03.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 174 / Tagesordnungspunkt 30

Peter WeißCDU/CSU - DDR-Renten-Überleitungsrecht

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wenn man diese Debatte richtig verstehen will, muss man einfach einmal zurückgehen zur Rentenüberleitung. Es ist so gewesen, wie es der Kollege Kurth von den Grünen erklärt hat: Man hat das westdeutsche Rentenrecht dem gesamtdeutschen Rentenrecht zugrunde gelegt, ein Rentenrecht, das bekanntermaßen so ausgestaltet ist: Es ist lohn- und beitragsbezogen. Für das, was ich in die Rente einzahle, bekomme ich eines Tages ein entsprechendes Äquivalent als Rente ausgezahlt. Das ist auch das, was die Bürgerinnen und Bürger, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als gerecht empfinden, nämlich dass ihre Rente, wenn sie viel eingezahlt haben, höher ist, als wenn sie weniger eingezahlt haben.

Das DDR-Rentenrecht war im Gegensatz dazu etwas ganz, ganz anderes, nämlich ein Rentenrecht mit vielerlei Sonderregelungen, Zusatzversorgungssystemen, Zuschlägen, Abschlägen usw. usf. Es ist aufgehoben worden in dem gesamtdeutschen Rentenrecht, das so funktioniert, wie ich es erklärt habe.

Der Effekt war – deswegen ist es so gemacht worden –, dass die Rentnerinnen und Renten im Osten nicht benachteiligt werden. Hätte man das alte Recht beibehalten – um es einmal klar und deutlich zu sagen –, würde die große Masse der Rentnerinnen und Rentner im Osten Deutschlands Hunger leiden und wäre auf staatliche Unterstützung angewiesen, weil diese Minirente im Osten niemals zum Leben ausreichen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Darum geht es doch gar nicht!)

Es war das Beste, was den Rentnerinnen und Rentnern im Osten geschehen konnte, dass sie in dieses gesamtdeutsche Rentenrecht übergeleitet worden sind, das eben beitragsbezogen ist und das sich an der Lohnentwicklung orientiert und dynamisch ausgestaltet ist. Deswegen sind, wenn man es sich genau anschaut, die Rentnerinnen und Rentner im Osten die eigentlichen Gewinner der deutschen Einheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist möglich geworden durch eine großartige Solidarleistung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Letztlich – um es einmal klar und deutlich zu sagen – haben die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler im Westen mit ihren Beiträgen mitgeholfen, dass wir diese Renten auszahlen konnten, die nach der deutschen Einheit im Osten möglich geworden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich finde, in einer solchen Debatte sollten wir als Politiker als Allererstes ein herzliches Dankeschön für diese großartigen Solidarleistungen der Rentenbeitragszahlerinnen und -beitragszahler in Deutschland sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

In ganz Deutschland, auch im Westen, gibt es Berufe mit unterschiedlichen Anforderungen, unterschiedlichen Gefährdungsstufen und unterschiedlicher körperlicher Belastung. Aber jeder weiß: Es gibt keine Sonderrechte, kein gesondertes Rentenrecht für jeden einzelnen Beruf, sondern ein solidarisches und soziales Rentenrecht für alle. Daran sollten wir festhalten. Die Linke will das ändern. Sie will das gesamtdeutsche Rentenrecht zerschießen und wieder Sonderregelungen für einzelne Berufsgruppen einführen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Beim Schießen kennen Sie sich aus! Ich war nicht bei der Bundeswehr! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das war wieder ein ganz sachlicher Beitrag!)

Da man das Schicksal der Mütter und der Frauen beklagt, gibt es – das muss man ganz ehrlich sagen – aus westdeutscher Sicht auch etwas anzumerken. Die durchschnittliche Rente der Frauen im Westen liegt bei 44 Prozent der durchschnittlichen Rente der Frauen im Osten. Klar, das hat Gründe: Im Westen wurde ein anderes Familienmodell praktiziert. Die Frauen im Westen sind aus dem Beruf ausgestiegen, wenn sie Kinder bekommen haben. Das alles ist vollkommen richtig. Die Rente ist nun einmal lohn- und beitragsbezogen. Wenn man aber hier das Hohelied der Erziehungsleistungen der Frauen anstimmt, dann könnte man auch über eine Sonderregelung für Frauen im Westen nachdenken, um deren Nachteile heutzutage auszugleichen. Wenn Sie so argumentieren, dann sollten Sie einen entsprechenden Antrag stellen.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Dann können Sie ja einen Vorschlag machen!)

