Sonja SteffenSPD - Rechtslage bei Samenspende
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Die Idee, dass ein Kind stets nur zwei Elternteile hat, ist in der heutigen Zeit überholt. Es gibt Regenbogenfamilien, es gibt Patchworkfamilien, es gibt rechtliche Eltern, es gibt soziale Eltern, es gibt biologische Eltern. Genauso überholt ist es, dass Kinder nur dann entstehen, wenn die Eltern miteinander schlafen. Die moderne Reproduktionsmedizin macht es möglich, dass Kinder auch ohne Sex entstehen können.
Seit langer Zeit nun sind bei uns schon anonyme Samenspenden erlaubt,
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Anonym nicht!)
und sie verhelfen unfruchtbaren Männern und Frauen, aber auch lesbischen Paaren und Singles zu einem Kind. Inzwischen gibt es rund 100 000 sogenannte Spenderkinder, und in Deutschland kommen jährlich 1 500 Kinder hinzu. Ich glaube, eines ist für uns alle klar: Kind ist Kind, und es ist völlig egal, auf welchem Weg die Zeugung erfolgt ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber jeder Mensch, jedes Kind sollte auch die Möglichkeit haben, zu erfahren, wer seine Eltern sind; denn die Frage nach der Herkunft quält. Bei der Vorbereitung zu dieser Rede habe ich mich auch mit Gedanken und Beiträgen von betroffenen Personen beschäftigt. Ein Zitat lautete beispielsweise: Es ist so, als würde mir ein Körperteil fehlen. – Das kann man gut nachempfinden. Auch wenn es keine verbindlichen Zahlenwerte dazu gibt, ist davon auszugehen, dass die Unwissenheit über die eigene Herkunft zu schweren psychischen Problemen führen kann.
Wir haben es schon gehört: Es gehört zu den Persönlichkeitsrechten eines Menschen, seine genetische Herkunft zu erfahren. Das Bundesverfassungsgericht ist schon zitiert worden. Das steht auch in der UN-Menschenrechtskonvention. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das so entschieden. Allerdings hat unser Recht bislang eine Lücke. Deshalb begrüßen wir grundsätzlich den Vorstoß der Grünen, den sie mit ihrem Antrag unternehmen. Allerdings sind wir bereits dabei – darauf hat Frau Sütterlin-Waack schon hingewiesen –, diese Lücke zu schließen. Das Bundesjustizministerium hat 2015 eine Kommission eingerichtet, die aus vielen Experten besteht. Nicht nur Juristen, sondern auch Mediziner sind dabei. Es geht auch um ethische Fragen. Man kümmert sich also bereits um diese Angelegenheit. Ich hoffe, dass wir da zu guten Ergebnissen kommen.
Ich will noch ein paar Gedanken loswerden.
Bevor Sie fortfahren, Frau Steffen, möchte ich Sie fragen: Lassen Sie eine Zwischenfrage zu? – Bitte.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Es ist erfreulich, dass es eine Kommission aus Juristen und Medizinern gibt, die sich damit beschäftigt. Ich frage Sie: Sind denn die Vereine der Wunscheltern und der Verein Spenderkinder an diesem Prozess beteiligt, und wenn nein, warum nicht?
Die Kommission ist ja mitten in der Arbeit. Ursprünglich sollte das Ergebnis im Sommer 2017 feststehen. Das ist noch eine lange Zeit. Ich finde, das ist fast ein bisschen zu lange, weil wir wissen, dass diese Legislaturperiode 2017 zu Ende sein wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Daher hoffe ich, dass wir früher zu Ergebnissen kommen. Übrigens hoffe ich – damit nehme ich das Ende meiner Rede vorweg –, dass wir im Gesetzgebungsverfahren wirklich überfraktionell arbeiten können.
In dem Zusammenhang werden auch Verbände beteiligt werden. Ich weiß, dass ein großes Forum geplant ist, dass auch entsprechende Anhörungen durchgeführt werden sollen. Ich bin mir sicher, sehr sicher, dass daran auch Verbände beteiligt werden.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)
Der BGH hat 2015 ausdrücklich den Auskunftsanspruch des Kindes gegen den Arzt, also gegen den Reproduktionsmediziner, hinsichtlich des Samenspenders anerkannt. Allerdings – darauf hat Frau Sütterlin-Waack schon hingewiesen – gab es im April 2016 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der es zwar nicht um Samenspender ging, die aber dennoch bedeutsam ist. Es ging – die Juristen werden sich erinnern – um eine 66-jährige Frau, die festgestellt wissen wollte oder zumindest einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des mutmaßlichen Vaters geltend machen wollte. Das war ein hochbetagter Herr von 92 Jahren. Der Vater hat gesagt: „Das will ich nicht“, und das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Das darf er, weil er das Recht hat, seine außereheliche Beziehung zu verheimlichen. – Das Urteil ist nun einmal da. Im Gegensatz zu Frau Sütterlin-Waack halte ich es, ehrlich gesagt, für nicht zufriedenstellend und vielleicht ein bisschen männerlastig,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
weil das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hier höher bewertet wurde als das Recht auf Auskunft.
Noch ein paar Gedanken zu dem Antrag selbst. Zur Aufbewahrungsdauer von medizinischen Daten haben Sie gesagt: Das sollen 100 Jahre sein. In der Kommission müssen wir darüber reden, ob man tatsächlich eine Frist von 100 Jahren benötigt. Im Moment sind es, glaube ich, nur 30 Jahre. Das ist mit Sicherheit zu wenig.
Dann stellt sich folgende Frage: Sollen wir die Zahl der Spenden limitieren? Es gibt ja Feststellungen, nach denen 100 Kinder von einem Samenspender gezeugt worden sind. Das ist, denke ich, nicht das, was man sich wünscht. Da sollte es eine Reduzierung geben.
Zuletzt will ich noch Folgendes sagen: Die Zeiten haben sich geändert. Wir müssen und sollten den Kindern zuliebe Regelungen schaffen, die es wirklich jedem und jeder ermöglichen, soweit das möglich ist, zu erfahren, wessen Herkunft er oder sie ist. Ich hoffe, dass wir zu einem überfraktionellen Ergebnis kommen, weil es sich hier um eine ethische Frage handelt. Da sollten wir, denke ich, alle zusammenarbeiten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Alexander Hoffmann.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6889031 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Rechtslage bei Samenspende |