09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 3

Stephan MayerCDU/CSU - Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr verehrte Kollegen! Ich möchte mich, liebe Frau Kollegin Mihalic, in aller Deutlichkeit gegen Ihren Vorwurf verwahren, dass dieser Gesetzentwurf, den wir heute beraten, mit heißer Nadel gestrickt ist.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal ein Argument!)

Das stimmt einfach nicht. Dieser Gesetzentwurf ist gründlich und intensiv vorbereitet worden, und wir werden auch dieses Gesetzgebungsverfahren mit der erforderlichen Gründlichkeit und Seriosität durchführen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zur Wahrheit gehört auch dazu, dass wir es mit einer enorm angespannten Bedrohungssituation zu tun haben. Deutschland ist im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus, genauso wie es Belgien, Großbritannien und Frankreich sind.

Um es klar zu sagen: Wir dürfen hier nicht zu viel Zeit verlieren. Wir haben es ja in den letzten Monaten erlebt: am 13. November der schreckliche Anschlag in Paris, am 12. Januar der Anschlag in Istanbul, dem elf deutsche Staatsangehörige zum Opfer gefallen sind,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie regieren seit zwölf Jahren!)

am 22. März der Anschlag in Brüssel mit zahlreichen Todesopfern. Was in Brüssel, was in Paris, was in Istanbul, was in Madrid geschehen ist, kann auch jeden Tag in München, in Frankfurt oder hier in Berlin passieren.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Düsseldorf!)

Wir sind in der Verantwortung und müssen deshalb für unsere Sicherheitsbehörden die adäquaten und erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen.

Ich möchte auch deutlich dem Eindruck entgegentreten, dass wir erst heute mit dem Kampf gegen den islamistischen Terrorismus beginnen. Wir haben in den letzten 18 Monaten gesetzgeberisch vieles erheblich verbessert und deutlich vorangebracht: Wir haben die Voraussetzung geschaffen, dass im Bereich der Terrorismusfinanzierung die Strafbarkeitsgrenze wesentlich schneller überschritten ist. Auch die geplante Ausreise in den Dschihad ist wesentlich frühzeitiger strafbar. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass ausreisewilligen Dschihadisten der Reisepass oder der Personalausweis entzogen werden kann. Wir haben das Bundesverfassungsschutzgesetz novelliert. Wir haben die Mindestspeicherfristen zumindest in abgeschwächter Form wieder eingeführt.

Unsere Sicherheitsbehörden – um dies hier deutlich zu sagen – sind gut aufgestellt im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Man muss aber hinzufügen, dass es an der einen oder anderen Stelle durchaus noch Verbesserungsbedarf gibt. Und wenn wir jetzt darüber debattieren, unser Bundesamt für Verfassungsschutz in die Lage zu versetzen, gemeinsame Dateien mit befreundeten ausländischen Nachrichtendiensten einzurichten, dann hat dies nichts mit einer uferlosen Ausspähung und Sammlung von Daten zu tun, sondern dies gehorcht klaren rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und Prinzipien.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie bei jedem Ihrer verfassungswidrigen Gesetze!)

Um auch einem anderen Vorwurf den Wind aus den Segeln zu nehmen: Von Ihrer Seite, Herr von Notz, wurde uns ja vorgeworfen, dass diese gemeinsamen Dateien möglicherweise auch mit Schurkenstaaten geführt werden. Das stimmt einfach nicht. Schauen Sie doch bitte einmal in den Gesetzentwurf. Darin steht ausdrücklich, dass alle teilnehmenden Staaten grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien genügen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie unsere NATO-Partner! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Und die Türkei?)

Das steht da ausdrücklich drin. Eine gemeinsame Datei mit Syrien, mit Libyen oder mit Ägypten gibt dieses Gesetz also nicht her.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte der Innenminister mal sagen sollen! Das hat er nicht gesagt!)

Dieses Gesetz ermöglicht gemeinsame Dateien mit EU-Mitgliedsländern, mit NATO-Mitgliedsländern, mit benachbarten Ländern und darüber hinaus mit anderen Ländern, aber nur unter der Voraussetzung, dass diese grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien gewährleisten, und das Ganze steht unter dem persönlichen Genehmigungsvorbehalt des Bundesinnenministers.

Herr Kollege Mayer, darf der Kollege Tempel eine Zwischenfrage stellen?

Selbstverständlich, sehr gerne.

Herr Kollege Mayer, da Sie das gerade ausführen – ich habe ja auch in meiner Rede darauf Bezug genommen –: Was ist denn mit dem NATO-Partner Türkei? Wie stufen Sie den ein? Sie haben hier ja NATO-Partner aufgezählt und gesagt, dass unsere Argumente nicht stimmen.

Herr Tempel, ich danke Ihnen herzlich für diese Frage, weil sie mir die Möglichkeit gibt, noch einmal klar zu konkretisieren, welche Möglichkeiten durch dieses Gesetz geschaffen werden, und festzustellen, dass aber auch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

(Zuruf von der LINKEN: Frage beantworten!)

