03.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 174 / Tagesordnungspunkt 29

Burkhard BlienertSPD - Filmförderungsgesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident, an Ihre Großzügigkeit kann ich hoffentlich auch appellieren.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Elf Minuten!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor einer Woche wurde der Deutsche Filmpreis vergeben. Wir konnten einen starken Jahrgang feiern, der noch einmal die breite Vielfalt des kreativen Filmschaffens deutlich gemacht hat. Von dieser Stelle sage ich – es ist erst eine Woche her –: Herzlichen Glückwunsch allen Preisträgerinnen und Preisträgern!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vor wenigen Wochen haben wir Maren Ade feiern können mit dem Film Toni Erdmann. Wir haben lange warten müssen, bis wieder eine deutsche Produktion in Cannes dabei war. Besonders erfreulich dabei vor dem Hintergrund der überfälligen Genderdiskussion: Produziert hat das Projekt nämlich auch eine Frau, Janine ­Jackowski. Es ist ein schönes Beispiel dafür, was das deutsche Fördersystem im besten Fall mit bewirken kann: die Begünstigung von künstlerischem und wirtschaftlichem Erfolg, und zwar auch im Ausland. Toni Erdmann hat sich nämlich schon in 55 Länder weiterverkauft. Die Liste der Förderer reicht dabei von der FFA über den DFFF bis hin zur kulturellen Filmförderung des BKM und der Länder. Auch drei öffentlich-rechtliche Sender haben Toni Erdmann koproduziert. Deshalb nur am Rande bemerkt: Das Mitwirken von Fernsehredaktionen muss also einem Projekt nicht zwangsläufig schaden.

Keine Frage: Toni Erdmann ist ein Glücksfall für den deutschen Film. Aber ich wünsche mir, dass unsere Förderung mehr solcher Filme möglich machen kann, Filme, die die Kritiker genauso wie die Kinozuschauer im In- und Ausland begeistern. Genau das haben wir uns mit der Novelle des FFG auch vorgenommen. Dabei ist das FFG nur ein, wenn auch zentraler Pfeiler der deutschen Filmförderung.

Ich möchte einen anderen kurz streifen: den DFFF. Er war zuletzt genauso überzeichnet wie der neue German Motion Picture Fund aus dem BMWi. Gleichzeitig haben die Konkurrenten im globalen Standortwettbewerb um internationale Großproduktionen ihre Anreizsysteme massiv ausgebaut. Im Ergebnis ist der Glanz des ehemaligen Vorzeigemodells DFFF inzwischen stark verblasst. Wenn wir also die Attraktivität des Filmstandorts Deutschlands erhalten wollen, müssen wir uns demnächst auch grundsätzliche Gedanken zum DFFF machen und das Konzept gegebenenfalls neu ausrichten.

(Beifall bei der SPD)

Zurück zum FFG. Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, dem es gelingt, sowohl die Strukturen der Förderung als auch die Förderung selbst zu verbessern. Das ist das Ergebnis eines intensiven und aufwendigen Dialogs mit der gesamten Branche. Dafür meinen Dank an das Haus der BKM und an die FFA.

Ich greife nun noch einige Punkte heraus: Mit der Anpassung der Abgabesätze, mit der Verstärkung der Rückflüsse in den Fördertopf, mit der Heranziehung werbefinanzierter Abrufdienste und der VoD‑Anbieter mit Sitz im Ausland werden wir die Einnahmeseite des FFA-Haushalts nachhaltig stabilisieren können. Der letzte Punkt ist zwar noch nicht ganz in trockenen Tüchern, aber die neue AVMD-Richtlinie gibt begründete Hoffnung auf grünes Licht aus Brüssel. Gute Lösungen sind bei den Bestimmungen zur geschlechterparitätischen Besetzung der Gremien gefunden worden. Darüber hinaus ist jetzt das Bemühen um Gendergerechtigkeit im Aufgabenkatalog der FFA festgeschrieben.

Zu begrüßen sind auch die Neuerungen bei der Förderung selbst. Ein breites Bündel von Maßnahmen, insbesondere in der Projektfilm- und der Drehbuchförderung, zielt darauf, die Qualität der Projekte konsequent zu verbessern.

