Michael Roth - Bundeswehreinsatz in Libanon (UNIFIL)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang Mai dieses Jahres bin ich in den Libanon gereist. Ich konnte mir vor Ort selbst ein Bild von der aktuellen Lage machen. Mein ganz persönlicher Eindruck wird sicherlich von vielen Kolleginnen und Kollegen geteilt: Das Land steht vor gewaltigen Bewährungsproben. Die Gräben zwischen den konfessionellen und politischen Gruppen sind tief. Die Suche nach einem Präsidenten ist seit nunmehr zwei Jahren erfolglos geblieben.
Die Syrien-Krise hat die ohnehin schon schwierige Gemengelage noch weiter verkompliziert: Seit 2012 hat der Libanon weltweit pro Kopf die meisten Flüchtlinge aufgenommen, nämlich über 1 Million bei 4,5 Millionen Einwohnern. Schulen und Krankenhäuser sind dramatisch überlastet, der Wohnraum ist knapp, Mieten und Lebenshaltungskosten sind enorm gestiegen. Zwar gelangt mittlerweile viel internationale Hilfe ins Land – die Bundesregierung zählt im Übrigen zu den größten Gebern –; doch die sozialen Spannungen zwischen Libanesen und den syrischen Flüchtlingen können damit nur teilweise abgefedert werden.
Der Syrien-Konflikt wirkt sich eben auch auf die Sicherheitslage aus. Im syrisch-libanesischen Grenzgebiet ist die Terrororganisation „Islamischer Staat“ präsent und versucht immer wieder, auch in den Libanon vorzudringen. Allen Schwierigkeiten zum Trotz hat die libanesische Armee bislang verhindert, dass die Terrororganisation im Libanon Fuß fassen konnte. In der Bevölkerung – diesen Eindruck werden diejenigen bestimmt teilen, die selber einmal im Libanon waren – genießt die Armee enorm hohes Ansehen und gilt als glaubhaft überkonfessionelle Institution. Allein schon deshalb ist und bleibt unsere Unterstützung für die libanesischen Streitkräfte mit Ausbildung und Ausrüstung so wichtig.
Aber die Situation im Libanon bleibt eben auch sehr schwierig: sicherheitspolitisch, humanitär, sozial und wirtschaftlich. Da kann man die stabilisierende Rolle der VN-Mission UNIFIL gar nicht hoch genug einschätzen, und dabei geht es mir in erster Linie gar nicht einmal um deren militärische Bedeutung allein. Die Mission ist ein immens wichtiges politisches Symbol. Sie steht für die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Wir sind einem stabilen, friedlichen Libanon verpflichtet, und unsere klare Botschaft lautet: Wir lassen das Land in dieser so schwierigen Lage nicht alleine.
Angesichts der Fliehkräfte, die dort derzeit wirken, ist es wichtiger denn je, UNIFIL als Stabilitätsanker zu erhalten; denn es ist für uns von herausragendem sicherheits- und außenpolitischem Interesse, dass der Libanon stabil bleibt bzw. stabiler wird. Dies ist angesichts der dramatischen Lage im Nachbarland Syrien und der vielen Flüchtlinge, die derzeit im Libanon leben, alles andere als selbstverständlich.
Der zentrale Beweggrund für die Mission bleibt ja bestehen: Der Waffenstillstand zwischen Libanon und Israel darf nicht infrage gestellt werden. Derzeit finden einzig und allein unter dem Dach von UNIFIL direkte Gespräche zwischen Israel und Libanon statt. Diplomatisch erkennen sich die Staaten nach wie vor nicht an; aber sie akzeptieren und schätzen UNIFIL als wertvollen Mechanismus zur Streitschlichtung.
In den vergangenen Jahren hat auch UNIFIL einige Male eine militärische Eskalation verhindern können. Hierzu zählten beispielsweise der Tod eines israelischen Soldaten durch Schüsse eines libanesischen Soldaten im Jahr 2015 oder zuletzt, im Januar 2016, ein Anschlag der Hisbollah gegen eine israelische Grenzpatrouille. In beiden Fällen konnte UNIFIL durch die Einleitung von Untersuchungen und die anschließende Vermittlung zwischen den Konfliktparteien einen wichtigen Beitrag zur Deeskalation leisten.
UNIFIL, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat zwei Komponenten. Dies ist einmal die Komponente zu Land. Sie entlastet die libanesische Armee bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus, insbesondere entlang der syrisch-libanesischen Grenze. Sie sorgt damit indirekt auch für Stabilität und Sicherheit an der libanesischen-israelischen Grenze.
Die zweite Komponente, die auf See – hierbei engagiert sich seit Beginn auch Deutschland –, trägt ebenfalls zur Sicherheit bei. UNIFIL hilft von der Seeseite her, die Grenzen des Libanon abzusichern, und meine Gesprächspartner, die ich im Libanon getroffen habe, bestätigten mir noch einmal, dass diese gemeinsame Seeüberwachung sehr erfolgreich ist.
Darüber hinaus umfasst das Mandat der maritimen Mission eben auch eine Ausbildungskomponente.
Aber – das wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – die Bundesregierung leistet eben nicht nur militärische Unterstützung. Vielmehr ist sie in humanitäre Hilfe eingebettet und wird durch Entwicklungszusammenarbeit ergänzt. Wir engagieren uns für die Region. Wir haben die Entwicklungszusammenarbeit seit diesem Jahr wieder bilateral ausgerichtet.
Wir werden alleine in diesem Jahr 300 Millionen Euro Hilfen zur Verfügung stellen: im Bereich der humanitären Hilfe und im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Wir sind damit der größte bilaterale Geber. Mit der libanesischen Regierung sind wir im engen Kontakt darüber, wofür wir das Geld sinnvoll verwenden können. Besonders wichtig ist mir der ganze Bereich der Bildung und Ausbildung. Wir möchten die libanesische Regierung dabei unterstützen, ab dem kommenden Schuljahr jedem Flüchtlingskind und jedem libanesischen Kind den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Darauf haben wir uns mit dem Libanon auf der Londoner Geberkonferenz für Syrien und seine Nachbarländer verständigt.
Ich habe eine von UNICEF und von uns geförderte Schule in der Bekaa-Ebene besucht. Hier werden auf ganz eindrucksvolle Weise im Zweischichtbetrieb libanesische und syrische Kinder teilweise gemeinsam im Unterricht beschult. Das ist wirklich gut angelegtes Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir können dieses Engagement nicht einfach so von der militärischen Komponente abtrennen. Deshalb werbe ich für unser Gesamtengagement. Ich kann Ihnen versichern: Dieses Engagement wird vor Ort enorm geschätzt, weil wir als ein verlässlicher Partner gelten, der seinen abstrakten Zusagen auf Geberkonferenzen konkrete Taten folgen lässt. Entsprechend sollte das Bundestagsmandat, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die deutsche Beteiligung am UNIFIL-Flottenverband mit unveränderter Personalobergrenze von 300 Soldatinnen und Soldaten um weitere zwölf Monate bis zum 30. Juni 2017 verlängert werden.
Damit handeln wir nicht nur gemäß unserem eigenen Interesse an Stabilität und Frieden in der Region. Wir entsprechen damit auch dem ausdrücklichen Wunsch Israels, des Libanons und der Vereinten Nationen. Deshalb bitte ich Sie im Namen der Bundesregierung um Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
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Electoral Period | 18 |
Session | 173 |
Agenda Item | Bundeswehreinsatz in Libanon (UNIFIL) |