03.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 174 / Tagesordnungspunkt 30

Daniela KolbeSPD - DDR-Renten-Überleitungsrecht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss der Sitzungswoche diskutieren wir drei Anträge der Fraktion Die Linke. Deren Inhalt war bereits mehrfach Thema hier im Plenum. Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass wir dieses Thema erneut diskutieren. Es ist ja für viele Menschen von großer Bedeutung.

Sie haben einen Antrag zum Thema Mütterrente in Ostdeutschland und zum niedrigeren Rentenwert eingebracht. In den zwei anderen Anträgen geht es um Gruppen, die durch die Rentenüberleitung, also die Zusammenführung der beiden Rentensysteme in Ost und West, Regelungen verloren haben, mit denen sie im DDR-Rentenrecht bessergestellt worden waren, und zwar aus nachvollziehbaren Gründen, nämlich wegen der Gesundheitsgefährdung und der Belastungen der Betroffenen bei der Arbeit. Zum einen sind das die Bergleute in der Braunkohleveredlung und zum anderen die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR.

Viele hier im Plenum, die an diesem Freitagnachmittag noch da sind, haben schon zahlreiche Gespräche mit Betroffenen geführt. Auch ich habe das getan und werde das weiterhin tun. Bei aller Sympathie für die Anliegen plädiere ich für eine sehr ehrliche Debatte. Diese ehrliche Debatte führt für uns als Sozialdemokraten dazu, dass wir den drei Anträgen in der vorliegenden Form nicht zustimmen können, sondern sie ablehnen werden.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Und in einer anderen Form?)

Das will ich kurz ausführen, zunächst zur Mütterrente. Die Verbesserungen bei der Mütterrente, also die Einführung des zusätzlichen Rentenpunktes, war für diese Große Koalition ein Riesenerfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Aber nicht für die 6 500 Frauen!)

Gut, wir als SPD hätten diese Maßnahme gerne anders finanziert; das sei auch jetzt bei diesem Thema noch einmal erwähnt. Aber es bleibt ein großer Erfolg.

Der von der Linken beschriebene Unterschied kommt dadurch zustande, dass wir nach wie vor unterschiedliche Rentenwerte haben: Der Rentenwert in Westdeutschland liegt höher als der in Ostdeutschland. In Ostdeutschland haben wir dafür einen Höherwertungsfaktor; damit ist ein Rentenpunkt leichter zu erwerben.

Wir sagen deshalb: Wir wollen die pauschal bewerteten Versicherungszeiten jetzt nicht unmittelbar höher bewerten. Wir hatten das in unserem Regierungsprogramm stehen, haben uns damit aber nicht durchsetzen können. Vielmehr wollen wir jetzt den Weg gehen – darauf konnten wir uns mit unserem Koalitionspartner verständigen –, die Rentenwerte weiter anzunähern, also die Angleichung der Rentensysteme zu erreichen.

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Birkwald zu, Frau Kolbe?

Aber natürlich, wenn es schnell geht.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Drei Minuten! – Katja Kipping [DIE LINKE]: Wenn es mit der Angleichung genauso schnell geht!)

Vielen herzlichen Dank. – Frau Kollegin Kolbe, weil Sie das selber schon erwähnt haben, sage ich vorneweg: Vor zwei Tagen sind 110 000 Unterschriften für eine gerechte Mütterrente vom Sozialverband Deutschland, von der Volkssolidarität, vom Deutschen Frauenrat und von Verdi übergeben worden. Die 110 000 Unterzeichner können nämlich alle nicht verstehen, dass ein Kind im Osten, zum Beispiel in Leipzig, wo Sie herkommen, in der Rente weniger wert sein soll als ein Kind im Westen, wie in Köln, wo ich herkomme. 110 000 Unterschriften!

Ich darf Ihnen sagen: Von meiner Fraktion mit 64 Abgeordneten haben 62 Abgeordnete unterschrieben. Der Bundesgeschäftsführer unserer Partei und unser Parteivorsitzender haben ebenfalls unterschrieben.

Jetzt frage ich Sie: Wie viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen von der SPD haben diesen Aufruf unterschrieben? Dazu will ich Ihnen einen kurzen Text vorlesen. Denn Sie, Frau Kolbe, Frau Staatssekretärin Kramme und fünf weitere Abgeordnete, die heute im Hohen Haus anwesend sind, haben vor nicht allzu langer Zeit den Deutschen Bundestag aufgefordert, bei Versicherungszeiten, die im Rahmen eines sozialen Ausgleichs bzw. als Anerkennung für gesellschaftliche Leistungen bewertet werden, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass künftig für – jetzt kommt es – Kindererziehungszeiten, aber auch für Versicherungszeiten für pflegende Angehörige, Zeiten des Wehr- und Zivildienstes und Zeiten der Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen der aktuelle Rentenwert zugrunde gelegt wird. Das war in der vergangenen Legislaturperiode. Warum verfolgen Sie das nicht weiter? Wenn Sie sich schon nicht gegen die Union, die noch nie etwas für Mütter im Osten übrig hatte,

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Grundgesetz! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja übel!)

durchsetzen können, haben Sie dann wenigstens dafür gesorgt, dass viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen bei dieser guten Unterschriftenaktion mitgemacht haben?

(Beifall bei der LINKEN)

Danke für die Zwischenfrage. – Erstens will ich klarstellen: Für uns als SPD ist die Erziehung von Kindern gleich viel wert, egal ob im Osten, Westen, Norden oder Süden dieses Landes.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: In der Praxis nicht!)