Das machen Sie natürlich nicht, weil Sie eine reine Ostpartei sind und Sie deswegen das Schicksal der Frauen im Westen gar nicht interessiert.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Herr Weiß, Sie waren schon gestern unterirdisch! Aber heute wissen Sie, dass Sie richtig lügen!)

Nun zur Mütterrente. Es waren Helmut Kohl und Norbert Blüm, die im Jahr 1986 dafür gesorgt haben, dass es zum ersten Mal im deutschen Rentenrecht für Erziehungsleistungen einen zusätzlichen Entgeltpunkt, also einen zusätzlichen Rentenpunkt, gibt. Im Osten, in der DDR, ist zu dem Thema überhaupt nichts passiert. Es war die Union, die in ihrem Wahlprogramm 2013 gesagt hat: Wir wollen als prioritäres Anliegen im Fall der erneuten Regierungsübernahme dafür sorgen, dass aus diesem einen Entgeltpunkt zwei Entgeltpunkte für all die Mütter werden, deren Kinder vor 1992 geboren sind. Wir haben das auch durchgesetzt. Nun wissen die Frauen in ganz Deutschland: Mütterrente ist eine Regelung, die sie in erster Linie der Union verdanken, weil die Union für diese Lösung gekämpft hat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Erde ist eine Scheibe!)

Ich will mich natürlich bei den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen bedanken, dass wir das gemeinsam in der Koalitionsvereinbarung festgelegt und auch prompt umgesetzt haben.

Natürlich lässt sich das Problem der Mütterrente – wie dargelegt – am ehesten lösen, wenn wir, was den Rentenwert und die Bemessung der Renten angeht, zu einem einheitlichen System in ganz Deutschland übergehen; das ist vollkommen richtig. Deswegen haben wir das so im Koalitionsvertrag festgelegt. Aber ich will noch einmal darauf hinweisen, wo das Problem besteht. Derzeit werden die von einem Erwerbstätigen im Osten Deutschlands während des Arbeitslebens erreichten Entgeltpunkte, also seine Rentenansprüche, um 16 Prozent hochgewertet. Diese Höherwertung der Entgeltpunkte bringt denjenigen, die demnächst im Osten Deutschlands in Rente gehen, mehr Rente als das von Herrn Kurth vorgeschlagene System, das vorsieht, diese Höherbewertung zu beenden und dafür den Rentenwert anzugleichen. Die Differenz zwischen dem Rentenwert Ost und dem Rentenwert West ist deutlich geringer als die 16-prozentige Höherwertung. Hier besteht das eigentliche Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir – mutig, wie wir sind – im Bundestag kurzerhand beschließen würden, die Höherwertung zu beenden und die Rentenwerte in Ost und West anzugleichen, sodass der Zahlbetrag für jeden Arbeitnehmer in Ost und West gleich wäre, wäre dies für viele Mitbürgerinnen und Mitbürger im Osten, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, ein Minusgeschäft. Deswegen haben wir uns bisher an diese Problematik nur vorsichtig herangewagt. Man muss jedenfalls den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit sagen, was solche Vorschläge für sie finanziell konkret bedeuten.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun wir!)

Wir wollen ein gemeinsames Rentenrecht in Ost und West. Wir wollen die Diskussion darüber, ob ein Kind im Osten uns weniger wert ist als eines im Westen, beenden und alle gleich behandeln. Aber das muss so geschehen, dass es dabei keine große Zahl an Verliererinnen und Verlierern gibt. Wir wollen deswegen einen vernünftigen Übergang und kein Hauruckverfahren, das sich manche wünschen, dessen Konsequenzen sie aber nicht bedenken.

Zum Schluss: Es bleibt ein großartiges historisches Verdienst unserer damaligen Bundestagskolleginnen und -kollegen, diese Rentenüberleitung geschafft zu haben und ein Rentenrecht geschaffen zu haben, von dem vor allem die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Rentnerinnen und Rentner im Osten Deutschlands profitieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Frau Kipping erhält das Wort zu einer Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6891100
Wahlperiode 18
Sitzung 174
Tagesordnungspunkt DDR-Renten-Überleitungsrecht
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