Marcus HeldSPD - Transparenz bei der Ministererlaubnis
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde diese Debatte schon bemerkenswert, wenn ich sie so verfolge, insbesondere weil doch einige Kolleginnen und Kollegen und ganze Fraktionen hier im Parlament ihr wahres Gesicht zeigen. Wenn ich höre, dass plötzlich der Erhalt von Arbeitsplätzen nicht mehr im Mittelpunkt unserer politischen Bemühungen stehen darf, dann bin ich – das sage ich an die Adresse der Grünen und auch der CDU/CSU – doch einigermaßen überrascht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Arbeitsplatzargument muss das zentrale Argument sein, auch bei dieser Debatte um die Ministererlaubnis. Das möchte ich Ihnen an dieser Stelle eingangs ganz ausdrücklich sagen.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich fragen?)
– Der Präsident ist noch nicht am Platz.
Ganz offenkundig möchte nicht nur die Kollegin Dröge eine Zwischenfrage stellen, ganz offenkundig ist auch der Redner begeistert über die Möglichkeit, auf diese Weise seine Redezeit zu verlängern.
Richtig.
Bitte schön, Frau Dröge.
Es freut mich sehr, dass Sie so begeistert sind. Auch ich bin ganz begeistert, dass ich diese Frage jetzt stellen darf, nachdem ich bereits den zweiten Anlauf unternommen habe, eine Zwischenfrage zu stellen.
Es geht im Zusammenhang mit der Ministererlaubnis um die Arbeitsplätze; diesen Punkt haben Sie ja gerade angesprochen. Sie haben da suggeriert, uns Grünen sei es egal, ob durch eine Ministererlaubnis Arbeitsplätze erhalten blieben. Ich möchte Sie jetzt einfach einmal fragen, weil ich, obwohl das immer unsere Argumentation zum Thema Arbeitsplätze war, von Ihnen darauf noch keine Antwort bekommen habe: Was ist denn mit den Arbeitsplätzen bei den Zulieferern? Was ist mit den Arbeitsplätzen bei den Herstellern? Was ist mit den Arbeitsplätzen bei den Konkurrenten, die durch die Fusion von Edeka und Tengelmann unter Druck geraten? Was ist mit den Arbeitsplätzen bei Edeka selbst? Auch das haben wir ja im Wirtschaftsausschuss diskutiert.
Herr Gabriel hat mir mittlerweile schriftlich geantwortet, dass es keine Beschäftigungssicherung für die Mitarbeiter von Edeka gibt. Wir haben jetzt Medienberichte dazu bekommen, dass Edeka plant, bei eigenen Unternehmen Arbeitsplätze abzubauen. Gleichzeitig hat Herr Gabriel die Beschäftigungssicherung bei Edeka nicht zur Voraussetzung für die Ministererlaubnis gemacht.
Was wir immer kritisiert haben, war: Diese Fusion führt zu einer Verstärkung von Marktmacht, führt zu einem Kostendruck, und dieser Kostendruck wird sich negativ auf die Arbeitsplätze auswirken. Deswegen ist es eine Illusion und ein Trugschluss von Sigmar Gabriel gewesen, durch diese Ministererlaubnis – –
Frau Kollegin Dröge, Sie sollen keine zweite Rede halten, sondern den aufgerufenen Redner mit einer knappen Zwischenbemerkung zu einer zusätzlichen Aussage veranlassen.
Können Sie mir das erklären?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nach den vielen Debatten im Ausschuss glaube ich nicht, dass man Ihnen das wirklich nahebringen kann, weil Sie es ja nicht verstehen wollen.
Wir werden es natürlich nicht so erleben, dass, wie Sie es über Wochen, über Monate hinweg bösartig zu unterstellen versuchen, automatisch die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse, die bei Kaiser’s Tengelmann erhalten bleiben sollen – darauf werde ich gleich noch einmal eingehen –, bei Edeka einfach wegfällt. Warten Sie doch einmal die Verhandlungen zwischen Edeka und den Tarifparteien ab. Die Auflage ist ganz klar, dass ein Vertrag geschlossen werden muss. Dieser Vertrag kann doch nicht bedingen, dass bei Edeka automatisch ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt. Warten Sie doch einmal das Ergebnis ab. Wir werden sehen: Es werden nicht einfach Edeka-Märkte geschlossen, nur weil Märkte von Kaiser’s Tengelmann zum Unternehmen dazukommen. Insofern bin ich optimistisch.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was, wenn nicht?)
Sie nehmen hier ständig Unterstellungen vor. Sie verbreiten letztendlich Angst unter den Beschäftigten und auch Angst in der Bevölkerung. Lassen Sie es doch endlich! Sie kommen doch so nicht weiter.
(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder keine Erklärung!)
– Ja, gut. Die Erklärung wird es dann geben, wenn es zu dem Erhalt der Arbeitsplätze kommt, Herr Kollege.
