02.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 8

Sabine ZimmermannDIE LINKE - Erweiterung des Arbeitslosenversicherungsschutzes

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wissen Sie, dieser Gesetzentwurf ärgert mich eigentlich so richtig. Sie haben davon gesprochen, dass das Gesetz so einen schönen, schwierigen Namen hat. Ich sage, es ist ein vielversprechender Name: Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung. Eine tatsächliche Stärkung habe ich aber leider in Ihrem Gesetzentwurf vergeblich gesucht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie reden davon, dass Sie Langzeiterwerbslose verstärkt für eine berufliche Weiterbildung gewinnen und ihre Motivation und ihr Durchhaltevermögen durch Prämien stärken möchten. Mal wieder tun Sie so, als ob die Menschen selber ganz alleine daran schuld wären, in welcher Situation sie sich befinden, weil sie wohl nicht motiviert seien. Fragt sich nur: Wofür motiviert? In Wahrheit gibt es kaum Weiterbildungsangebote. Statt dies einzugestehen, bedienen Sie sich immer wieder der Legende vom unmotivierten Erwerbslosen. Das ist schäbig, meine Damen und Herren. Ich denke, damit muss in diesem Hause endlich mal Schluss sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Jahr 2010 gab es im Bereich des SGB II noch rund 220 000 Zugänge zur beruflichen Weiterbildung, im letzten Jahr gab es nur noch rund 130 000 – ein Rückgang um über 40 Prozent. Die Zahl der Erwerbslosen im Rechtskreis des SGB II ging aber im selben Zeitraum um nur 10 Prozent zurück. Wenn Sie also behaupten wollen, dass der Rückgang der Weiterbildung den sinkenden Erwerbslosenzahlen folgt, verkaufen Sie die Menschen für dumm. Da sagen wir: Das kann nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele wollen sich weiterbilden, doch Sie lassen sie nicht. Ich kenne genügend Beispiele aus den Bürgersprechstunden in meinem Wahlkreisbüro oder aber auch aus meiner Gewerkschaftsarbeit. Anstatt die Weitbildungsinteressierten zu unterstützen, speisen Sie sie mit Almosen ab, und selbst die kürzen Sie noch über Sanktionen. So sieht Ihre Arbeitsmarktpolitik aus.

Die Bundesregierung wollte einen besonderen Schwerpunkt beim Abbau der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit setzen. Jetzt sind bald drei Jahre vergangen, und es hat sich nichts getan. Hier haben Sie grandios versagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das können Sie nicht schönreden, so wie Herr Schiewerling immer alles schönredet. Er guckt gar nicht hoch, er liest ganz verbissen, wahrscheinlich in den neuesten Zahlen, die er wieder nicht versteht.

(Widerspruch bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Unter der Gürtellinie!)

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, Herr Schiewerling: Es gibt immer noch über 1 Million langzeiterwerbslose Menschen in diesem Land. Aber Sie tun an dieser Stelle nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn Sie mehr Weiterbildungsangebote möchten, dann müssen Sie einfach auch Geld in die Hand nehmen, dann müssen Sie dafür sorgen, dass mehr Bildungsmaßnahmen stattfinden. Denn Bildung ist das A und O, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.

Das Verhältnis muss sich umkehren: Anstatt den Menschen zu misstrauen oder sie zu verfolgen, sorgen Sie lieber dafür, dass Langzeiterwerbslose ein Recht auf Weiterbildung bekommen! Dieses Recht fordern wir als Fraktion Die Linke ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Alles kann man aber nicht mit Weiterbildung lösen; denn nicht immer sind es fehlende Qualifikationen, die einer Arbeitsaufnahme im Weg stehen. Viele Menschen sind sogar überqualifiziert, weil sie zwei, drei oder vier Berufsabschlüsse haben. In vielen Regionen gibt es reichlich qualifizierte Erwerbslose, aber viel zu wenige Arbeitsplätze. Das ist leider Realität, zum Beispiel in Ostsachsen: Erst gingen die Betriebe, dann gingen die Beschäftigten, die Arbeitskräfte; heute ist diese Region fast ausgeblutet. Wir brauchen hier Perspektiven. Deshalb fordern wir schon lange die Einführung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun zur Arbeitslosenversicherung. Dazu gibt es in Ihrem Gesetzentwurf ja wirklich überhaupt nichts zu finden. Über zwei Drittel der Erwerbslosen werden nicht im Bereich der Arbeitslosenversicherung betreut, sondern im Hartz-IV-System. Fast ein Viertel der Beschäftigten, die erwerbslos werden, fallen direkt in Hartz IV. Das ist Ihre Arbeitsmarktpolitik der letzten 15 Jahre.

Die Arbeitslosenversicherung muss wieder der Regelfall bei der Absicherung von Erwerbslosigkeit sein. Dies betrifft auch im besonderen Maße die kurzzeitig Beschäftigten wie Filmschaffende, aber auch etliche Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer gehören dazu. Für diese bieten Sie ein völlig unzureichendes Angebot.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine wirkliche Antwort wäre, die Rahmenfrist wieder von zwei auf drei Jahre zu erweitern

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr gute Idee!)

und einen Anspruch auf das Arbeitslosengeld bereits nach vier Monaten Beitragszeit zu gewähren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Diesen Fehler sozialdemokratischer Regierungsverantwortung zu korrigieren, sollte eigentlich auch Anliegen der Genossinnen und Genossen der SPD sein. Ich weiß natürlich, dass Sie das nicht wollen. Für eine tatsächliche Umsetzung scheinen Sie im Moment saft- und kraftlos zu sein.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als nächsten Redner rufe ich jetzt den Kollegen Albert Weiler, CDU/CSU-Fraktion, auf.

(Beifall bei der CDU/CSU – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Zahlenversteher!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6888501
Wahlperiode 18
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Erweiterung des Arbeitslosenversicherungsschutzes
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