Peter WeißCDU/CSU - Riester-Rente und gesetzliche Rentenversicherung
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Jeder deutsche Erstklässler weiß: Wenn er sich spätestens zum Beginn der Europameisterschaft im Fußball ein neues Trikot von seinem Taschengeld kaufen will, dann kann er das ihm am Monatsanfang von seinen Eltern ausgezahlte Taschengeld nicht gleich für mehrere große Eisbecher zu 100 Prozent verausgaben, sondern er muss etwas davon zurücklegen. Das, was jeder deutsche Erstklässler weiß, wissen, glaube ich, die meisten Menschen in Deutschland, aber nach dieser Rede muss ich feststellen: Die Linke weiß das nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber auch die Österreicher wissen es, und da funktioniert es, Herr Kollege! – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Herr Weiß!)
Aus dem Bundeshaushalt fließen über 80 Milliarden Euro jährlich in die gesetzliche Rentenversicherung, die umlagefinanziert ist.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind schon ein paar mehr!)
Das ist eine großartige Leistung, mit der wir aus Steuermitteln die Renten mit unterstützen. Herr Birkwald hat von 3 Milliarden Euro gesprochen. Es ist sicherlich noch mehr, wenn man sich anschaut, was der Staat denjenigen an Unterstützung gibt, die für die Zukunft noch zusätzlich etwas ansparen wollen, einmal über die Zulage zur kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge, sprich Riester-Sparen,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie doch einmal etwas zu meinem Argument!)
und durch den Verzicht auf Steuern auf die sogenannte Entgeltumwandlung zur Finanzierung einer betrieblichen Altersvorsorge. Aber wenn man auch dieses Geld, das für das Ansparen für die Zukunft vorgesehen ist, jetzt einfach eins zu eins nimmt und als zusätzlichen Bundeszuschuss in die Rentenkasse einzahlt, passiert Folgendes: Der Rentenversicherungsbeitrag sinkt, übrigens auch für den Arbeitgeber,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das muss ja nicht so bleiben! Wir sind ja der Gesetzgeber!)
also er spart etwas – das steht im Gegensatz zu dem, was die Linken wollen –, aber für die Zukunft fehlt das Geld aus der zusätzlichen Altersvorsorge. Das ist der Effekt von dem, was die Linken hier vorschlagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun hat die Linke gehofft, dass sie mit einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, ihre Position untermauert bekommt. Leider hat Kollege Birkwald uns die letzten Sätze dieses Gutachtens vorenthalten.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das machen Sie jetzt!)
Deswegen lese ich sie Ihnen wortwörtlich vor:
Würden nun in größerem Ausmaß aufgrund der Übertragung von Altersvorsorgevermögen in die gesetzliche Rentenversicherung höhere Beitragseinnahmen zu verzeichnen sein, würden die heutigen Beitragszahler und Rentenberechtigten von einem niedrigeren Beitragssatz und höheren Renten profitieren. Wenn dann später aus der Übertragung Rentenleistungen zu gewähren sind, hat dies wiederum Auswirkungen auf den Beitragssatz und die Rentenhöhe. Durch die höheren Ausgaben ergäben sich dann ein höherer Beitragssatz und niedrigere Renten. Benachteiligt wäre insbesondere die spätere Generation der Beitragszahler.
Das ist das Resümee der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes. Genau so ist es auch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Herr Kollege, der Kollege Matthias W. Birkwald würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie sie zulassen?
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Weiß. – Herr Weiß, unser Ziel war, erst einmal herauszubekommen, ob es verfassungsgemäß wäre, die Riester-Guthaben in die gesetzliche Rentenversicherung zu übertragen. Da hat das Gutachten gesagt: Ja, wenn das freiwillig erfolgt, ist das so. – Das halte ich erst einmal fest.
