02.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 10

Dieter JanecekDIE GRÜNEN - Sicherung des Fachkräftepotenzials

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Knoerig! Herr Schabedoth, es ist löblich, dass Sie die 32 Maßnahmen, die wir derzeit haben, in Ihrem Antrag auflisten und damit etwas beschreiben, das bereits stattfindet. Das kann man nicht kritisieren. Es ist sinnvoll, aber das ergibt noch keine Gesamtstrategie.

Sie haben zum Beispiel das Thema Integration und Einwanderungsgesetz angesprochen. Wir haben das Jahr 2016. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass wir uns gezielt um Einwanderung und um die Integration von Ausländern in den Arbeitsmarkt kümmern müssen, und jetzt diskutieren wir erst darüber, ob wir vielleicht im nächsten Jahr ein Einwanderungsgesetz bekommen. Das zeigt doch die ganze Misere, dass wir bei den Grundlinien eben nicht vorankommen, was die Fachkräfte angeht; dort sind wir im Hintertreffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können das fortsetzen, zum Beispiel beim Thema Frauenförderung. Sie haben in Ihrem Antrag die vorhandenen Maßnahmen genannt. Auch die Linke hat es angesprochen. Wir haben an dieser Stelle ein Defizit, aber die Bundesregierung gibt auch die falschen Signale.

Sie haben das Betreuungsgeld ermöglicht. Gestern hat die Bayerische Staatsregierung das erneut beschlossen. Das Geld dafür fließt aus dem Bundeshaushalt. Das sind doch keine Signale, um mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu bringen. Das sind Signale dafür, dass Frauen zu Hause bleiben sollen. Also auch das ist von der großen Linie her nicht der richtige Ansatz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der nächste Punkt: Sie schreiben in Ihrem Antrag: Ältere Erwerbspersonen müssen länger in das Arbeitsleben eingebunden werden. Auch das begrüßen wir. Die skandinavischen Modelle zeigen, was damit möglich ist.

Aber was haben Sie gemacht? Sie haben die Rente mit 63 eingeführt. Auch das ist ein Signal, zu dem ich nicht sagen kann: Das ist konsistent. Sie haben 32 Einzelmaßnahmen, aber die großen Linien funktionieren eben nicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe als bayerischer Abgeordneter der Grünen, auch wenn es uns noch nicht gelungen ist, alle Wahlkreise in Bayern zu erobern, die Ehre, nicht nur München als dynamische bayerische Hochleistungsregion zu vertreten, sondern auch die ländliche Oberpfalz und Unterfranken. Die Frage, ob es einen Fachkräftemangel gibt, ist sehr unterschiedlich zu beantworten. Per se kann man nicht sagen, dass es einen Fachkräftemangel gibt, schon gar nicht in Bayern, aber vielleicht in Teilen Ostdeutschlands.

Aber es gibt natürlich Herausforderungen. Die Herausforderung, eine Erzieherin in München zu halten, ist bei den Mietpreisen, die man dort zu bezahlen hat, eine andere Herausforderung, als sich in der Oberpfalz um eine Industrieregion zu kümmern, die dringend Ansiedlungen sucht, oder in Unterfranken die Weiterentwicklung der Industrie vor Ort zum Beispiel mit erneuerbaren Energien zu gewährleisten.

Um diese Rahmenbedingungen muss man sich kümmern. Denn wenn man zum Beispiel beim DIHK nachfragt, dann erfährt man, dass Unternehmer sagen – das zeigt sich auch immer wieder, wenn man Unternehmen vor Ort besucht –: Wir können freie Stellen nicht besetzen.

Das wird sich bei Nachfragen bestätigen. Auch das Mittelstandsbarometer zeigt das: 62 Prozent der Betriebe können freie Stellen nicht besetzen. Man muss hinterfragen, woran genau das liegt. Liegt es daran, dass kein qualifiziertes Personal vorhanden ist, oder liegt es vielleicht auch daran – Sie sagen es –, dass die Bezahlung zum Teil nicht stimmt? Vielleicht liegt es daran, dass wir im Bereich der Löhne das Problem haben, dass sich die Menschen in die Zentren orientieren, wo entsprechende Löhne gezahlt werden, und wenn zu wenig gezahlt wird und der Wettbewerb so hart ist, dass die Löhne nicht hoch genug sind, dann gehen sie nicht dorthin. Auch das gehört zur Situation: Wenn man den Fachkräftemangel beseitigen will, dann muss man gerechte Löhne in einer gerechten Industrie und einem gerechten Mittelstand schaffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dann komme ich zu dem Thema, das uns sehr lange bewegt hat, nämlich die Integration der Flüchtlinge. Ich gehöre nicht zu denen, die der Meinung sind, dass der Zuzug von Flüchtlingen – der ja nicht erfolgt ist, weil diese Menschen aus wirtschaftlichen Gründen kommen wollten, sondern weil sie aufgrund von Krieg und Vertreibung kommen mussten – die wirtschaftliche Chance per se ist. Das halte ich für überhöht. Aber Sie müssen darüber nachdenken, dass wir heute mit Sprachkursen und Angeboten in diese Menschen investieren müssen, damit sich morgen etwas daraus ergibt. Das geht; denn die Menschen, die hierhergekommen sind, wollen etwas tun. Denen müssen wir etwas geben, und auf einem Arbeitsmarkt wie unserem mit einer Rekordbeschäftigung von 43,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gibt es die Chancen.

Wir können das schaffen. Lassen Sie uns in die Zukunft denken und vielleicht einmal den Blick darauf richten, wie andere Länder, beispielsweise die USA, ihr Wachstum über die Jahrzehnte geschaffen haben. Durchaus auch mit Einwanderung und Zuwanderung, leider aber in dem Fall – damit sind wir wieder bei sozialen Gesichtspunkten – wieder nur in den unteren Lohnbereichen. Das ist nämlich genau der Punkt.

Wir brauchen stabile Löhne, ein gutes Umfeld für die Wirtschaft und eine offene Volkswirtschaft statt der Signale, die in den letzten Wochen und Monaten gegeben wurden: geschlossene Grenzen bis hin zu den wirklich schlimmen Beleidigungen eines Nationalspielers. Das schafft ein Klima im Land, das uns allen nicht dienen wird.

Deswegen bitte ich Sie einfach, eine offene, vielfältige Volkswirtschaft zu schaffen – das ist auch eine Voraussetzung dafür, dass wir gute Fachkräfte haben werden –, Frauenförderung zu machen, die Flüchtlinge zu integrieren und einfach darauf zu schauen, dass wir bei den Löhnen auch stabil sind, damit die Menschen ein Auskommen haben. Dann kommt das alles zusammen, und dann werden wir das auch schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Jana Schimke, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6888765
Wahlperiode 18
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Sicherung des Fachkräftepotenzials
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