Dagmar FreitagSPD - Dopingopfer-Hilfegesetz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Hahn, Sie mögen die Schlachten der Vergangenheit immer wieder schlagen wollen: Ich werde Ihnen auf diesem Weg nicht folgen, und ich erkläre Ihnen auch gleich, warum Ihr Antrag heute ohnehin im Prinzip gegenstandslos ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es gehört, der Bundestag beschäftigt sich heute zum zweiten Mal mit einem der dunkelsten Kapitel in der deutschen Sportgeschichte: mit Doping und seinen Folgen. Ich spreche jetzt ausnahmsweise nicht von den vielen vergifteten Siegen und Medaillen. Nein, ich spreche von den Folgen, die von gewissenlosen Funktionären, Trainern, Ärzten und Helfershelfern auf Druck staatlicher Stellen in der DDR in Kauf genommen wurden. Die Athletinnen und Athleten waren teilweise nichts anderes als Versuchskaninchen in einem skrupellosen System. Ich zitiere: Die Vergabe der Präparate an die Athleten hat entweder in Fremdpackungen bzw. ohne Packung zu erfolgen. Keinesfalls dürfen die Athleten in den Besitz der Originalpackungen gelangen. – So lautete die Anweisung des Sportmedizinischen Dienstes der DDR.
Es ist schlichtweg erschütternd, was die Sportlerinnen und Sportler teilweise schon im Kindesalter an sogenannten unterstützenden Mitteln schlucken mussten. Dies alles, ob Sie das mögen oder nicht, Herr Kollege, ist von staatlicher Seite akribisch erfasst und notiert worden.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das hat niemand bestritten!)
Das ist ein Unterschied zu dem, was Sie eben gesagt haben. Die Schäden der Opfer offenbaren die gesundheitlichen, aber auch die seelischen Qualen. An diesen Schäden werden sie im Übrigen bis an ihr Lebensende leiden. Daher wollen wir die Betroffenen, die keine Hilfen aus dem ersten Dopingopfer-Hilfegesetz bekommen haben, mit diesem zweiten Gesetz unterstützen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Bundesregierung und das Parlament bzw. die Koalitionsfraktionen stellen sich dieser Verantwortung. Aber – da teile ich die Meinung meiner Vorredner – es sollten wahrlich auch andere Akteure in die Pflicht genommen werden. Wenn ich kurz einen Blick zurück werfen darf: Die Auflage des ersten Dopingopfer-Hilfsfonds ist jetzt 14 Jahre her. Durch diese etwas längere Zeitspanne ist offensichtlich auch die Chronologie der Vorgänge im Gedächtnis vieler etwas verblasst. Daher muss ich die Rolle des organisierten Sports an dieser Stelle noch einmal ins Gedächtnis rufen: Die damalige Dachorganisation, der Deutsche Sportbund, hatte sich nämlich nicht, wie gelegentlich fälschlicher Weise dargestellt wurde, im Jahr 2002 an dem Fonds beteiligt, obwohl ausdrücklich, wie auch jetzt, geregelt war, dass Zuwendungen von dritter Seite zulässig sind, und insbesondere der autonome Sport aufgerufen war, seinen Beitrag zu leisten.
Das Gegenteil war der Fall: Der autonome Sport – damals der Deutsche Sportbund – hatte zunächst jegliche Beteiligung abgelehnt. Erst durch einen Rechtsstreit mit einer ehemaligen DDR-Schwimmerin, die Schadensersatz vom DOSB als Rechtsnachfolger des Nationalen Olympischen Komitees forderte, kam dann Bewegung in die Sache. Das Landgericht Frankfurt bestätigte nämlich, dass der Deutsche Olympische Sportbund Rechtsnachfolger des NOK sei und damit grundsätzlich in Anspruch genommen werden könne. Daraufhin hatten die Betroffenen Entschädigungsansprüche gegenüber dem DOSB geltend gemacht, und es kam zu einer außergerichtlichen Einigung. Das war allerdings im Jahr 2006, vier Jahre nach Inkrafttreten unseres Gesetzes. Alle anerkannten Dopingopfer des DDR-Sports erhielten somit eine weitere Einmalzahlung von 9 250 Euro.
Es scheint aber völlig in Vergessenheit geraten zu sein, dass auch dieser außergerichtliche Vergleich nur deshalb zustande gekommen ist, weil das Bundesinnenministerium eine finanzielle Unterstützung des DOSB in Höhe von 1 Million Euro vorgenommen hatte. Der Löwenanteil kam auch hier, wie so oft, vom Bund. Ich denke, das sollte an dieser Stelle wirklich noch einmal erwähnt werden. Der DOSB hat sich dann mit 500 000 Euro beteiligt. Die Opfer mussten flugs schriftlich erklären, auf jegliche weiteren Ansprüche gegenüber dem DOSB zu verzichten. Deckel zu, Fall erledigt – zumindest aus Sicht des Sports.
Eine finanzielle Beteiligung – wen wundert es? – ist auch beim Zweiten Dopingopfer-Hilfegesetz trotz eindeutiger Aufforderung, beispielsweise seitens des Sportministers, nicht in Sicht. Stattdessen hat die Führungsspitze des DOSB anlässlich des kürzlich begangenen zehnjährigen Jubiläums vor einigen Tagen tatsächlich verlauten lassen – ich zitiere –:
Jetzt sind wir froh, dass Bundesregierung und Bundestag eine weitere Entschädigungswelle durchführen wollen. Der DOSB hat diese Aktivitäten vom ersten Tag bis heute stets aktiv unterstützt.
Ich war ein bisschen fassungslos, aber wahrscheinlich nicht nur ich. Dieses Muster, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt wohl nicht nur mir bekannt vor. Die Haltung des Dachverbands im deutschen Sport bleibt, wie sie schon im Jahr 2002 war: ein Armutszeugnis angesichts dessen, was eben auch im Namen des Sports jungen Menschen angetan worden ist. Deshalb wird es Sie nicht überraschen, dass auch ich an dieser Stelle den DOSB wirklich noch einmal auffordere, seine Haltung zu überdenken und seinen Teil der Verantwortung anzuerkennen.
Nun zu Ihrem Antrag, Herr Kollege Hahn. Sie fordern eine Einbeziehung von West-Dopingopfern. Darüber kann man reden, aber nicht heute. Wer das nämlich heute fordert, lieber Herr Kollege, macht das im Wissen, dass er damit dieses Zweite Gesetz über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR komplett infrage stellt; denn es gibt einen Beschluss des Haushaltsausschusses vom April 2016, mit dem der Haushaltsausschuss dem Gesetzentwurf der Bundesregierung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt zugestimmt hat, dass der federführende Sportausschuss – Sie waren dabei – keine Änderungen am Gesetzentwurf mit erheblichen finanziellen Auswirkungen empfiehlt.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das Plenum entscheidet, nicht der Haushaltsausschuss!)
Dieser Beschluss des Haushaltsausschusses, Herr Kollege, erfolgte einstimmig, also auch mit den Stimmen der Fraktion Die Linke. Vielleicht reden Sie einmal mit Ihren eigenen Leuten. Dann würden solche Dinge wie heute nicht passieren. Ich denke, Herr Hahn, Sie wissen das ganz genau.
Daher stellt sich aus meiner Sicht wirklich die Frage: Wollen Sie etwa mit dem heutigen Antrag das ganze Gesetz zu Fall bringen? Schon allein deshalb, dass das nicht passiert, werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Monika Lazar das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6889374 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 173 |
Tagesordnungspunkt | Dopingopfer-Hilfegesetz |