09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 176 / Tagesordnungspunkt 3

Uli GrötschSPD - Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Tempel, der Gesetzentwurf, der heute zur ersten Beratung ansteht, ist kein Selbstzweck. Das Letzte, was man dieser Koalition im innenpolitischen Bereich vorwerfen kann, ist, dass wir die Bundespolizei nicht konsolidieren. Wir schaffen in den nächsten Jahren 3 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei. 1 000 Stellen pro Jahr! Das ist die maximale Anzahl an neu einzustellenden und auszubildenden Bewerbern, die die Bundespolizei überhaupt schaffen kann.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fällt Ihnen aber spät ein!)

Das trägt in einem enormen Maß zur Entlastung der Bundespolizei bei. Dabei nenne ich noch nicht einmal die Verbesserung der Sachausstattung, die wir darüber hinaus bei der Bundespolizei vornehmen. Was den innenpolitischen Bereich betrifft, so ist uns in dieser Koalition die Bundespolizei ein zentrales Anliegen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es geht bei diesem Gesetz auch nicht um das Datensammeln; es geht um den Datenaustausch. Es geht um die Optimierung der Verwendung der Daten und nicht darum, noch zusätzlich Daten zu sammeln; denn während wir hier reden, während wir hier debattieren, nutzen Terroristen ohne Frage soziale Medien und alle anderen Kommunikationswege, um Geld, Unterstützung und Anhänger zu gewinnen und um Anschläge zu planen. 300 Syrien-Rückkehrer alleine in Deutschland, Tendenz leider steigend.

Dieser Gesetzentwurf, der hier zur ersten Beratung steht, ist eine unserer vielen guten Maßnahmen als Antwort auf diese Bedrohungslage. Wesentlicher Bestandteil des Gesetzespaketes ist es, dass wir eine Rechtsgrundlage schaffen. Wir haben schon eine Menge aus den Snowden-Enthüllungen gelernt. Wir schaffen einen klaren rechtlichen Rahmen dafür, dass unsere Nachrichtendienste mit ausländischen Partnerdiensten gemeinsame Dateien errichten können und damit wichtige Informationen über Terroristen austauschen – nicht sammeln – können.

Es ist eigentlich kaum vorstellbar: Während Terroristen perfekt vernetzt sind, sind es die Nachrichtendienste eben nicht. Das werden wir mit diesem Gesetz ändern. Wir werden den Diensten somit ein zentrales Instrument im Kampf gegen den internationalen Terrorismus an die Hand geben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Weil schon Horrorszenarien kursieren: Wir wollen doch keine Informationen mit Ländern wie etwa Syrien, Nordkorea oder ähnlichen Staaten austauschen. Hier geht es um den Austausch mit den europäischen Nachbarn und um den Austausch mit NATO-Partnern.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da eben so nicht drin!)

– Ich komme gleich noch darauf zu sprechen. – Es geht darum, Anschläge wie in Paris und Brüssel zu verhindern und um nichts anderes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Machen wir uns nichts vor: Wir sind nach wie vor oder vielleicht sogar so sehr wie noch nie im Fadenkreuz von Terroristen. Erst letzte Woche ist es den Sicherheitsbehörden wieder gelungen, eine Terrorzelle, die in Düsseldorf ein Blutbad mit möglichst vielen Opfern plante, durch Festnahmen in drei Bundesländern auszuheben. Auch in diesem Fall war der Austausch zwischen Deutschland und Frankreich ein elementar wichtiger Aspekt, um zum Erfolg kommen zu können. Das zeigt: Unsere Sicherheit in Deutschland ist in den besten Händen.

Auch ich schließe mich dem Dank an diejenigen an, die jeden Tag dafür sorgen, dass wir uns in Deutschland so sicher fühlen können, wie das der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Auch denen danke ich – lassen Sie mich das noch dazu sagen –, die richtigerweise im präventiven Bereich alles für unsere Sicherheit tun. Das sind nicht die, die immer im Rampenlicht stehen, das sind auch nicht die, über die in den Medien groß berichtet wird, sondern das sind diejenigen, die in diesem Bereich eine unschätzbar wichtige Arbeit leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Die derzeitige Situation zeigt uns aber auch: Alles, was diese Koalition in den letzten Monaten zur Ertüchtigung unserer Sicherheits- und Ermittlungsbehörden gemacht hat, besteht den Praxistest. Dass sich unsere Maßnahmen bewähren, ist Fakt. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir für alle Zeiten in Deutschland einen Anschlag ausschließen können. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, nirgends auf der Welt; aber es ist unser Bestreben und wir sind auf einem wirklich guten Weg, das Maximale dafür zu tun, dass sich die Menschen auch in Deutschland in Zukunft sicher fühlen können.

Sicherlich ist jede Befugniserweiterung für unsere Sicherheitsbehörden immer eine Gratwanderung: Freiheit auf der einen und Sicherheit auf der anderen Seite. Das eine schließt aber das andere nicht aus, wenn bei den Befugniserweiterungen mit Augenmaß agiert wird. Wir werden im Fortgang dieses Gesetzgebungsverfahrens darauf achten, dass auch bei diesem Gesetz mit sehr viel Augenmaß vorgegangen wird.

