Franz Josef JungCDU/CSU - Gedenken an den Völkermord an den Armeniern
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beenden heute eine Debatte, die wir am 100. Jahrestag der Vertreibung und des Massakers an den Armeniern sowie den assyrischen, aramäischen und chaldäischen Christen und ebenso den Pontosgriechen und anderen christlichen Minderheiten begonnen haben. Ich bin froh darüber, dass es uns gelungen ist, diesen gemeinsamen Antrag mit der Überschrift „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ zu entwickeln. Ich will auch daran erinnern, dass in der Debatte am 24. April letzten Jahres bereits der Bundestagspräsident sehr deutlich von „Völkermord“ gesprochen hat und ebenso unsere Redner und einen Tag zuvor unser Staatsoberhaupt, der Bundespräsident, diese Formulierung gewählt haben.
Meine Damen und Herren, der historische Anlass gebietet das gemeinsame Gedenken. Es ist auch Ausdruck des tiefen Respekts und des Mitgefühls gegenüber den Opfern und gegenüber den Armeniern als eine der ältesten christlichen Nationen. Bis zu 1,5 Millionen Menschen haben bei diesem Massaker ihr Leben verloren. Es war die fast vollständige Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich.
Wir bezeichnen das Massaker in Übereinstimmung mit der Definition der Vereinten Nationen nicht nur als das, was es war, nämlich Völkermord, sondern machen auch die Mitverantwortlichkeit des Deutschen Reiches deutlich, des damaligen militärischen Hauptverbündeten des Osmanischen Reiches, das trotz entsprechender Informationen nicht versucht hat, dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])
Wir Deutsche wissen sehr genau, wie schwierig die Aussöhnung mit den Nachbarn bzw. den Völkern ist, denen man unzähliges Leid zugefügt hat. Wir verkennen hierbei nicht die Einzigartigkeit des Holocaust; dieser nimmt in der Geschichte eine schreckliche Sonderstellung ein. Aber ich will insbesondere auch gegenüber der türkischen Regierung und der Bevölkerung zum Ausdruck bringen: Man muss zwischen der Schuld der damaligen jungtürkischen Regierung und der Verantwortung für die Gegenwart und die Zukunft deutlich unterscheiden. Uns geht es nicht darum, die Türkei an den Pranger zu stellen oder auf die Anklagebank zu setzen. Uns geht es darum, deutlich zu machen, dass zur Aussöhnung die Verantwortung für die gemeinsame Vergangenheit unabdingbar ist.
(Beifall im ganzen Hause)
Nur wer sich zur Vergangenheit bekennt, kann Versöhnung und somit die Zukunft gestalten.
Uns verbindet mit der heutigen Türkei sehr viel. Sie ist für uns ein wichtiger Partner. Wir sind gemeinsam in der NATO, in der OSZE und im Europarat. Zwischen unseren Ländern bestehen gute wirtschaftliche, kulturelle und zivilgesellschaftliche Beziehungen. 3 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger türkischer Herkunft sind ein Teil unseres Landes. Gerade deshalb ist es uns besonders wichtig, den Weg der Aufarbeitung der Vergangenheit zu beschreiten, um Fortschritte für die Zukunft und damit für die Aussöhnung zu erreichen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, der Versöhnungsprozess ist gestoppt worden. Wir wollen einen neuen Impuls zur Versöhnung setzen. Wir fordern deshalb in unserem Antrag die Bundesregierung auf, Projekte, die sich der Aufarbeitung der Geschichte und der Annäherung der Menschen in beiden Ländern widmen, zu fördern: Stipendien für Wissenschaftler und die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Kräfte, die sich für Versöhnung einsetzen.
Es hat übrigens 2014 von dem damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Erdogan eine Beileidskundgebung gegenüber den Armeniern zu ihrem Gedenktag gegeben. 2009 – darauf wurde schon hingewiesen – ist in den Zürcher Protokollen zwischen der türkischen und armenischen Regierung vereinbart worden, dass eine Kommission zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und Untersuchung der geschichtlichen Ereignisse eingesetzt wird. Vereinbart wurde, diplomatische Beziehungen aufzunehmen und die Grenze zu öffnen. Aber diese Vereinbarungen sind nicht ratifiziert worden. Meine Damen und Herren, es ist unsere Auffassung, dass die Ratifizierung dieser Protokolle für beide Seiten ein Gewinn wäre, und wir wollen einen Impuls setzen, dass dies in Zukunft möglich wird.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir wollen mit unserem gemeinsamen Antrag deutlich machen, dass wir die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Aussöhnung und Annäherung zwischen der heutigen Türkei und Armenien unterstützen. In Erinnerung an das Unrecht wächst die Aussicht, dass sich dies nicht wiederholt. Wir sind gemeinsam aufgefordert, alles zu tun, damit Menschen und Völker nicht Opfer von Hass und Vernichtung in der Gegenwart und in der Zukunft werden. Deshalb bitte ich Sie herzlich um Unterstützung unseres gemeinsamen Antrags.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Wort erhält nun der Kollege Cem Özdemir für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6887960 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Gedenken an den Völkermord an den Armeniern |