02.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 173 / Tagesordnungspunkt 18

Ingo WellenreutherCDU/CSU - Dopingopfer-Hilfegesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, es würde mich überfordern, mich jetzt so schnell umzustellen und vom Platz aus zu reden. Deswegen bleibe ich am Anfang hier vorne stehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Schade!)

Meine Damen und Herren, es ist inzwischen Allgemeingut: Der Sport hat herausragende Bedeutung in unserer Gesellschaft. Er begeistert, er weckt Emotionen, er verbindet Menschen über Grenzen hinweg und leistet einen Beitrag zur Integration. Sportlerinnen und Sportler sind Vorbilder. Viele Kinder finden nur wegen bekannter und berühmter Sportlerinnen und Sportler den Zugang zum Sport. Weil das so ist, ist die Bedeutung eines ehrlichen Sports umso höher. Im vergangenen Jahr haben wir deshalb das Anti-Doping-Gesetz verabschiedet, um gegen die vorzugehen, die dopen. Dieses Gesetz ist ein echter Meilenstein in der Sportpolitik und in der Dopingbekämpfung. Wie nötig das ist, zeigen die aktuellen Beispiele in der russischen Leichtathletik.

Doping schadet nicht nur dem Ansehen und der Integrität des Sports, sondern vor allem auch der Gesundheit der Athletinnen und Athleten. Damit komme ich zum Kern dieser Debatte über den vorliegenden Gesetzentwurf. Auf der Grundlage des sogenannten Staatsplanthemas 14.25 wurden in der ehemaligen DDR Kinder und Jugendliche sowie erwachsene Athletinnen und Athleten im staatlichen Auftrag gezielt gedopt, um Leistungen im Spitzensport zu steigern. Dabei war das DDR-Doping ein perfides System: Kindern und Jugendlichen wurden vom staatlich geleiteten Sportmedizinischen Dienst der DDR unter Mitwirkung von Trainern, Betreuern und auch Vereinsärzten Dopingpräparate ohne deren Wissen verabreicht. Diese jungen Sportler wurden bewusst getäuscht und zielgerichtet körperlich geschädigt.

Die circa 10 000 zwangsgedopten Athleten waren weder über die Medikamente noch über die Folgen der Einnahme dieser informiert. Was damals geschah, war unverantwortlich und erfolgte ohne jegliche Rücksicht auf die Gesundheit. Die überwiegend verabreichten anabolen Steroide haben zum Teil massive gesundheitliche Schädigungen bei den Betroffenen verursacht: Krebserkrankungen, Organschäden, chronische Schäden am Bewegungsapparat, am Gelenkapparat, psychische Belastungen oder auch massive Hormonstörungen. Dabei handelte es sich schlicht um Zwangsdoping und – das kann man wirklich nicht oft genug hervorheben – um Doping im Auftrag des Staates, wobei das DDR-Regime – das kam noch erschwerend hinzu – kollusiv und kriminell mit dem DDR-Sport zusammenwirkte.

Meine Damen und Herren, bereits das erste Dopingopfer-Hilfegesetz aus dem Jahre 2002 war ein Zeichen dafür, dass die Bundesregierung die Schicksale der DDR-Dopingopfer anerkennt, indem sie einen gewissen Ausgleich geschafft hat. Das Gesetz verhalf damals anerkannten DDR-Dopingopfern wenigstens zu einer finanziellen Unterstützung mittels eines Hilfsfonds. Der DOSB und auch das Nachfolgeunternehmen von VEB Jenapharm, dessen Erzeugnisse damals die DDR-Sportler verabreicht bekamen, erklärten sich damals ebenfalls zu Entschädigungszahlungen bereit.

Im Jahre 2007 war dann der Hilfsfonds des ersten Doping­opfer-Hilfegesetzes erschöpft. 194 DDR-Doping­opfer hatten eine finanzielle Unterstützung des Bundes in Höhe von jeweils 10 500 Euro erhalten. Allerdings wurden damals nicht alle Dopingopfer erfasst. Das lag erstens daran, dass ein Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Schäden und Doping vielfach erst später erkennbar war, zweitens daran, dass einige von diesem Fonds schlichtweg nichts gewusst haben, und drittens daran, dass Dopingspätfolgen erst wesentlich später zutage traten.

