bedarf. Sie wird nicht zu Unrecht oft als ältestes Gewerbe der Welt bezeichnet. Wir müssen die Frauen und auch die Männer, die in der Prostitution tätig sind, schützen vor ausbeuterischen Geschäftsmodellen, vor einer Ausnutzung ihrer persönlichen Lage. Genau dies bringt dieser Gesetzentwurf erstmalig richtig auf den Weg, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich denke, dies ist uns mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf, den wir von Juli 2017 an sukzessive umsetzen werden, gelungen.
Es wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits darauf hingewiesen: Wir haben uns die Beratungen nicht leicht gemacht. Wir sind von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus an dieses Gesetz herangegangen. Es gibt in der Prostitution nicht die Prostituierte, es gibt vielmehr ganz unterschiedliche Beweggründe, warum Menschen der Prostitution nachgehen. Es gibt die selbstbewusste 22- bis 24‑jährige Studentin, die sich etwas hinzuverdienen will, die mit diesem Gesetz sehr wohl wird leben können. Es gibt aber auch sehr viele – man schätzt 75 bis 80 Prozent – junge, heranwachsende Mädchen, die zum Teil der deutschen Sprache nicht mächtig sind und aus dem osteuropäischen Ausland kommen. Dies sind vulnerable Heranwachsende, die mit Loverboy-Methoden nach Deutschland gelockt wurden. Sie wurden zunächst für Putzjobs angeheuert und dann tatsächlich in die Prostitution geschickt. Auch diese müssen wir im Fokus haben, auch die müssen wir schützen.
Auch hier ist es natürlich wichtig, zu sagen: Ja, du bekommst ein Beratungsangebot außerhalb des Milieus. Deshalb die Gesundheitsberatung. Wir haben über den Begriff „Gesundheitsuntersuchung“ diskutiert, aber wir haben gesagt: Nein, wir machen eine Gesundheitsberatung. Die Betroffenen müssen die Möglichkeit haben, jedes halbe Jahr einen Kontakt außerhalb des Milieus zu haben, um im Falle eines Übergriffs oder einer Verletzung ihrer eigenen Rechte tatsächlich jemanden zu haben, an den sie sich vertrauensvoll wenden können. Deshalb erfolgt die Gesundheitsberatung natürlich ohne den Zuhälter; denn es macht keinen Sinn, wenn die Betroffenen mit ihrer Begleitperson erscheinen, die entsprechend Druck ausübt. Sie wären dann nicht in der Lage, ehrlich und offen zu sagen, was sie bedrückt bzw. wo die Probleme liegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD])
Wir hätten uns auch vorstellen können, das Mindestalter für die Prostitution auf 21 Jahre heraufzusetzen, aber das war hier im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzbar. Deshalb gibt es zumindest die Verdoppelung der Anzahl der medizinischen Beratung; denn in vielen Bereichen unseres Rechtssystems sind die Heranwachsenden, die 18- bis 21‑Jährigen, besonders geschützt, zum Beispiel beim Betreten einer Spielhalle oder im strafrechtlichen Bereich. Es gilt, besonders diese Heranwachsenden davor zu schützen, einen Fehler zu machen.
Es gibt eine Schweizer Expertise, die besagt: 97 bis 98 Prozent der in der Prostitution Tätigen leiden auch nach Beendigung dieser Tätigkeit. Diese Tätigkeit zieht man nicht mit der Kleidung aus. Man verletzt sich selbst: psychisch und ein Stück weit auch physisch. Deshalb müssen wir aufpassen, dass wir gerade die vulnerablen, die verletzlichen jungen Frauen, aber auch die Männer in dem Alter von 18 bis 21 Jahren besonders schützen. Hoffentlich gelingt dies mit diesem Gesetz. Wir werden darüber diskutieren. Wir hätten hier noch etwas weitergehen wollen, das war aber nicht machbar.
Meine Damen und Herren, die umfassende Veränderung der Regulierung der Prostitution und der Prostitutionsstätten in unserem Land durch ein neues Gesetz ist längst überfällig. Durch ein neues Prostituiertenschutzgesetz wollen wir – in Abstimmung mit den strafrechtlichen Erfordernissen bei der Verfolgung von Zwangsprostitution und Menschenhandel – die Fremdbestimmung in der Prostitution wirksam bekämpfen. Bereits im gemeinsamen Koalitionsvertrag hatten wir vereinbart, Frauen besser vor Menschenhandel und Zwangsprostitution zu schützen, Täter konsequenter zu bestrafen und das Prostitutionsgesetz im Hinblick auf die Regulierung der Prostitution sowie die gesetzliche Verbesserung der ordnungsbehördlichen Kontrollmöglichkeiten umfassend zu überarbeiten.
Weil vorhin darauf hingewiesen wurde, möchte ich noch zwei Sätze zur Anmeldung sagen. Die Anmeldung ist erforderlich, weil uns die Kriminalpolizei sagt: Wir können nur die schützen, die wir kennen. Die Person kann auch mit einem Alibinamen registriert sein. Im Ausweis kann auch „Domina 2000“ stehen, um die Identität dieser Person auf der Straße zu verschleiern; aber sie muss bei der Meldebehörde registriert sein, damit man weiß, wie viele Prostituierte in welchem Alter wo tätig sind. Nur dann kann man als Polizei nach dem Rechten schauen.
Dies wollen wir, wie schon gesagt, erstmalig ermöglichen. Es geht nicht um Gängelung, es geht nicht um Stigmatisierung, es geht nicht um Bevormundung, sondern es geht um den Schutz der Frauen. Allen Fraktionen in diesem Hohen Haus würde es gut anstehen, konstruktiv daran mitzuarbeiten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Karin Maag für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6887745 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Regulierung des Prostitutionsgewerbes |