Ihr Antrag führt ja den Titel „Für mehr Transparenz und demokratische Kontrolle bei der Ministererlaubnis“. Da geht es letztendlich abstrakt um das Thema Ministererlaubnis. Sie versuchen die ganze Zeit, Ihr Anliegen an der jüngsten Ministererlaubnis und an der Person Sigmar Gabriel aufzuhängen. Dazu muss ich sagen – das wurde auch schon während der Reden deutlich –: Auch das Kartellamt hat keine Begründung für seine Entscheidung zu liefern. Insofern glaube ich, hat es schon seinen Grund, dass wir nicht öffentlich in Parlamenten über Unternehmen, über mögliche Insolvenzen, über mögliche Probleme, die in Unternehmen bestehen, debattieren. Vielmehr müssen Entscheidungen, auch Ausnahmeentscheidungen – mehr ist ja die Ministererlaubnis letztendlich nicht –, intern, etwa im Kartellamt, gefällt werden. Dem darf eine demokratische Debatte hier im Parlament nicht zuwiderlaufen.
Ich möchte aber auch ein Argument entkräften, mit dem in der heutigen Debatte wieder ein völlig falscher Eindruck erweckt wurde; dabei ging es um die Frage der marktbeherrschenden Stellung. Es kommt durch die Fusion von Kaiser’s Tengelmann mit Edeka eben nicht zu einer marktbeherrschenden Stellung. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren: Edeka hat derzeit bundesweit einen Martkanteil von 25,2 Prozent. Kaiser’s Tengelmann hat nur noch einen Marktanteil von 0,6 Prozent
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch regional spezifisch!)
und ist deshalb in Diagrammen noch nicht einmal mehr mit einem Balken aufgeführt. Wer bei der Fusion in Summe von einer marktbeherrschenden Stellung redet,
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch regional spezifisch!)
der hat wohl in der Grundschule in Mathe nicht aufgepasst und dem kann man es letztendlich dann auch nicht näherbringen. Insofern sollten Sie auch hier Ihre falschen Unterstellungen wirklich unterlassen.
Ich komme aber gern noch auf weitere Punkte in Ihrem Antrag zu sprechen. Darin steht unter anderem:
Der Entscheidungsprozess des Bundesministers für Wirtschaft und Energie zog sich über Monate und erzeugte erhebliche Unsicherheit für Unternehmen und Beschäftigte.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Tat!)
Gleichzeitig sagen Sie auf Seite 2 in der Begründung Ihres Antrages, es sei „eine politische Abwägung, ob Gemeinwohlgründe im Einzelfall die wettbewerbsverzerrenden Folgen einer Fusion aufwiegen“, und die müsse ausführlich geprüft werden.
Ja, meine Damen und Herren, die Tatsache, dass Herr Gabriel sich diese Zeit genommen hat, dass er mit allen Interessengruppen ausführlich gesprochen hat – mit den Gewerkschaften, mit den Arbeitnehmervertretungen, mit Kaiser’s Tengelmann, mit Edeka, mit denen, die tatsächlich dort das Sagen haben –, belegt doch gerade eindeutig, dass er sich klar und intensiv mit der Frage befasst hat und dass er es sich mit der Entscheidung nicht leicht gemacht hat.
(Beifall bei der SPD – Klaus Barthel [SPD]: Und dass es vor allen Dingen nicht kürzer wird, wenn das Parlament auch noch besucht wird!)
Hinsichtlich einer Diskussion über die Abwägung, die Sie auch auf der letzten Seite Ihrer Drucksache in der Begründung fordern, liegen die Argumente doch auf der Hand. Ich möchte sie hier auch noch einmal für die Allgemeinheit wiederholen und betonen, worum es bei der Fusion von Kaiser’s Tengelmann mit Edeka geht.
Der Minister hat das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik entsprechende Auflagen erteilt und Bedingungen gestellt, nämlich dass 16 000 Beschäftigungsverhältnisse erhalten bleiben müssen. Nur dann darf fusioniert werden. Sie müssen aber nicht einfach nur erhalten bleiben, sondern müssen durch rechtssichere Tarifverträge und eine Kontrolle des Arbeitsplatzerhalts durch Gewerkschaften, wie es eben Herr Schlecht schon angesprochen hat, garantiert werden. Tarifvertragliche Regelungen müssen also zwischen Edeka und Verdi getroffen werden; diese müssen fünf Jahre gelten, und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen eine zusätzliche Zusage erhalten, dass nach diesen fünf Jahren noch einmal zwei Jahre lang keine betriebsbedingten Kündigungen ergehen dürfen. Das heißt sieben Jahre Rechtssicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann. Ich glaube, dass es richtig und wichtig war, dass erstmals in der Geschichte ein Wirtschaftsminister diese sozialpolitischen Bedingungen in eine Ministererlaubnis mit aufgenommen hat.
(Beifall bei der SPD)
Wenn das für Sie kein Gemeinwohlargument ist und für Sie nicht höher wiegt als das Wettbewerbsrecht,
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt wieder eine Unterstellung!)
dann, muss ich sagen, kann ich Ihnen an dieser Stelle auch nicht helfen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6889308 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Transparenz bei der Ministererlaubnis |