Wir sollten aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass mit der neuen Förderphilosophie deutlich weniger Projekte und vor allem weniger kleine Projekte in die FFA‑Förderung kommen werden. Deshalb bin ich auch froh, dass die Mittel für die kulturelle Filmförderung bei der BKM aufgestockt wurden.

Sehr gut ist es, dass bei der Tilgung von Projektfilmdarlehen jetzt sichergestellt ist, dass vorrangig die Erlösbeteiligungen der Urheber gemäß dem Urhebervertragsrecht zu bedienen sind. Das trägt zur Verbesserung der sozialen Lage der Urheber bei.

Noch besser wäre es gewesen, wenn der Regierungsentwurf zugleich den Vorschlag eines Erlöskorridors für die Produzenten aufgegriffen hätte. Ehrlich gesagt verwundert es mich, dass da nichts geschehen ist. Denn die damit verbundenen Vorteile sind offensichtlich: Die Urheber kämen früher in den Genuss der eben angesprochenen Beteiligungen. Es würde ein klarer Anreiz dafür gesetzt, dass die Produzenten Projekte verfolgen, die auch wirtschaftlich erfolgreich sind. Wir hätten damit eine gute Möglichkeit zur wichtigen Stärkung des Eigenkapitals der Produzenten. Zudem würde es der viel beklagten Filmschwemme entgegenwirken. Insgesamt könnten wir in unserem Bemühen um mehr Qualität im deutschen Film davon nur profitieren. Den Vorbehalten der um ihre Rückflüsse besorgten Verleiher könnten wir dadurch begegnen, dass wir einen solchen Korridor zunächst nur für die verleihgeförderten Projekte vorsehen. Ich denke jedenfalls, die Idee eines Korridors ist es allemal wert, dass wir zumindest in den nächsten fünf Jahren, die dieses Gesetz in Kraft sein wird, austesten, wie sich dies auswirkt.

(Beifall bei der SPD)

Weiterhin erfreulich im Gesetzentwurf: Die Förderung der Digitalisierung alter Filme steht nun erstmals als eigener Förderbereich im Gesetz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Auffassung, mit dem FFG soll nicht nur der deutsche Film gefördert werden, sondern auch der Kulturort Kino, für den diese Filme gemacht sind, geschützt werden. Da ist der Vorschlag des Bundesrates, das Auswertungsfenster der Kinos weiter zu verkürzen, eher kontraproduktiv. Gerade die Kinos in den kleineren Städten und die Programmkinos wären die Leidtragenden. Sie sind auf die bestehenden Fenster angewiesen. Gerade der Dokumentarfilm, auf den der Bundesrat abhebt, ist doch im Kino eher ein Langläufer. Sicherlich müssen wir berücksichtigen, dass sich das Nutzerverhalten weiter verändert. Deshalb sieht der Regierungsentwurf weitere Maßnahmen zur behutsamen Flexibilisierung vor. Ich denke, dieser Weg ist richtig, und wir sollten beobachten, was er bewirkt. Auf jeden Fall plädiere ich dafür, keine generelle Verkürzung der Fristen vorzunehmen, da es nur um bestimmte Filme geht. Der absehbare Schaden für viele Kinos verbietet das.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU])

Ich denke, dem Anliegen kann man auch untergesetzlich im Rahmen der Entscheidungspraxis der FFA über Verkürzungsanträge entsprechen.

Ein ganz anderes Anliegen der Dokumentarfilmer findet jedoch meine Zustimmung. Wir halten es für sinnvoll, dass die Zuschauer nichtgewerblicher Vorführungen bei der Referenzfilmförderung weiterhin mit berücksichtigt werden.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Johannes Selle [CDU/CSU] und Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Aus dem Gesetzentwurf wurde das gestrichen. Auch das werden wir bei der Anhörung im Ausschuss ansprechen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem Lob für den Regierungsentwurf ist auch ein klares Versäumnis festzustellen: Der Entwurf enthält keinen konkreten Vorschlag, wie die Einhaltung von sozialen Mindeststandards bei der Filmproduktion sichergestellt werden kann. Die Liste der Verstöße ist lang, und es handelt sich nicht nur um wenige Einzelfälle. Insgesamt scheint es in den vergangenen Jahren zwar weniger Probleme mit der Einhaltung der maximalen Arbeitszeit zu geben. Allerdings häufen sich die Klagen, dass geleistete Überstunden ohne die festgelegten Zuschläge vergütet werden oder dass vereinbarte Zeitkonten nicht zur Anwendung kommen. Nicht selten wird mit Pauschalverträgen der Tarifvertrag umgangen. Mir liegt es fern, hier die Produktionsbranche unter einen Generalverdacht zu stellen. Aber jeder einzelne Fall ist aus meiner Sicht ein Fall zu viel. Deshalb tritt die SPD-Fraktion entschieden dafür ein, dass Missstände bei öffentlich geförderten Filmproduktionen nicht hingenommen werden.

