Christian Lange - Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erste Lesung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung hat sich geraume Zeit verzögert. Sowohl der Regierung als auch den Koalitionsfraktionen war es nämlich ein Anliegen, im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens dem gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Bekämpfung des Menschenhandels besser Rechnung zu tragen. Denn schon der Koalitionsvertrag enthält Vorgaben für eine umfassende Neuregelung der Strafvorschriften zum Menschenhandel. Insbesondere soll die überragende Bedeutung der Opferaussage darüber, ob es zur Ausbeutung gebracht worden ist, abgemildert werden, und die Ausbeutung der Arbeitskraft soll stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es liegt nunmehr ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vor, mit dem diesem weiter gehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf entsprochen werden soll. Ich möchte mich bei den Koalitionsfraktionen für die intensiven Fachgespräche ausdrücklich bedanken. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, zu zählen, wie viele es waren; aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben es geschafft. Das ist die gute Botschaft des heutigen Tages.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Dieser Änderungsantrag enthält einen Vorschlag zur Neufassung der strafrechtlichen Vorschriften zum Menschenhandel. Ergänzend schlägt er neue Straftatbestände der Ausbeutung der Arbeitskraft und der Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung sowie eine Regelung zur Strafbarkeit von Kunden sexueller Dienstleistungen von Menschenhandelsopfern oder Zwangsprostituierten vor. Die bisherigen Vorschriften der §§ 232 und 233 Strafgesetzbuch bleiben als Zwangsprostitution und Zwangsarbeit zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken im Wesentlichen unverändert. Diese Vorschläge entsprechen auch einer Formulierungshilfe unseres Hauses, die das Kabinett im April dieses Jahres beschlossen hat.
Der Aufbau der neu gefassten §§ 232 ff. Strafgesetzbuch folgt der zeitlichen Reihenfolge strafbarer Handlungen in diesem Deliktsbereich, nämlich: Menschenhandel als der Prozess von der Anwerbung des Opfers bis zu dessen Ankunft am Bestimmungsort der Ausbeutung, das Veranlassen des Opfers zur Aufnahme ausbeuterischer Tätigkeiten – seien es Prostitution, Arbeitsausbeutung oder sonstige Formen der Ausbeutung – und schließlich die Ausbeutung des Opfers selbst.
Meine Damen und Herren, wie sehen nun die praktischen Folgen dieser neuen Tatbestände aus? Stellen wir uns einen Menschen vor, der aus dem Ausland gekommen ist, nur unzureichende Sprachkenntnisse und nur vage Kenntnisse der hiesigen Lebens- und Arbeitsbedingungen hat, wegen fehlender Aufenthaltspapiere aber Angst hat – Angst vor der Polizei und Angst vor Behörden – und nun auf einen Landsmann trifft. Dieser betreibt eine Gaststätte, und er bittet ihn, ihn bei sich arbeiten zu lassen. Dieser lässt ihn in der Küche unentgeltlich an sieben Tagen in der Woche je zwölf Stunden arbeiten. Veranlasst, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat er diesen Entschluss nicht. Ausgebeutet hat er das Opfer aber sehr wohl und dabei dessen Zwangslage und Hilflosigkeit in einem ihm fremden Land ausgenutzt. In Zukunft wird dies nach dem neuen § 233 Strafgesetzbuch – Ausbeutung der Arbeitskraft – strafbar sein. Das ist überfällig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Stellen wir uns weiter vor, das Opfer aus dem vorherigen Beispiel erkennt, dass ihm dieses Leben keine Perspektive bietet, und er möchte in sein Heimatland zurückkehren. Sein Arbeitgeber möchte aber auf diese billige und auch praktische Arbeitskraft jetzt nicht mehr verzichten. Er sperrt sein Opfer deshalb ein und überwacht es während der Arbeitszeit. Dann macht sich dieser nach dem neuen § 233a Strafgesetzbuch der Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung strafbar. Auch das ist überfällig.
Stellen wir uns schließlich ein entsprechendes Ausbeutungsverhältnis in der Prostitution vor, in dem eine Prostituierte an sieben Tagen die Woche vom frühen Abend bis in die späte Nacht in einem Bordell der Prostitution nachgehen und den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte abgeben muss. Damit sie sich dieser Situation nicht entzieht, darf sie den täglichen Weg von der Unterkunft bis zum Bordell nur begleitet zurücklegen; in der übrigen Zeit wird sie eingeschlossen. Wir haben uns in unseren Gesprächen und Anhörungen viele solcher Fälle schildern lassen. Auch in diesen Fällen ist der neue § 233a Strafgesetzbuch anwendbar. Das ist gut und richtig so. Hier schließt sich der Kreis zum Prostituiertenschutzgesetz bzw. zu der Debatte von soeben über den Gesetzentwurf von Bundesministerin Schwesig.
Es ist richtig, dass wir endlich der Zwangsprostitution zu Leibe rücken. Das tun wir mit dieser neuen Regelung, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir haben nämlich im Koalitionsvertrag vereinbart – ich will das hier ausdrücklich noch einmal zitieren –:
Wir werden nicht nur gegen die Menschenhändler, sondern auch gegen diejenigen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen, vorgehen.
Dies haben wir nun umgesetzt. Das ist gut für den Kampf gegen Menschenhandel und den Kampf gegen Zwangsprostitution.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren nunmehr zeitnah abschließen können. Das sage ich nicht nur im Hinblick auf die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie und das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Ich meine, dass wir eine umfassende, durchdachte Gesamtlösung für einen Regelungsbereich gefunden haben, den der Gesetzgeber – auch das gehört zur Wahrheit – in der Vergangenheit etwas vernachlässigt hat.
Deshalb bitte ich um konstruktive Beratungen und schließlich um Ihre Zustimmung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6887796 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels |