02.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 7

Thomas JarzombekCDU/CSU - Änderung des Telemediengesetzes

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute ein guter Tag für das digitale Deutschland. Wir haben lange daran gearbeitet und heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, den wir auch beschließen werden. Dieses Gesetz ist vielleicht von seiner Bedeutung her nicht das größte Gesetz dieser Legislaturperiode, aber vielleicht eines, das die meisten Menschen zum Aufbruch bringt und eine ähnliche Dynamik freisetzt wie das Gesetz, mit dem wir es in der letzten Legislaturperiode erlaubt haben, dass Fernbusse wieder Menschen zwischen Städten kommerziell transportieren dürfen. Da ist ein richtiger Boom entstanden, und ich glaube, wir werden jetzt auch einen WLAN-Boom in Deutschland erleben. Das ist das Ziel dieses Gesetzes. Deshalb bin ich froh, dass wir den Gesetzentwurf heute hier beraten und gleich beschließen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Deutsche Bundestag hat nach dem Struck’schen Gesetz immer alles zu verändern. In meinen sieben Jahren als Bundestagsabgeordneter habe ich allerdings auch Gesetze gesehen, die der Bundestag nicht mehr so durcheinandergeschüttelt hat, wie Herr Struck es damals so plastisch zum Ausdruck gebracht hat. Hier hat das Parlament – da nehme ich den Kollegen von Notz als Kronzeugen – doch wirklich einmal richtige Arbeit geleistet und das, was die Regierung uns vorgelegt hat, nicht nur ein bisschen überarbeitet und ein Stückchen verändert; das Parlament hat vielmehr etwas Neues gebaut, was wirklich gut ist und von dem ich überzeugt bin, dass es eine effektive und endgültige Problemlösung ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verbessert und verschlimmert!)

Zu der Frage der Rechte wurde schon vieles gesagt. Ich glaube, es ist richtig, mit dem heutigen Tag einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Würde man von der Post reden, würde man sagen: Jetzt ist wieder derjenige dran, der den Brief verschickt, und nicht der Postbote. – Jetzt kann man auf das Internet bezogen sagen: Wir fokussieren unser Engagement auf diejenigen, die wirklich große illegale Plattformen betreiben. Das sind diejenigen, die damit Geld verdienen und massiv den Urhebern schaden. Wir gehen nicht mehr gegen Familien mit 14-jährigen Teenagern vor. Ich glaube, das ist die richtige Ausrichtung für die Rechtsdurchsetzung in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es wurde in den letzten Tagen sehr viel darüber diskutiert, ob die Störerhaftung jetzt wirklich abgeschafft wird oder nicht. Ich verstehe die Rolle der Opposition, und ich verstehe auch die Eitelkeiten derjenigen, die selber einen Gesetzentwurf eingebracht haben, den sie übrigens eins zu eins abgeschrieben haben. Das wurde vorhin schon einmal gesagt. Wegen Plagiaten mussten manche hier schon zurücktreten.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben draufgeschrieben, von wem er ist!)

Dass alle diejenigen jetzt enttäuscht sind, kann ich verstehen. Aber mit der Störerhaftung ist jetzt endgültig Schluss. Das ist ganz einfach zu erklären: Als hier vorhin jemand sagte, in einem Bundesland würden jetzt massiv Hotspots gebaut, raunte mir der Kollege von Notz zu: Hoffentlich gibt es auch eine ausreichende Prozesskostenkasse. – Lieber Kollege von Notz, wir stellen hier klar, dass das Providerprivileg, das für die Deutsche Telekom und andere gilt, künftig für jeden gilt, der in diesem Land ein WLAN betreibt. Sie können ja einmal fragen, welche Prozesskostenkasse die Deutsche Telekom hat oder welche Prozesskostenkassen andere haben.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr hättet es in das Gesetz schreiben müssen!)

Auch können Sie fragen, wie viele Abmahnungen sie bekommen haben.

Sie haben auch gelesen, dass es einen Streit unter Juristen gibt. Sie wissen, dass beispielsweise Professor Härting zu Recht gesagt hat, vor Abmahnungen – –

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Euer Sachverständiger!)

– Frage stellen, nicht Zwischenrufe machen, bitte!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das muss er selber entscheiden!)

– Ja, eben!

(Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Ich wollte Sie nicht provozieren, aber ich gehe der Diskussion natürlich nicht aus dem Weg.

Ich vermute nach Ihrer Reaktion, dass Sie mit einer Zwischenfrage des Kollegen Dr. von Notz einverstanden sind.

Ja, sehr gerne.

Lieber Thomas Jarzombek, erst einmal vielen Dank für die Aufforderung und das Zulassen der Frage. – Ich habe die eilige Stellungnahme Ihres Sachverständigen, Herrn Härting, nach der Diskussion gelesen. Er stellte – ich hoffe, Sie glauben es mir jetzt einfach – in der Anhörung zu Punkt 8 auf Seite 2 seiner Stellungnahme – ich zitiere – mit Bezug auf die Regelung des Regierungsentwurfs selbst und die Änderung des Bundesrates fest:

Im Ergebnis teile ich vollumfänglich die Kritik des Bundesrates an § 8 Abs. 4 TMG-E. Nur durch eine vorbehaltlose Abschaffung jedweder Störerhaftung des Betreibers wird man das erklärte Ziel erreichen, die WLAN-Abdeckung des öffentlichen Raums nachhaltig zu fördern.

