Ernst Dieter RossmannSPD - Vereinbarte Debatte zur Exzellenzinitiative
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Gohlke, Sie haben eine gewisse Zweiweltenlehre aufgemacht. Ich will mich nur mit einem kleinen Satz darauf einlassen: Dass der Kollege Ramelow, der Ministerpräsident von Thüringen, sich nichts traut, das werden Sie ihm erklären müssen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte gerne auf das zurückkommen, was hier relevant ist und was von der Ministerin in Bezug auf eine Weiterentwicklung und große Verbesserung der Hochschul-, der Wissenschafts- und der Forschungslandschaft in Deutschland vorgestellt worden ist.
Nachdem ich eben ein bisschen bärbeißig war, will ich jetzt ganz charmant etwas zu bedenken geben – Herr Riesenhuber, ich habe Sie im Blick; aber ich muss es trotzdem so sagen –: Das, was jetzt von Frau Wanka fortgesetzt wird, hat eine Vorgeschichte, aus der hervorgeht, dass die Wissenschafts- und Forschungspolitik der letzten 20 Jahre im Wesentlichen von Frauen – Frau Bulmahn, Frau Schavan, Frau Wanka, jede auf ihre Art, aber immer aufeinander aufbauend – sehr hervorragend gestaltet worden ist. Vielleicht darf man das auch einmal hier feststellen. Die vier anderen Minister zwischen Herrn Riesenhuber und Frau Bulmahn sind leider wenig in Erinnerung geblieben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wieso „leider“?)
Frau Bulmahn hat damals mit folgenden Fragen eine neue Dimension aufgemacht: Wie erfüllen wir den Auftrag, den Wissenschaft hat, nämlich Wahrheitssuche und Erkenntnisvermittlung? Und wie bekommen wir das einerseits in die Welt hinein, damit es angewendet werden kann, um ein besseres Leben für die Menschen zu ermöglichen bzw. eine bessere und nachhaltige Umwelt zu schaffen, und wie bekommen wir das andererseits auch wieder an die Hochschulen? Denn die Hochschulen sind ja die eigentlichen Träger der Vermittlung, die Hochschulen sind die Breitenorganisationen, bei denen sich Exzellenz in der Breite und in der Spitze entwickelt, und die Hochschulen sind auch das Pfund, auf das wir in Deutschland – neben den guten Wissenschaftsorganisationen – zentral setzen können.
Dass dieser breite Horizont, der von Frau Bulmahn aufgemacht und von Frau Schavan fortgesetzt wurde – Frau Wanka führt das mit neuen Akzenten jetzt erfolgreich weiter –, auch weiterhin in einem größeren Zusammenhang gesehen wird, zeigt sich auch bei dem, was heute zur Diskussion gestellt worden ist in Form eines neuen Dreiklangs. Dieser beinhaltet das Programm „Innovative Hochschule“, den Nachwuchspakt und die Exzellenzinitiative.
Nur eine kleine Bemerkung zum Programm „Innovative Hochschule“: Ja, Frau Wanka, wir finden es gut, dass Sie sich zusammen mit den Ländern entschieden haben, das nicht in einer Exzellenzinitiative aufgehen zu lassen, sondern dass sie ihm als ein besonderes Programm einen besonderen Stellenwert gegeben haben. Denn darüber wird auch einem ganz wichtigen Träger von Wissenschaft und Forschung, nämlich den Fachhochschulen, vermittelt, dass sie ein eigenes Gewicht haben und dass sie in diesem Rahmen auch weiter auszugestalten sind. Darauf wollen wir gerne – auch über die 50-Prozent-Quote hinaus – weiter hinarbeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Aber das darf ja Zukunftsmusik sein.
Wenn es um den Nachwuchspakt geht, wird hier jeder verstehen, dass die SPD besonders stolz darauf ist. Aber auch die Fraktionen können es sein; denn das hat ja noch nicht einmal im Koalitionsvertrag gestanden, Herr Rupprecht.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da schien ja einiges vergessen!)
Wir haben außerhalb des Koalitionsvertrages während der glorreichen Tage von Göttingen mit den geschäftsführenden Fraktionsvorständen vielmehr noch etwas Gutes darüber hinaus angestoßen. Deshalb sage ich einen ausdrücklichen Dank an den Kollegen Kretschmer. Auch Hubertus Heil, der heute erkrankt ist, soll hören, dass ich ihm Dank dafür übermittle, was er da mit den geschäftsführenden Fraktionsvorständen zusammengebracht hat.
Dass 1 Milliarde Euro für den wissenschaftlichen Nachwuchs zur Verfügung gestellt werden, zeigt, dass wir nicht nur von der Gesetzgebung her – mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz –, sondern auch im Hinblick auf die Aufstiegs- und Karriereperspektiven – dabei geht es um die Lebensplanung junger Wissenschaftler – dem Gedanken der Exzellenz und der Vermittlung gefolgt sind und ihn in eine größere Personalausstattung haben münden lassen. Wir haben auch aufgenommen, dass sich dieses inhaltlich weiterentwickeln muss. Denn über die Details der Beschlüsse zum Hochschulpakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs hinaus können wir schon jetzt sagen, dass sich auch hier noch einige Zukunftsfragen – auch als Aufgaben für die nächste Legislaturperiode – stellen.
Dabei geht es einmal darum, dass alle wissen, dass sich an den Hochschulen nicht nur die Qualitäten, sondern auch die Aufgaben differenzieren, weshalb wir neue Personalkategorien brauchen. Hier ist ein Einstieg gefunden, dass sich dieses mitentwickeln kann.