Deswegen wollen wir diese Angleichung hinbekommen.

Zweitens. Iris Gleicke hat meines Wissens die Unterschriften entgegengenommen. Wir als SPD sind als Regierungsfraktion Adressat dieser Forderung und fühlen uns auch verpflichtet, uns dafür einzusetzen. Wir hatten das in unser Regierungsprogramm aufgenommen. Wir hatten vorgeschlagen, die pauschal bewerteten Versicherungszeiten sofort anzugleichen, haben uns aber damit nicht durchsetzen können. Das ist in einer parlamentarischen Demokratie manchmal so.

Wir gehen deswegen einen anderen Weg, nämlich den der Angleichung der Rentensysteme. An dieser Stelle will ich das mit Blick auf die Union ein bisschen deutlicher formulieren: Da auch unser Koalitionspartner gute Mütter und Väter in seinen Reihen hat, haben wir uns darauf verständigt, die Angleichung der Rentensysteme in Ost und West hinzubekommen. Genau das werden wir auch tun. Dieses Jahr geht es los. In diesem Sinne werden wir genau die Forderung erfüllen, dass die Erziehungszeiten in Ost und West gleich viel wert sein müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie haben einen zweiten Aspekt zum Thema Mütterrenten angesprochen, und zwar den Übergangszuschlag bei den sehr hochbetagten Frauen, der dazu führt, dass diese Frauen sowohl von den Änderungen bei der Mütterrente nicht unbedingt profitieren – je nachdem, wie hoch der Zuschlag ist – und sie auch so lange nicht von Rentenerhöhungen profitieren, wie der Zuschlag diese Erhöhungen übersteigt.

Wir haben die Rentenreform 2014 ganz bewusst im Rahmen des bestehenden Rentenrechts gestaltet. Das führt an der einen oder anderen Stelle tatsächlich dazu, dass Menschen, die sich etwas von der Mütterrente erhofft haben, nicht so massiv in ihren Genuss kommen wie erwartet. Aber es war eine bewusste Entscheidung. Entweder erkennt man die Wirkungsweise des Rentensystems an, oder man macht für alles und jedes eine Ausnahme. Wir haben uns an der Stelle dazu entschieden, in der Rentensystematik zu bleiben und eine ehrliche Debatte zu führen.

Was die Anträge zu den Bergleuten und den Beschäftigten im Gesundheitswesen angeht, sind die Hintergründe schon ausgeführt worden. Wie bei den meisten anderen Fällen ist es so, dass die Sachverhalte vor Gerichten ausverhandelt sind. Aber Sie haben natürlich recht: Politische Lösungen sind möglich. Da gibt es unterschiedliche Ansätze.

Die Linke sagt: Wir regeln jede Gruppe einzeln und geben den Forderungen nach. – Das hat den Nachteil, dass man an verschiedenen Stellen zu Ungerechtigkeiten gegenüber bestimmten westdeutschen Gruppen oder auch anderen ostdeutschen Gruppen kommt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir hatten einen Antrag, wo alle drin waren! Den haben Sie als SPD abgelehnt!)

Wir als SPD haben einen anderen Ansatz. Wir wollen einen Härtefallfonds auflegen. Denn – da bin ich, glaube ich, anderer Auffassung als Kollegin Schimke – es sind reale Ungerechtigkeiten entstanden; es sind massive Härtefälle entstanden, weil sich Menschen auf das DDR-Rentenrecht verlassen haben und dann durch Wegfall von Regelungen sozial wirklich heruntergefallen sind. Wir wollen deswegen einen steuerfinanzierten Härtefallfonds auflegen für diejenigen, für die durch die Rentenüberleitung besondere soziale Härten entstanden sind. Das wird einige Bergleute betreffen, aber noch mehr die Krankenschwestern oder die in der DDR geschiedenen Frauen, die alle davon profitieren können.

Das ist ein Ansatz, der sozialen Frieden schafft und der vor allen Dingen keine neuen Ungerechtigkeiten hervorruft. Für diesen Fonds streiten wir.

Abschließend will ich noch einmal sagen: Wir als SPD stehen zu unserer Verantwortung. Wir stellen uns auch immer wieder der Debatte mit Betroffenen und auch hier im Plenum. Wir wollen – das ist Punkt eins – die zügige Rentenangleichung in Ost und West. Das steht im Koalitionsvertrag, und das wissen wir als SPD auch. Darauf werden wir pochen, und das werden wir ganz genau begleiten.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bald ist die Koalition zu Ende!)

– Aber im Koalitionsvertrag steht ein Datum, das noch in der Zukunft liegt. Das werden Sie zugestehen, Herr Kurth, dass wir an der Stelle noch nicht im Verzug sind. Richtig?

Und wir wollen – Punkt zwei – einen Härtefallfonds für die Gruppen, die durch die Rentenüberleitung gravierende Nachteile erfahren haben. Das steht nicht im Koalitionsvertrag. Da konnten wir uns nicht durchsetzen. Für uns bleibt das Thema dennoch auf der Agenda, und wir werden weiter dafür kämpfen und streiten, auch streiten, dass wir dafür Mehrheiten gewinnen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Peter Weiß von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6891046
Wahlperiode 18
Sitzung 174
Tagesordnungspunkt DDR-Renten-Überleitungsrecht
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