Stephan MayerCDU/CSU - Integrationsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Es wäre aus meiner Sicht verfehlt, anzunehmen, dass die Flüchtlingskrise beendet oder gemeistert ist. Ich glaube, es ist genauso naiv, anzunehmen, dass es schon jetzt Anlass gibt, Entwarnung zu geben. Wir stecken aus meiner Sicht nach wie vor mitten in der Flüchtlingskrise. Aber die Zahlen sind deutlich zurückgegangen. Die Westbalkanroute ist geschlossen. Das ist ein erfreuliches Signal.
Eines aber muss uns bewusst sein: Selbst wenn die Zahlen auf diesem niedrigen Niveau bleiben, wird uns in den nächsten Monaten und Jahren eine epochale Herausforderung bevorstehen, wenn es um die Integration von Hunderttausenden von Migranten und Flüchtlingen in die deutsche Gesellschaft geht. Deswegen ist es gut, dass dieses Integrationsgesetz jetzt in erster Lesung beraten wird. Ich habe etwas Zweifel, ob ich wirklich von einem Paradigmenwechsel sprechen möchte,
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie es lieber!)
ich weiß auch nicht, ob es wirklich ein historischer Meilenstein ist, den wir mit diesem Gesetz setzen; aber ich bin mir sicher, dass wir mit diesem Integrationsgesetz – ich möchte es Integrationspflichtgesetz nennen – einen deutlichen Fortschritt machen, wenn es darum geht, Hunderttausenden von Migranten und Flüchtlingen Angebote zu unterbreiten, sich aktiv in die deutsche Gesellschaft einzubringen, sich aktiv in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass der Staat die Verpflichtung hat, ausreichende Angebote zu unterbreiten. Aber es gibt auch die berechtigte Erwartungshaltung gegenüber den Flüchtlingen und den Migranten, von diesen Angeboten dann bitte schön auch Gebrauch zu machen.
Ich möchte auch dem Eindruck entgegenwirken, dass wir erst heute mit Beratungen zum Thema Integration beginnen. Dieses Thema steht seit 2005 auf der Agenda der Bundesregierung. Seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, seit die Union wieder in der Bundesregierung ist, hat das Thema Integration die Bedeutung in der Bundespolitik erhalten, die es verdient. Es gibt seit 2005 einen Staatsminister für Integration, einen Nationalen Integrationsplan, einen jährlichen Integrationsgipfel. Aber zur Wahrheit gehört auch – das hat sich insbesondere in den letzten Monaten herausgestellt –, dass es aufgrund der deutlichen Zunahme der Zahl an Flüchtlingen, die zu uns gekommen sind, einen deutlich weiteren Bedarf gibt.
Der große Vorteil dieses Gesetzes, das uns im Entwurf vorliegt, ist der, dass erstmals das sehr weite Themenfeld der Integration auf die jeweiligen Gruppierungen spezifisch zugeschnitten wird. Es bedarf unterschiedlicher Angebote, je nachdem, ob jemand eine dauerhafte Bleibeperspektive hat oder ob er sich nur kurzfristig in unserem Land aufhält. Jemand, der eine langfristige bzw. dauerhafte Bleibeperspektive hat, muss Maßnahmen angeboten bekommen, die es ihm ermöglichen, sich aktiv in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber auch Personen, die kein Recht auf Asyl zugestanden bekommen, denen kein Flüchtlingsstatus zuerkannt werden kann, müssen in unserem Land human behandelt werden. Sie haben aus meiner Sicht das Recht, solange sie sich in unserem Land aufhalten, Angebote unterbreitet zu bekommen, die es ihnen ermöglichen, zum einen die Zeit sinnvoll zu nutzen und zum anderen für ihr späteres Leben in ihrem Heimatland oder anderswo Fähigkeiten vermittelt zu bekommen, die ihnen die Chance bieten, in ihrem neuen Aufenthaltsland Fuß zu fassen. Diese spezifischen Angebote, die mit diesem Gesetz ermöglicht werden, sind wirklich ein sehr erheblicher und auch erfreulicher Fortschritt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist auch eine deutliche Verbesserung, dass wir jetzt die klare Vorgabe machen, dass, wenn Deutschkurse angeboten werden, diese auch innerhalb eines Jahres begonnen werden müssen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele, die einen solchen Anspruch hatten, innerhalb des ersten Jahres keinen Gebrauch davon gemacht haben. Wir haben aber keine Zeit zu verlieren. Wir sind hier als Bund unserer Verantwortung gerecht geworden und haben allein vom letzten Jahr auf dieses Jahr die Mittel für Integrations- und Deutschkurse von 269 Millionen Euro auf 558 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Allein in diesem Jahr gibt es 300 000 neue Teilnehmer an Integrations- und Deutschkursen. Es werden 5 000 zusätzliche Deutschlehrer zertifiziert. Wir als Bund tun hier das Unsrige. Ich füge ganz offen hinzu: Auch die Länder sind beim Thema Integration gefordert und können nicht einseitig auf uns, den Bund, verweisen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ein erheblicher Fortschritt ist, dass wir die Niederlassungserlaubnis neu regeln. In Zukunft werden Asylbewerber und Flüchtlinge nicht automatisch voraussetzungs- und bedingungslos nach drei Jahren ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bekommen. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich unserem bisherigen Kollegen Thomas Strobl, der heute sein Bundestagsmandat zurückgibt, danken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Inge Höger [DIE LINKE])