Inzwischen ist es anders. Es sind viele Opfer bekannt geworden, die nach den damaligen Kriterien einen Anspruch auf eine entsprechende finanzielle Hilfe gehabt hätten. Deshalb war die Neuauflage eines solchen Hilfsfonds notwendig. Dem kommen wir heute mit dem Zweiten Dopingopfer-Hilfegesetz nach.

Um den DDR-Dopingopfern schnell und unbürokratisch zu helfen, hat das Innenministerium einen neuen Fonds aufgelegt. Es stehen jetzt weitere 10,5 Millionen Euro bereit. Anspruchsberechtigt sind die DDR-Doping­opfer, die nach dem ersten Dopingopfer-Hilfegesetz keine finanziellen Hilfen erhalten hatten. Die Zahlungen lindern das Leid der Betroffenen natürlich nicht, sie können es auch nicht wiedergutmachen, aber wir als Gesetzgeber werden einer moralischen Verpflichtung gerecht und setzen damit ein weiteres Zeichen.

Ich muss allerdings sagen: Ich halte es für sehr bedauerlich, dass sich bisher weder der DOSB noch das genannte Nachfolgeunternehmen aus der Pharmabranche an der Neuauflage des Fonds beteiligt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber was nicht ist, kann ja nach dem Gesetz noch werden; die Möglichkeit besteht.

Nach § 2 des Gesetzes haben jetzt Personen Anspruch auf Entschädigung, die erhebliche Gesundheitsschäden erlitten haben, weil ihnen als Hochleistungssportlern der DDR oder ihrer Mutter während der Schwangerschaft, übrigens ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen, Dopingsubstanzen verabreicht worden sind. Wir gehen davon aus, dass noch circa 1 000 weitere DDR-Dopingopfer nach den damaligen Kriterien anspruchsberechtigt sind. Wir stellen mit dem neuen Gesetz also Gleichbehandlung mit bereits Entschädigten her.

Ich bin der Bundesregierung sehr dankbar dafür, dass sie diesen Gesetzentwurf sehr beschleunigt und für eilbedürftig erklärt hat sowie eine Fristverkürzung erreicht hat, damit das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden kann. Angesichts der schweren Schicksale vieler DDR-Dopingopfer und vor allem auch im Hinblick auf ihren mitunter sehr schlechten Gesundheitszustand war nämlich Eile geboten.

Das kann jetzt auch schnell gehen.

Es muss jetzt auch schnell gehen.

Es muss auch schnell gehen. Herr Präsident, Sie haben vollkommen recht, ich beeile mich. – Die Anträge können schon jetzt an das Bundesverwaltungsamt gerichtet werden. Sie müssen bis spätestens Juni 2017 eingereicht sein. Ziel ist es, bereits in der zweiten Jahreshälfte 2016 mit der Auszahlung an Anspruchsberechtigte zu beginnen.

Zum Schluss darf ich noch etwas aufgreifen, was einer unserer Kollegen bereits in der ersten Debatte formuliert hat und was ich sehr wichtig finde: Der vorliegende Gesetzentwurf und unsere heutige Diskussion darüber müssen ein Signal an Sportlerinnen und Sportler sein, die sich auf dem Holzweg befinden und meinen, ihre sportlichen Leistungen mit Doping steigern zu müssen. Denn Doping lohnt sich nicht und ist gefährlich. Auf der einen Seite sind die Gesundheitsrisiken und die Langzeitfolgen sehr gravierend, auf der anderen Seite wird die Integrität des Sports dadurch nachhaltig beschädigt.

Die Botschaft des heutigen Tages muss lauten: Wir unterstützen die Opfer des Zwangsdopings der DDR und sagen Nein zu Doping.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

André Hahn ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6889313
Wahlperiode 18
Sitzung 173
Tagesordnungspunkt Dopingopfer-Hilfegesetz
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