Vieles halte ich schon in diesem Entwurf für umgesetzt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz etwa darf zum Beispiel erst dann eine gemeinsame Datei mit einem ausländischen Nachrichtendienst einrichten, wenn das Bundesministerium des Innern zugestimmt hat. Bei Ländern, die nicht in der EU sind und die nicht NATO-Mitglied sind, muss der Bundesinnenminister persönlich zustimmen. Das heißt, der politisch Verantwortliche, also der Innenminister, ordnet die Einrichtung einer solchen Datei an und nicht etwa das Bundesamt für Verfassungsschutz in Eigenregie. Ich glaube, das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Weiter noch: Der teilnehmende Staat, mit dem das Bundesamt für Verfassungsschutz eine gemeinsame Datei errichtet, muss rechtsstaatliche Prinzipien gewährleisten, und es gelten nach diesem Gesetz unsere deutschen Datenschutzbestimmungen bei der Datenweitergabe und nichts anderes.

Wir haben in diesem Gesetz solche und weitere Vorkehrungen getroffen, weil wir natürlich keineswegs blauäugig sind. Wir wissen, dass man vielleicht sogar innerhalb Europas bei dem einen oder anderen Land, bei dem einen oder anderen Nachrichtendienst etwas genauer hinschauen muss. Ebendeshalb haben wir diese Regelung ins Gesetz aufgenommen.

Aber ich sage Ihnen auch ganz klar: Wer glaubt, dass es zur intensiven Zusammenarbeit mit europäischen Partnerdiensten oder mit den Partnerdiensten der NATO-Staaten eine Alternative gibt, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

(Beifall der Abg. Gabriele Fograscher [SPD] – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt auch niemand, den ich kenne!)

Vorrangig geht es bei den gemeinsamen Dateien um die Beobachtung und die Aufklärung von dschihadistischen Strukturen und Netzwerken, die eben staatsübergreifend agieren und dynamisch sind.

Um noch ein Beispiel zu nennen: Wir wollen auch Cyberangriffen wirksam entgegentreten. Ein Cyberangriff auf unsere kritischen Infrastrukturen, etwa auf unsere Wasserversorgung oder auf unsere Stromversorgung, kann mindestens genauso verheerend sein wie ein realer Terrorangriff. Damit wir entsprechende Bestrebungen aufklären und abwehren können, haben wir auch für diese und ähnliche Fälle die Errichtung gemeinsamer Dateien ermöglicht.

In diesem Gesetzentwurf wollen wir aber auch weitere Sicherheitslücken in der Terrorismusbekämpfung schließen, die sich seit einiger Zeit aufgetan haben. Künftig verpflichten wir etwa die Anbieter von Telekommunikationsdiensten, die Identität von Kunden mittels Lichtbildausweis beim Kauf einer Prepaidkarte zu überprüfen. Eigentlich ist das – das war bei uns im Land auch schon einmal der Fall – eine Selbstverständlichkeit. Das ist es in diesen Tagen nicht mehr, und deshalb schließen wir auch diese Lücke. Ich weiß wohl, dass das auch mit Aufwand für die Wirtschaft verbunden ist. Aber ich denke, die Sache ist es wert. Sie ist es wert, dass auch die Telekommunikationsunternehmen ihren Beitrag zur Sicherheit in diesem Land leisten.

Aber ein Problem bleibt natürlich: Wer eine anonyme Prepaidkarte haben will, der kauft sie sich etwa in Österreich oder in den Niederlanden. Deshalb wollen wir hier praktisch mit gutem Beispiel vorangehen. Aber der zweite und wichtigere Schritt des Bundesinnenministers ist es jetzt, auch die anderen EU-Staaten von einer europäischen Regelung zu überzeugen, weil uns das Ganze sonst nur in sehr beschränktem Ausmaß etwas nützt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Ergänzung, an die wir mit Besonnenheit und Augenmaß herangehen, betrifft die gemeinsamen Projektdateien von Polizeien und Nachrichtendiensten in Deutschland. Deren Zusammenarbeit und Informationsaustausch bei der Terrorbekämpfung ist unverzichtbar. Ich glaube, darauf muss man in diesem Haus nicht extra eingehen. Dass wir nun die Höchstdauer einer gemeinsamen Projektdatei um ein Jahr auf dann fünf Jahre erweitern, zeigt auch, dass wir in diesem Bereich mit sehr viel Augenmaß vorgehen.

Ein Satz noch zum Thema „verdeckte Ermittler bei der Bundespolizei“. Ich bin schon der Meinung, lieber Kollege Tempel, dass illegale Migration – zumindest in diesen Tagen, eigentlich aber schon immer – mit all ihren abscheulichen Erscheinungsformen eine der schrecklichsten, zugleich aber leider auch lukrativsten Formen der organisierten Kriminalität ist. Wir tun gut daran, die Bundespolizei dagegen handlungsfähig zu machen.

Ich komme zum Schluss. Wir werden diesen Gesetzentwurf natürlich im weiteren Fortgang auch mit Experten in einer Anhörung beraten; noch vor der Sommerpause wollen wir ihn verabschieden. Das ist ein straffer Zeitplan – ja –; aber ich glaube, das ist machbar. Der enormen Bedeutung der Sache würde eine schnelle Verabschiedung jedenfalls gerecht werden. Deshalb bitte ich Sie bereits jetzt sehr herzlich um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Mihalic das Wort.

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