Er war der Erste, der darauf hingewiesen hat, dass es nicht angehen kann, dass Flüchtlinge und Asylbewerber gegenüber anderen Ausländern privilegiert werden. Es ist ein erheblicher Fortschritt, dass wir nun deutlich machen: Ein dauerhaftes, unbefristetes Aufenthaltsrecht für Asylbewerber und Flüchtlinge kann es nur geben, wenn ausreichende Deutschkenntnisse nachgewiesen werden und wenn für den eigenen Lebensunterhalt überwiegend selbst gesorgt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zur Wohnsitzauflage ist schon einiges gesagt worden. Es gehört zur Wahrheit – das haben insbesondere die letzten Monate gezeigt –, dass sich viele Flüchtlinge und Asylbewerber auf einige wenige Ballungszentren und Großstädte konzentrieren, zum Beispiel die Afghanen schwerpunktmäßig auf Hamburg oder das Rhein-Main-Gebiet. Das ist vollkommen nachvollziehbar und menschlich verständlich. Schließlich wohnen dort in der Regel viele afghanische Verwandte, Bekannte und Freunde. Aber dort sind leider Gottes nicht immer Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden. Deshalb ist es aus meiner Sicht richtig, dass wir den Ländern die Möglichkeit geben – das ist keine Verpflichtung –, eine Wohnsitzauflage für zumindest drei Jahre anzuordnen, wenn sie der Auffassung sind, dass das aufgrund integrationspolitischer Erwägungen sinnvoll und erforderlich ist. Ich glaube, das wird den berechtigten Wünschen der betroffenen Kommunen und Länder in ausreichendem Maß gerecht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein insbesondere in der Wirtschaft langgehegter Wunsch ist die sogenannte Drei-plus-zwei-Regelung. Sie wird nun in dieses Gesetz implementiert. Um den Wirtschafts- und Handwerksbetrieben, aber auch den betroffenen Flüchtlingen Rechts- und Planungssicherheit zu geben, wird nun klargestellt, dass zumindest für drei Jahre eine Duldung ausgesprochen werden kann, wenn die Ausbildung ernsthaft betrieben wird. Das ist im Sinne aller Beteiligten. Es ist auch richtig, dass dann, wenn die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wird – das ist wohlgemerkt die Voraussetzung –, die Möglichkeit besteht, sich in einem Zeitrahmen von sechs Monaten einen Anschlussarbeitsvertrag zu suchen, um dann eine Anschlussduldung für weitere zwei Jahre zu erhalten. Wir stehen zu dieser Regelung. Sie ist gut und ist insbesondere im Sinne junger, heranwachsender Flüchtlinge, die die Zeit in Deutschland nutzen sollen, um eine Berufsausbildung zu absolvieren.
Wir müssen aber nun im parlamentarischen Verfahren darauf achten, dass es insbesondere bei der Drei-plus-zwei-Regelung nicht zu missbräuchlichen Gestaltungen kommt. Wenn eine Überstellung in ein anderes EU-Land oder eine Abschiebung angeordnet und konkret erwogen wird, dann darf nicht schnell ein Anstellungs- oder Ausbildungsvertrag vorgelegt werden, nur um die Überstellung oder die Abschiebung zu verhindern. Nach meiner Auffassung wird es eine Aufgabe im parlamentarischen Verfahren sein, insbesondere in § 60a des Aufenthaltsgesetzes darauf zu achten, dass es nicht zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme dieser an sich richtigen Regelung kommen kann.
Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf einen erheblichen Fortschritt darstellt, wenn es darum geht, mit den epochalen Herausforderungen der Flüchtlingskrise und der Integration von Hunderttausenden Flüchtlingen in Deutschland zurechtzukommen. Deshalb sollten wir diesen Gesetzentwurf positiv annehmen und die nun erfolgenden parlamentarischen Verhandlungen in der gebotenen Seriosität, aber auch Zügigkeit führen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zum Schluss dieser Debatte erhält der Kollege Sebastian Hartmann das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6890635 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 174 |
Tagesordnungspunkt | Integrationsgesetz |