Darüber hinaus hat das Gutachten Ceteris-paribus-Bedingungen genannt. Das bedeutet: Wir sind der Gesetzgeber, uns obliegt es, die Rentenanpassungsformel und auch die Rentenformel zu ändern, wenn es hier die entsprechende Mehrheit und die politische Einsicht gäbe. Uns obliegt es, beispielsweise dafür zu sorgen, dass die Nachhaltigkeitsrücklage stärker wachsen kann und der Deckel, den es heute gibt, wegfällt. Das heißt, es gibt zahlreiche Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass das, was im Gutachten drinsteht, nicht passiert.
Ich will Ihnen noch einmal sagen: In Österreich wird es genau so gemacht. Dort gibt es eine deutlich höhere Rente – ich habe Ihnen die Zahlen vorgetragen –, und alles ist stabil. Deswegen bitte ich Sie: Sagen Sie doch einmal etwas dazu, dass jemand nach den heutigen Regelungen 108 Euro in Riester stecken muss, wenn er oder sie durchschnittlich verdient, und dass das mit einer Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung mit 35 Euro für den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin und 35 Euro für den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin zu erledigen wäre. Man bräuchte also, wenn man die Zulagen nicht mitrechnet, insgesamt 38 Euro weniger. Der Punkt ist nämlich, dass wir den Versicherungsunternehmen dieses Geld wegnehmen wollen. Für die Beschäftigten wäre das deutlich besser. Was sagen Sie zu diesem Argument?
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Kollege Birkwald, Sie machen es nicht besser.
Erstens. Natürlich – da haben die Gutachter recht –: Wir als Deutscher Bundestag können die Rentengesetzgebung verändern; gar keine Frage. Das machen wir auch hin und wieder.
Zweitens. Ihre schlichte Behauptung ist: Wenn man das Geld, das der Staat denjenigen, die für die Zukunft sparen wollen, wegnimmt und es in die Rentenkasse einzahlt, wird eine höhere Rente herauskommen. – Genau das ist falsch. Es wäre ein Vorteil für die heutigen Beitragszahler, weil der Beitragssatz sinken würde. Aber es wäre eine Belastung für die künftigen Generationen, die auch noch eine Rente bekommen wollen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur wenn wir nichts ändern!)
Das ist das Ergebnis der Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes. Genau das habe ich Ihnen eben vorgehalten, und dem haben Sie auch nicht widersprochen.
(Zuruf von der LINKEN: Die wollen es nicht verstehen!)
Da Sie auf Österreich und die Schweiz hinweisen, muss ich Ihnen übrigens sagen: Die Deutsche Rentenversicherung bzw. die gesetzliche Rente steht hervorragend da. Sie verfügt über eine hervorragende Rücklage.
(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So ist es!)
Die Österreicher und die Schweizer haben mit der Finanzierung ihrer Rentensysteme schwer zu kämpfen; das ist leider die Wahrheit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber den Rentnerinnen und Rentnern geht es da besser!)
Nun will ich ja nicht bestreiten, dass es Reformbedarf gibt. Wir wollen die Reformen aber nicht so durchführen, wie Sie es machen wollen. Es gibt einen Reformbedarf bei der gesetzlichen Rente, die Gott sei Dank gut dasteht. So sieht die Gesetzgebung von 2001 zum Beispiel vor, dass es nach dem Jahr 2030 kein Mindestsicherungsniveau mehr gibt. Ich glaube, gerade an die junge Generation muss es eine klare Ansage geben: Auch für die Zukunft wollen wir, dass die starke erste Säule der Altersversorgung in Deutschland, nämlich die gesetzliche Rentenversicherung, stabil bleibt und dass sie eine Mindestsicherungszusage für die junge Generation beinhaltet. Das ist, glaube ich, eine Reformaufgabe, die vor uns liegt, eine Aufgabe, die die Bundesregierung im Rentendialog jetzt übrigens auch anpacken will.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Mast [SPD])
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben schon vor der Rentenreform 2001 gewusst, dass es sinnvoll ist, die Altersvorsorge nicht nur auf ein Bein, sondern zumindest auf zwei Beine zu stellen. Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben zum Beispiel die vermögenswirksamen Leistungen, von denen heute kaum noch jemand spricht, genutzt, um einen Bausparvertrag oder eine Lebensversicherung abzuschließen, oder sie haben sich angestrengt, ein eigenes Häuschen zu erwerben, auch als Rücklage für die eigene Altersversorgung. 2001 wurde mit Blick auf das, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland ohnehin wissen, lediglich ein zusätzlicher Anreiz gesetzt bzw. eine zusätzliche finanzielle Unterstützung durch den Staat geschaffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Lebensweisheit, die jeder kennt. Wenn ich meine Altersversorgung nicht nur auf ein Bein stelle, sondern sie auf zwei Beine stelle, ist das mit Sicherheit besser.
