03.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 174 / Tagesordnungspunkt 27

Erika SteinbachCDU/CSU - Qualität der humanitären Hilfe

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor drei Jahren waren 40 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht oder als Migranten unterwegs. Vor zwei Jahren waren es schon 50 Millionen Menschen. Heute sind es bereits 60 Millionen, manche sprechen sogar schon von 70 Millionen. Die Zahl der bedrängten Menschen, die ihre Heimat aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen mussten oder in existenzbedrohenden Situationen in der Heimat leben, steigt und steigt deutlich erkennbar weiter an. Der Bedarf an humanitärer Hilfe, um überhaupt die ärgste Not zu lindern – da geht es nicht um Luxushilfe, sondern um Überlebenshilfe –, hat sich von 2012 bis 2015 auf 20 Milliarden US‑Dollar verdoppelt.

Immer wieder erleben wir aber, dass die nötigen Mittel, die zur Hilfe gebraucht werden, nicht rechtzeitig oder auch nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Darum war es gut – ich glaube, es war sogar überfällig; aber die Vorbereitung dauerte drei Jahre –, dass der Humanitäre Weltgipfel stattgefunden hat in einer Zeit, in der jeder die Probleme sehen kann – wie auch wir tagtäglich auf den Bildschirmen. Angesichts der Vielzahl an Krisen und Konflikten und angesichts der Tatsache, dass über die Flüchtlinge hinaus weitere Menschen in ihrer Heimat dringend auf Hilfe der Vereinten Nationen angewiesen sind, war die Initiative des Weltgipfels dringend erforderlich. Man geht insgesamt von 125 Millionen Menschen aus, die zum nackten Überleben Hilfe benötigen. Staaten und Zivilgesellschaften sind bei diesem ersten Humanitären Weltgipfel zusammengekommen, um Wege und Möglichkeiten zu finden, den humanitären Bedürfnissen in einer sich rasch verändernden Welt besser und auch schneller gerecht zu werden.

Unsere Bundesregierung – das war sehr erfreulich – war im Gegensatz zu den fünf Vetomächten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen hochrangigst vertreten: Die Bundeskanzlerin war da, ebenso der Bundesaußenminister, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, und Kollegen waren auch dabei. Das war ein deutliches Signal, zu zeigen, für wie brisant wir aus deutscher Perspektive dieses Thema halten. Es war gut, dass wir so hervorragend vertreten waren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Gipfel war keine Geberkonferenz, in der ausschließlich über finanzielle Hilfen verhandelt wurde. Es ging um ganz Grundsätzliches. Aber Deutschland hat dennoch zugesagt, seinen Beitrag für den Nothilfefonds der Vereinten Nationen um 10 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro anzuheben. Der Fonds soll, ja er muss sogar – das betrifft alle Staaten – dringend auf insgesamt 1 Milliarde Dollar verdoppelt werden, um überhaupt allen Menschen helfen zu können.

Deutschland ist in diesem Jahr mit einem Beitrag von rund 1,3 Milliarden Euro der drittgrößte internationale Geber und hat als Vorreiter für innovative humanitäre Hilfe den Weltgipfel von Beginn an auch inhaltlich mitgeprägt. Obgleich die Summe der international bereitgestellten und zugesagten Hilfen seit Jahren steigt, decken die Mittel bei weitem nicht den Bedarf; denn im Schnitt kommen jährlich nur rund zwei Drittel der von den Vereinten Nationen benötigten Gelder tatsächlich zusammen und herein. Viele der Länder, die zugesagt haben, etwas zu leisten, zahlen ganz einfach nicht. Noch nie war die Finanzierungslücke für Nothilfe so groß wie im vergangenen Jahr. 2015 kamen nur 55 Prozent des benötigten und seitens der Staaten auch zugesagten Geldes zusammen. Auch in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ging erst ein Fünftel des Budgets ein.

Für die Bedürftigen bedeutet weniger Geld im Gesamttopf ganz konkret natürlich auch weniger Hilfe. So mussten 2015 die Lebensmittelhilfen für syrische Flüchtlinge im Nahen Osten deutlich gekürzt werden. Am Ende blieben Flüchtlingen zum Beispiel in Jordanien zeitweise umgerechnet nur etwa 50 Cent pro Tag für Nahrung. 50 Cent pro Tag! Dies war eine wesentliche Ursache dafür, dass sich im vergangenen Jahr über 1 Million Menschen auf den Weg nach Deutschland und Europa gemacht haben. Das darf sich so nicht wiederholen.

Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung und geht mit gutem Beispiel voran. Aber wir müssen erreichen, dass auch die anderen Staaten ihre Verpflichtungen am Ende erfüllen. Diese Zusagen müssen eingehalten werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist letztendlich auch im Interesse aller – der Betroffenen, die Hilfe brauchen, aber auch der Länder, die Hilfe geben; denn man kann von vornherein Flüchtlingsströme vermeiden und den Menschen die Heimatnähe besser erhalten.

Deutschland setzt sich ja seit langem für einen Paradigmenwechsel in der humanitären Hilfe ein. Wir wollen eine vorausschauende Hilfe, die Betroffenen, wo immer möglich, in den Krisengebieten stärken, damit sie dort verbleiben können und es ihnen möglich ist, in der Nähe ihrer Heimat zu bleiben, und dass sie sich eben nicht auf lebensgefährliche Fluchtwege begeben müssen. Wir sehen ja Tag für Tag, dass im Mittelmeer Menschen ertrinken – auch in den letzten Tagen wieder.

Wie das große Engagement der Bundesregierung zur Bewältigung der humanitären Krise infolge der Gewalt in Syrien und im Irak zeigt, findet bereits heute eine enge Verzahnung von humanitärer Hilfe mit Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit statt. Die Ministerien arbeiten sehr gut zusammen. Grundsätzlich muss es, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Ziel sein, den Opfern von Flucht und Vertreibung und den Migranten möglichst heimatnah zu helfen. Das ist der richtige Weg sowohl für die betroffenen Menschen als auch für unseren Kontinent.

Denn eines wissen wir auch: Die weltweiten Migrationsströme, die Flüchtlingsbewegungen können weder in der Europäischen Union noch in ganz Europa noch in Deutschland geheilt werden. Vor diesem Hintergrund war es eine hervorragende Sache, dass der Humanitäre Weltgipfel gerade jetzt, in dieser Zeit, mit einem intensiven deutschen Engagement stattgefunden hat. Dass sich Deutschland so hochrangig dort hinbegeben hat, ist ein Zeichen, dass wir dieses Thema auch ernst nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Inge Höger ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6890692
Wahlperiode 18
Sitzung 174
Tagesordnungspunkt Qualität der humanitären Hilfe
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