Karin MaagCDU/CSU - Regulierung des Prostitutionsgewerbes
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gehört: Das Prostitutionsgesetz von 2002 war gut gemeint – das gestehe ich zu –; im Zuge der Osterweiterung der Europäischen Union hat sich aber so viel verändert, da sind so viele Themen neu hinzugekommen, dass es längst überfällig ist, ein neues Prostitutionsschutzgesetz auf den Weg zu bringen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Viel Zeit wurde vertan, in der nur darüber diskutiert wurde, wer vermeintlich schutzbedürftig ist und wer tatsächlich schutzbedürftig ist. Liebe SPD, ja, es gibt sie, die freien Sexarbeiterinnen, die zufriedenen, die sich in Verbänden – zum Teil auch sehr kleinen Verbänden mit nur etwa 34 Mitgliedern – organisieren. Man sieht sie im Fernsehen in den Talkrunden. Sie waren auch in der Anhörung vertreten.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Absolute Minderzahl!)
Es gibt die selbstständigen Sexarbeiterinnen – auch ich habe mit einer gesprochen –, die in Voll- oder Teilzeit arbeiten. Das sind unter anderem Studentinnen, die sich durch den Escortservice etwas hinzuverdienen wollen. Das ist aber nicht das Berufsleitbild, wie man uns weismachen will.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)
Wir in der Union haben auch die vielen Zwangsprostituierten bei ihrer täglichen Arbeit im Blick.
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
So steht es im Grundgesetz. Das umfasst auch und vor allem das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Trotzdem wird in Deutschland jeden Tag diese Würde, insbesondere die von Frauen, mit Füßen getreten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Realität ist doch: Prostitution in Deutschland ist im Wesentlichen Armutsprostitution. Wir reden von Frauen und Mädchen in totaler Abhängigkeit.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben überhaupt keine Zahlen dazu! Was reden Sie da?)
Der Anteil der ausländischen Frauen steigt zum Beispiel in Stuttgart seit Jahren kontinuierlich an. Er liegt derzeit bei 90 Prozent. Diese Frauen kommen aus Osteuropa, aus Rumänien, aus Bulgarien, aus Ungarn. Der größte Teil entstammt der Volksgruppe der Roma und den türkischen Minderheiten in Bulgarien und Rumänien. Ein Teil kommt aus Afrika. Die Frauen sprechen kaum Deutsch, können weder lesen noch schreiben. Viele sind sogar gar nicht alleine hier. Sie bringen ihre Brüder, Ehemänner und Väter mit. Es ist fürchterlich, aber manchmal sind es auch die Mütter, die ihre Töchter zur Prostitution nach Deutschland bringen. Die Prostituierte erwirtschaftet dann nicht nur das Geld für die Familie zu Hause, sondern auch den Unterhalt für die sie begleitenden Personen. Fürchterlich ist: Je besser diese Frauen „funktionieren“, so will ich es bezeichnen, je versorgter die Familien zu Hause sind, umso größer ist der Anreiz für alle anderen, ebenfalls ihre Töchter, Schwestern, Frauen zur Prostitution nach Deutschland zu schicken.
Meine Damen und Herren, Realität sind auch sogenannte Gang-Bang-Partys, der Flatratesex: Prostituierte, die morgens um 2 Uhr für 8 Euro Geschlechtsverkehr anbieten müssen, der sie schmerzt, weil sie noch nicht genügend verdient haben, um die 130 Euro pro Nacht für ihr Zimmer zahlen zu können.
Realität sind die Großbordelle. 2012 wurde in der Region Stuttgart, aus der ich komme, Flatratesex für 100 Euro angeboten. Dafür durfte man eine Frau beliebig oft in Anspruch nehmen. Die Prostituierte erhielt pro Kundenkontakt 5 Euro. Arbeitszeit: 14 Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche.