Genau darum geht es. Sie betreiben eine Politik, mit der Sie die Bereitschaft der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Altersversorgung nicht nur auf die umlagefinanzierte Rente abzustellen, sondern für sich selber auch noch etwas Zusätzliches anzusparen,
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist gar nicht zusätzlich!)
kaputtmachen. Wir wollen das Gegenteil. Wir wollen diese Bereitschaft stärken.
(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit Riester! Das macht doch keiner! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und wir wollen die gesetzliche Rente stärken! Das ist viel besser!)
Viel Kritik an der Riester-Rente ist berechtigt. Deswegen ist sie auch reformbedürftig. Ich würde aber niemals die öffentliche Förderung abschaffen.
Übrigens kommt Folgendes hinzu: Die öffentliche Förderung der privaten Altersvorsorge ist die einzige Form, bei der auch konkret etwas für Familien mit Kindern geleistet wird. Für jedes Kind gibt es nämlich 300 Euro jährlich.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Führen Sie lieber den dritten Entgeltpunkt bei der Mütterrente ein!)
Diese 300 Euro will Herr Birkwald ebenfalls in den großen Topf schmeißen – mit dem Ergebnis, dass die Familien nichts von dem Geld sehen, das man ihnen geben wollte, damit sie trotz der hohen Aufwendungen für die Familie ein bisschen finanziellen Spielraum haben, um zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben. Dieses Geld will Herr Birkwald ihnen wegnehmen und es in den großen allgemeinen Rententopf schmeißen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)
Damit begehen Sie ein Verbrechen an den Familien in unserem Land, deren Leistung schlichtweg nicht mehr anerkannt wird.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schalten Sie mal einen Gang runter!)
Die Linken wollen die Familien enteignen und dieses Geld in den großen allgemeinen Rententopf schmeißen. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Merken Sie, dass Sie sich damit lächerlich machen, Herr Kollege?)
– Das ist so.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie machen sich lächerlich!)
– Es ist so.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Albern! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Quatsch!)
Zweitens. Wir wissen, dass wir für die zusätzliche Altersvorsorge etwas tun müssen. Deswegen sind wir zurzeit in sehr engen Gesprächen und Verhandlungen darüber, die betriebliche Altersvorsorge als eine Möglichkeit einer kapitalgedeckten Altersvorsorge zu stärken.
Die Gutachten, die von Arbeitsministerium und Finanzministerium in Auftrag gegeben worden sind, liegen vor. Darin wird uns zum Beispiel empfohlen, dass wir für Geringverdiener zusätzlich ein eigenes Förderinstrumentarium schaffen. Ja, das ist richtig. Geringverdiener haben die größten Schwierigkeiten, zusätzlich etwas zu machen. Deswegen brauchen sie auch zusätzliche Unterstützung. Das wollen wir umsetzen.
In dieser Rentendebatte, die die Linke wieder einmal angesetzt hat, komme ich auf die Erstklässler zurück. Wäre das, was da vorgeschlagen worden ist, das Resultat eines Erstklässlers, das im Zeugnis benotet werden müsste, stünden bei Lesen eine Fünf, bei Rechnen eine Sechs, bei Märchenerzählen eine Eins.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächster Redner erhält das Wort Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6888081 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Riester-Rente und gesetzliche Rentenversicherung |