Zweitens geht es darum, dass wir grundsätzlich anerkennen müssen, dass es auch bei den Fachhochschulen eine explizite Exzellenz gibt. Frau Kollegin De Ridder, es ist auch einmal darüber zu diskutieren, ob es auch dort Tenure-Track-Systeme oder andere Personalaufbausysteme gehen sollte. Auch das ist uns mit dem jetzigen Nachwuchspakt aufgegeben.
Die dritte und wichtigste Dimension betrifft die Exzellenzinitiative, die jetzt über die Hochschulen als Motor unseres Innovationssystems ausgebaut wird. Es war für uns immer selbstverständlich, dass wir Spitzenforschung brauchen, dass wir sie an den Hochschulen brauchen und dass sich diese über die Jahre hinweg entwickeln darf, es aber klar strukturierte Linien geben muss, die sich jetzt mit den Exzellenzclustern bzw. Exzellenzuniversitäten abbilden, und dass diese Linien nicht nur auf drei bis fünf Exzellenzuniversitäten reduziert werden können. Vielmehr fühlen wir uns durch die verdienstvolle Arbeit der Imboden-Kommission bestätigt, dass es mehr Potenzial in Bezug auf Exzellenz in Deutschland gibt und dass dieses in eine Kontinuität hineinkommen muss. Dabei geht es nicht um Kontinuität in Form von immer neuen und aufwendigen Wettbewerben, sondern es muss um Kontinuität in den Grundgedanken bzw. in Bezug auf die Absicherung über das Grundgesetz gehen, also Verlässlichkeit hinsichtlich der Fortschreibung in Richtung auf eine unbestimmte Dauer.
An der Stelle – vielleicht ist das nur Semantik; aber wir glauben, dass das mehr ist –: Wir haben bisher immer von Exzellenzinitiative gesprochen. Das klingt ein bisschen nach Projekt. Stattdessen können wir jetzt sagen, nachdem es in Deutschland schon eine Hightech-Strategie gibt, dass es mit dem, was jetzt zwischen Bund und Ländern offensichtlich verhandelt worden ist, auch eine Exzellenzstrategie geben wird.
(Beifall bei der SPD)
Damit hätten wir eine dauerhafte Perspektive für die beiden großen Gewichte der außeruniversitären und der universitären exzellenten Spitzenangebote, die Deutschland strategisch in eine gute Zukunftsposition bringen.
Dies führt mich zu zwei Schlussgedanken.
Zunächst möchte ich auf Frau Gohlke zurückkommen, die am Anfang ihrer Rede mit Zahlen herumgewirbelt hat; Kollege Rupprecht, Sie werden das gleich sicherlich mit Schmackes klarstellen.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Glauben Sie?)
Man darf nicht vergessen, dass wir 20 Milliarden Euro in die Exzellenz der Breite – Hochschulpakt, Programmpauschalen, gute Lehre und anderes – gegeben haben. Sie, Frau Gohlke, tun das so ab, als wären diese 20 Milliarden Euro „nothing“. Auch da halten wir eine Balance zwischen der Breitenförderung und der Spitzenförderung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit Blick auf die nächste Legislaturperiode stellen wir fest: Es stehen große Entscheidungen an, da faktisch Jahr für Jahr Mittel in Höhe von 3 bis 5 Milliarden Euro frei werden. Ich will zumindest für die SPD sagen: Sie dürfen sicher sein – in der Tradition der großen Forschungsministerinnen werden wir dafür kämpfen müssen –, dass die Mittel im System bleiben. Es kann nicht sein, dass 2019/2020 auf einmal eine Reduzierung stattfindet, sondern die Mittel müssen im System bleiben. Aber dass sie im System bleiben, setzt voraus, dass wir die Dinge, die wir jetzt machen, gut machen. Sie müssen jetzt gut umgesetzt werden; denn nur wenn sie gut und wirksam sind, wird die breite Öffentlichkeit es akzeptieren, wenn die zusätzlichen Mittel weiter verstetigt und ausgebaut werden.
Mein zweiter Schlussgedanke – Herr Präsident, erlauben Sie das noch? –
Ich erlaube es, wenn Sie noch im Rahmen der Redezeit zum Ende kommen.
– richtet sich nach außen. Ich beziehe mich auf das, was heute von der Hochschulrektorenkonferenz, auf der man sich mit dem Brexit, Europas Zukunft und anderen Themen auseinandergesetzt hat, verlautbart wurde. Wir glauben, dass diese Exzellenzinitiative, das gute Entwickeln von bester Wissenschaft in Deutschland, ein Bindeglied sein kann, das wir erhalten müssen, wenn wir gute Perspektiven für Europa schaffen wollen. Die europäische Zusammenarbeit, die Struktur von besten Hochschulen in Europa wird nämlich durch diese Exzellenzinitiative mitbefördert. Professor Kleiner, der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, sagte einmal: Das ist die beste Antwort auf diesen unseligen Populismus, auf diese unselige Denkungsart, es gäbe keine Wahrheit, es gäbe neben der Lügenpresse auch noch eine Lügenwissenschaft. Wenn wir unsere Vorhaben entsprechend umsetzen können, –
Herr Kollege Rossmann, jetzt ist die Redezeit schon sehr großzügig bemessen.
– dann machen wir nicht nur Wissenschaftspolitik, sondern auch Gesellschaftspolitik.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6890856 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 174 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Exzellenzinitiative |