(Christian Flisek [SPD]: Das ist doch der Regierungsentwurf! Wir behandeln etwas anderes!)

Jedwede Abschaffung! Sie haben diesen Unterlassungsanspruch, der auch heute noch beklagt werden kann, eben nicht herausgenommen. Das haben Sie nicht hinbekommen. Herr Knoerig hat auch gesagt, warum: weil man ihn eben nicht heraus haben will. Man will diese Unsicherheit bewusst so belassen.

(Christian Flisek [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Sie vielleicht nicht; aber das war ja der Kompromiss. Und zu dem sollten Sie sich bekennen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Kollege von Notz, ich kann mich gut an die Anhörung erinnern. Interessanterweise habe ich gerade noch nachgelesen, was Professor Härting geschrieben hat. Die Kritik bezog sich ja auf den Regierungsentwurf, den wir vollständig gestrichen haben. Genau den Satz, den er kritisiert hat, haben wir gestrichen. Seine Äußerungen bezogen sich darauf, dass im Regierungsentwurf zwei Konditionen für das Entfallen der Störerhaftung enthalten waren. Die erste Kondition betraf die Verschlüsselung, die zweite bezog sich auf die Vorschaltseite. Deshalb glaube ich, dass das ein Zeichen ist, dass wir aus dieser Anhörung gelernt haben. Wir haben gelernt, diese Dinge – was richtig ist – herauszunehmen. Insofern sehe ich hier überhaupt keinen Gegensatz. Ich lese vielleicht einmal § 8 so vor, wie er jetzt eben besteht. – So, jetzt ist er auf meinem iPad verschwunden.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahrscheinlich kein WLAN!)

– Das ist nicht so schlimm, ich habe auch eine mobile Datenverbindung. Ich empfehle, das einmal nachzulesen. § 8 Telemediengesetz, der jetzt für alle gilt, stellt den Betreiber ausdrücklich frei. Das Einzige, was übrig bleibt, ist der Unterlassungsanspruch.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das ist auch richtig, weil wir sonst nicht mehr europarechtskonform wären. Dann stünden wir wieder vor dem EuGH.

Der Unterlassungsanspruch – das erklären wir auch noch einmal in der Begründung – gilt dann, wenn es eine gerichtliche Anordnung gibt. Härting schrieb heute oder gestern dazu, dass man natürlich keinen Schutz vor einer Abmahnung bekommen kann, weil eine Abmahnung ja ungerechtfertigt sein kann. Wir können nur vor Urteilen – und damit gerechtfertigten Abmahnungen – schützen. Genau das ist es, was wir hier tun. Deswegen darf sich hier keiner mehr hinter die Fichte führen lassen. Es gibt keinen berechtigten Abmahnanspruch mehr. Punkt. Aus. Ende.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich beziehe mich jetzt noch einmal auf einen Blogger, der ansonsten noch viel härter mit allen ins Gericht geht. Ich finde, dass Markus Beckedahl relativ milde war. Er schrieb, diese ganze Debatte sei ein gutes Sinnbild für den Zustand der Digitalen Agenda in der Großen Koalition. Meine Damen und Herren, deshalb sage ich zum Schluss: Es gibt diejenigen, die im Internet und in den neuen Technologien viele Chancen sehen. Auch ich zähle mich dazu. Es gibt aber auch viele, die sich fragen, ob all diese Veränderungen, die jetzt mit solch einer Geschwindigkeit kommen, richtig und gut sind. Sie meinen, dass man das alles erst einmal durchdenken muss. Wir müssen uns davor hüten, zuzulassen, dass diejenigen, die den Weg vorangehen, eine Arroganz entwickeln gegenüber denjenigen, die sagen: Wir müssen darüber noch einmal einen Tag nachdenken und diskutieren. – Das bezieht sich auf die gesamte Bundesrepublik und nicht nur auf den Deutschen Bundestag oder auf diese Koalition. Ich glaube, das muss man bei jeder dieser Abwägungen immer mit einbeziehen; sonst macht man einen großen Fehler.

Jetzt sind alle gefordert, sich auf den Weg zu machen. Ich erwarte, dass jetzt, wo die WLAN-Störerhaftung abgeschafft ist, mehr WLANs geschaffen werden. Damit meine ich die Städte. Ich appelliere jetzt an meinen eigenen Oberbürgermeister: In Düsseldorf gibt es zwar trotz der Störerhaftung schon WLANs – aber nur da, wo zufällig schon Sendestationen eines großen Netzbetreibers sind. Ich erwarte, dass die Städte jetzt losgehen und flächendeckende Zonen mit WLANs schaffen, das, was wir als Voraussetzung geschaffen haben, nutzen, um den Menschen ein wirklich tolles WLAN-Ergebnis zu präsentieren. Ich fange selber damit in meinem eigenen Wahlkreisbüro an. Ich lade alle ein, da zu surfen. Auf die Abmahnungen, die nicht kommen werden, freue ich mich schon heute.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6888438
Wahlperiode 18
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Änderung des Telemediengesetzes
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