Wir reden nicht zum ersten Mal über dieses Thema. Anlässlich der letzten Novelle hat der Bundestag in seiner Beschlussempfehlung festgestellt, dass ihm die soziale Lage der Filmschaffenden ein besonderes Anliegen ist.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Merkt man!)

Zugleich wurde die Bundesregierung aufgefordert, darauf hinzuwirken, durch die FFA – ich zitiere – „die Einhaltung sozialer Mindeststandards bei der Produktion geförderter Projekte nachweislich und nachhaltig sicherzustellen“. Wie hat die Bundesregierung diese Aufforderung nun im vorliegenden Entwurf umgesetzt? Herausgekommen ist eine Formulierung, die sich leider nur im Begründungstext wiederfindet.

Wir brauchen jedoch eine präzise Aufgabenbeschreibung. Solange sie aber nur in den Begründungsteil abgeschoben ist, wird alles beim Alten bleiben. Diese Formulierung gehört in den Gesetzestext selbst, und zwar genau dorthin, wo die Aufgaben der FFA aufgezählt werden. § 2 kennt acht Aufgaben. Die Mitverantwortung für sozialverträgliche Bedingungen muss die neunte Aufgabe werden.

(Beifall bei der SPD)

Dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme genau diese Forderung aufgegriffen hat, hat mich gefreut. Das geschah fast einstimmig über alle Parteigrenzen hinweg. 15 von 16 Bundesländern haben die Notwendigkeit erkannt, dass mit dem FFG an dieser Stelle mehr für die Beschäftigten getan werden muss.

Seit vorgestern wissen wir: Die Bundesregierung will diesem Anliegen entsprechen. Das können wir nur begrüßen, aber damit sind wir noch nicht am Ende der Strecke. Denn das wäre nur der erste Schritt, und der zweite muss folgen. Nach unserer Auffassung ist im Gesetz zu präzisieren, auf welche Weise die FFA diese Aufgabe erfüllen kann.

Die FFA sollte nach unserer Meinung bei den antragstellenden Unternehmen erheben, ob bei der Produktion eine Tarifbindung vorliegt und ob die Einhaltung der entsprechenden Regelungen gewährleistet ist. Wir wollen die FFA nicht zur Tarifpolizei machen. Dazu hat sie keine Befugnis und auch nicht die personellen Kapazitäten.

Ich möchte betonen: Nach unserem Vorschlag ist nicht die Einhaltung sozialer Mindeststandards selbst Voraussetzung für die Förderung. Denn wir wissen, dass nicht zuletzt die EU-Entsenderichtlinie dem entgegensteht. Fördervoraussetzung soll allein die Angabe sein, ob der Tarifvertrag für die jeweilige Produktion gilt oder nicht. Ich denke, das ist der richtige Weg. Darüber sollten wir auch in der Anhörung noch einmal reden.

Ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns dieses Mal gemeinsam das ungelöste Problem anpacken, das wir bisher von Novelle zu Novelle immer vor uns her geschoben haben. Denn das zentrale Anliegen dieses Gesetzes ist die Qualitätssicherung beim deutschen Film. Dazu finden sich viele gute Maßnahmen im Regierungsentwurf. Wir können das aber noch besser machen, wenn wir uns für faire und sozialverträgliche Bedingungen am Set einsetzen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Tabea Rößner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6890980
Wahlperiode 18
Sitzung 174
Tagesordnungspunkt Filmförderungsgesetz
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