Martin RosemannSPD - Riester-Rente und gesetzliche Rentenversicherung
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will in dieser Debatte noch einmal vier Punkte deutlich machen.
Erster Punkt. Es ist ja mehrfach der Blick in andere Länder angesprochen worden. Ich bin immer sehr dafür, dass wir uns anschauen, was in anderen Ländern gut läuft, dass wir etwas von anderen Ländern lernen, dass wir über den Tellerrand hinausschauen. Aber wir sollten dann auch sehr genau hinschauen und fragen, was vielleicht nicht so leicht übertragbar ist und was da passiert.
Insofern will ich gerne etwas zu Österreich sagen. Wenn Sie sich das österreichische System genau anschauen, Herr Birkwald, dann werden Sie feststellen: Die Österreicher zahlen – das hat Herr Kurth vorhin schon gesagt – deutlich höhere Beiträge zur Rentenversicherung, sie zahlen gleichzeitig deutlich geringere Beiträge in die Krankenversicherung. Dafür gibt es einen höheren Steuerzuschuss. Der Hauptpunkt aus meiner Sicht ist, dass die Österreicher vor etwas mehr als zehn Jahren die Selbstständigen und Beamten in die Rentenversicherung einbezogen haben. Das finde ich auch richtig.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Aber sie haben es so gemacht, dass die zusätzlich eingenommenen Beiträge jetzt unmittelbar in Form höherer Leistungen ausgezahlt werden. Es gibt also zusätzliche Beitragszahler, denen im Moment aber keine zusätzlichen Empfänger gegenüberstehen. Das nutzen die Österreicher, um damit das System im Moment stabil zu halten, und verschieben damit aber die Lasten auf die Zukunft. Das halte ich für falsch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zweiter Punkt. Ich will auch einmal ganz deutlich machen: Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die gesetzliche Rente die zentrale Säule unseres Alterssicherungssystems. Ich finde, da müssen wir uns überhaupt nicht verstecken. Gerade in diesem Jahr haben wir Rentensteigerungen von 5 Prozent im Osten und über 4 Prozent im Westen.
(Beifall bei der SPD)
Ich finde, da kann man erst einmal sagen: Die Rentenversicherung in Deutschland steht gut da.
(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So ist es!)
Natürlich müssen wir die gesetzliche Rente für die Zukunft stärken. Das Wichtigste ist dabei aus meiner Sicht, dass wir eine gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, vor allem eine gute Entwicklung bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Deutschland haben. Deswegen ist Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik die wichtigste Rentenpolitik, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deswegen arbeiten wir an Baustellen wie der Stärkung der Tarifbindung, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, Förderung von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten.
Es kommt aus meiner Sicht ein zweiter Punkt hinzu. Wenn wir das System der gesetzlichen Rente stärken wollen – und wir wollen das –, dann müssen wir gesamtgesellschaftliche Aufgaben – dazu gehört für mich auch die Mütterrente – konsequent über Steuern finanzieren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
– Ja. Ich sage das in Richtung des Koalitionspartners, und das weiß er auch.
Zur Stärkung der ersten Säule gehört aber auch eines ganz klar: Wer sein Leben lang gearbeitet hat und Leistungen erbracht hat, der darf am Ende des Erwerbslebens nicht weniger als die Grundsicherung haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Da bin ich auch für!)
Dritter Punkt. Wir brauchen natürlich Antworten auf die Herausforderungen des demografischen Wandels – die niedrige Geburtenrate und vor allem die ständig steigende Lebenserwartung. Dazu gehört aus meiner Sicht, dass wir die Lasten gerecht zwischen den Generationen verteilen und dass wir die Finanzierung der Alterssicherung tatsächlich auf mehrere Säulen stützen. Auch ein internationaler Vergleich, wie ihn viele hier gezogen haben, zeigt, dass das Sicherungsniveau in den Ländern am höchsten ist, die einerseits eine starke erste gesetzliche Säule haben und andererseits mindestens eine zweite kapitalgedeckte Säule. Das war ja auch der Grund für die Einführung der Riester-Rente. Meine Damen und Herren, diese Überlegung bleibt auch richtig.
(Beifall der Abg. Anja Karliczek [CDU/CSU])
Ich will an der Stelle deutlich sagen: Alle, die Riester-Verträge abgeschlossen haben, haben richtig gehandelt. Es gilt das, was Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gesagt hat – ich zitiere –:
Der Staat garantiert, dass alle Riester-Inhaber ihr Geld ausgezahlt bekommen. Auch für die staatlichen Zulagen gibt es Vertrauensschutz, die zahlt der Staat weiterhin.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vierter und letzter Punkt. Natürlich ist die Kritik – mehrere Vorrednerinnen und Vorredner haben es angesprochen – nicht von der Hand zu weisen: Wir haben Probleme bei der Ausgestaltung der Riester-Rente, mit Intransparenz, mit hohen Vertriebs- und Verwaltungskosten, mit in der Regel wenig rentablen Anlagestrategien. Daran müssen wir arbeiten. Wir müssen die kapitalgedeckte Altersvorsorge in Deutschland weiterentwickeln. Unser Ansatzpunkt ist – das hat Ralf Kapschack gesagt, das hat Cansel Kiziltepe gesagt –, dass wir die betriebliche Altersvorsorge stärken wollen, dass wir einen deutlich höheren Verbreitungsgrad erreichen wollen und dass wir die Sozialpartner stärken wollen.
(Beifall bei der SPD)
Damit erhöhen wir die Verbindlichkeit. Damit erreichen wir mehr Beschäftigte, vor allem auch in kleinen und mittleren Betrieben, dadurch reduzieren wir Vertriebs- und Verwaltungskosten, damit ermöglichen wir optimalere Anlagestrategien.
Ich sage auch: Wir Sozialdemokraten setzen dabei weniger auf Entgeltumwandlung und mehr auf arbeitgeberfinanzierte Betriebsrentenmodelle.
(Beifall bei der SPD)
Wir halten nach den Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre eine gesetzliche Verpflichtung für sinnvoll.
Mein Fazit: Ich finde, wir sollten uns dieser historischen Aufgabe gemeinsam annehmen und gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Altersvorsorge weiterentwickelt und dass sich die betriebliche Altersvorsorge von einem Instrument der betrieblichen Personalpolitik zu einem Instrument der Sozialpolitik weiterentwickelt.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die Kollegin Anja Karliczek für die CDU/CSU.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 173 |
Agenda Item | Riester-Rente und gesetzliche Rentenversicherung |