Um diese sich unfreiwillig prostituierenden Frauen geht es uns in der Union. Die wollen wir schützen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])
Wenn Deutschland als Bordell Europas bezeichnet wird – dieser Begriff ist heute mehrfach gefallen –,
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur von CDU und CSU!)
dann ist das ein erbärmliches Etikett. Das werden wir mit diesem Gesetz beenden.
Frau Möhring, Sie haben vorhin den Internationalen Hurentag erwähnt. Er erinnert an die Diskriminierung von Prostituierten und deren oftmals ausbeuterische Arbeitsbedingungen.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau! Diskriminierung! Ausbeutung!)
Ich glaube, wir sind auf gutem Wege, diese ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und diese Diskriminierung zu beenden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Maßnahmen dazu wurden dargestellt. Richtig ist: Freiwillige Ausübung der Prostitution in Deutschland durch Erwachsene und die entsprechende Nachfrage bleiben in Deutschland zulässig, auch wenn ich persönlich sehr viel Verständnis für das schwedische Modell habe, je länger ich mich mit Prostitution beschäftige. Aber es wird künftig wenigstens eine persönliche Anmeldepflicht geben, die die bisher weitgehend unsichtbaren Frauen aus Osteuropa, die sogenannten importierten Frauen, überhaupt erst sichtbar macht. Uns geht es vor allem um die Gelegenheit zur persönlichen Kontaktaufnahme, um die Gelegenheit zur Beratung. Mit dieser persönlichen Anmeldepflicht können die Frauen zum ersten Mal über elementare Rechte in Deutschland aufgeklärt und informiert werden.
Liebe Frau Schauws, ohne diese Anmeldung dürfen die Frauen zum Beispiel im Bordell gar nicht arbeiten. Das heißt, der Zuhälter hat sogar ein großes Interesse daran, dass sie sich anmelden. Ich glaube nicht, dass sie dadurch in irgendeiner Form in der Illegalität verschwinden.
Nächstes Thema. Prostituierte sind oft sehr junge Menschen, die zwar auf dem Papier volljährig sind, aber mit 18 bis 21 Jahren – ich will es einmal vorsichtig ausdrücken – noch sehr beeinflussbar sind und vielleicht sogar – das sage ich in Anführungszeichen – formbar im Sinne ihrer Zuhälter und der sogenannten Loverboys. Die Polizei berichtet, dass diese Gruppe sehr junger Frauen seit der EU-Osterweiterung deutlich zugenommen hat. Sie brauchen unseren Schutz am allermeisten. Deswegen ist es gut, dass wir für die unter 21-Jährigen mit der jährlichen Anmeldung und einer Gesundheitsberatung alle sechs Monate ein erhöhtes Schutzniveau eingeführt haben. Ich persönlich ärgere mich, dass wir das Verbot der Prostitution mit Ihnen nicht erreichen konnten. Vielleicht schaffen wir es noch in der Anhörung.
(Sönke Rix [SPD]: Was?)
Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere. Die Frauen und Männer sind erheblichen psychischen und physischen Gefahren ausgesetzt. Lebensumstände und Gesundheitsrisiken können sich schnell verändern. Ich nenne den Suchtmittelmissbrauch. Ich nenne das Schutzverhalten bei sexuell übertragbaren Krankheiten. Durch den wiederholten Kontakt mit der Anmeldebehörde, mit der Beratungsstelle kann sich durchaus eine Vertrauensbeziehung entwickeln.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn? Im Viertelstundentakt?)
Sie ist Voraussetzung dafür, dass Gewalt, Drogenkonsum und Zwang überhaupt angesprochen werden können.
Kollegin Maag, die anderen Punkte müssen Sie bitte in die Anhörung verschieben; denn Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. – Ich bin der Überzeugung, dass wir mit dem Prostituiertenschutzgesetz, mit der Umsetzung der Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels, über die wir im Anschluss diskutieren, und mit den geplanten Änderungen im Strafrecht zum Schutz des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung nochmals sehr viel für die Frauen in Deutschland erreichen. Darauf bin ich als Unionsmitglied stolz. Wir bleiben dran.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6887746 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Regulierung des Prostitutionsgewerbes |