Ihre Frage bezüglich der Türkei ist klar so zu beantworten, dass natürlich gewährleistet sein muss, dass das teilnehmende Partnerland grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien einhält.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch kleiner kann man es ja nicht formulieren!)

Ob dies in der Türkei der Fall ist oder nicht, dahinter mache ich gerade auch im Lichte der Entwicklungen in den letzten Monaten ein klares Fragezeichen. Aber um eines klar zu sagen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist aufgrund dieser rechtlichen Befugnis nicht verpflichtet, gemeinsame Dateien mit allen NATO-Mitgliedsländern zu führen, sondern es gibt die Möglichkeit dazu.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss das ja gar nicht machen!)

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kautelen, dass die Rahmenbedingungen, dass die Voraussetzungen ausreichend eng gestrickt sind, um klar zu verhindern, dass personenbezogene Daten in falsche Hände geraten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Einsatz von verdeckten Ermittlern. Das ist schon erwähnt worden. Insbesondere Schleuserbanden arbeiten sehr konspirativ, sehr abgeschottet. Es ist meistens nur möglich, mit verdeckten Ermittlern in diese Banden einzudringen. Deswegen ist es zeitgemäß und überfällig, dass auch die Bundespolizei in die Lage versetzt wird, verdeckte Ermittler im präventiven Bereich zur Gefahrenabwehr einzusetzen.

Auch die Verschärfungen bei den Prepaidkarten sind vollkommen sachgerecht und angemessen. Die Erfahrung hat gezeigt: Wenn Terroristen im Vorfeld mit Mobilfunktelefonen telefoniert haben, dann haben sie das ausschließlich mit Prepaidkarten gemacht. Es gebietet daher die Seriosität, dass wir den Telekommunikationsdienstleistern die Verpflichtung auferlegen, dass sie sich ein Personalausweisdokument, ein Legitimationspapier von den Kunden vorlegen lassen, um zu verifizieren, wer der Kunde tatsächlich ist.

Jetzt kommt der Vorwurf: Na ja, das bietet doch keine hundertprozentige Sicherheit. Man kann sich doch auch in Österreich oder in den Niederlanden eine Prepaidkarte besorgen, ohne dass die Identität festgestellt wird. – Das mag sein. Aber ich sage, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir als nationaler Gesetzgeber haben die Verantwortung und die Verpflichtung, unsere Sicherheitsbehörden so auszustatten, dass sie das Menschenmögliche unternehmen können, um einen Anschlag in Deutschland zu verhindern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es muss doch verhältnismäßig bleiben!)

Deshalb ist der Hinweis, dass es Umgehungstatbestände gibt und dass man ausweichen kann, für mich noch kein sachgerechtes Argument, hier nicht entsprechend nachzubessern und die klare gesetzliche Verpflichtung aufzuerlegen, dass in Zukunft Legitimationspapiere vorzulegen sind.

Seitens der Opposition ist immer wieder behauptet worden, es werde mit heißer Nadel gestrickt, es werde weit über das erforderliche Maß hinausgegangen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies ein außerordentlich wohlüberlegter, angemessener, sachgerechter Gesetzentwurf ist,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie bei jedem Ihrer verfassungswidrigen Gesetze seit Jahren, Herr Mayer!)

der die Grundlage dafür sein wird, dass unsere Sicherheitsbehörden in Zukunft noch besser auch im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus aufgestellt sind.

Jetzt stellt sich die Frage: Welchen Verbesserungsbedarf gibt es vielleicht an der einen oder anderen Stelle? Hier möchte ich eines ganz deutlich ansprechen: Ende Februar hatten wir am Hauptbahnhof in Hannover einen brutalen Angriff einer 15-jährigen Dschihadistin auf zwei Bundespolizisten. Bei dieser Messerattacke ist ein Polizist lebensgefährlich verletzt worden. Es ist glücklichen Umständen zu verdanken, dass er überlebt hat, dass er sich jetzt auf dem Weg der Genesung und Besserung befindet. Aber die Ermittlungen bisher haben gezeigt, dass dieses 15-jährige Mädchen sehr frühzeitig radikalisiert wurde, dass es in die Hände von Salafisten geraten ist.

Deshalb halte ich es für überlegenswert, im Bundesverfassungsschutzgesetz eine ähnliche Regelung zu schaffen, die es schon in manchen Landesgesetzen gibt, dass nämlich unter strengen datenschutzrechtlichen Voraussetzungen auch 14- bis 16-Jährige erfasst werden. Das ist aus meiner Sicht eine sachgerechte, eine notwendige Ergänzung des Bundesverfassungsschutzgesetzes. Mein Wunsch wäre, dass wir uns jetzt in den parlamentarischen Beratungen offen und vorurteilsfrei mit dieser Idee auseinandersetzen. Wir müssen leider Gottes erleben, dass die Radikalisierung in Richtung Salafisten immer frühzeitiger, teilweise schon – wie in diesem Fall – von Kindesbeinen an beginnt. Deshalb ist diese maßvolle Ergänzung des Bundesverfassungsschutzgesetzes aus meiner Sicht auf jeden Fall überlegenswert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wird auch zu überlegen sein, ob wir die Übergangsfrist bei der Neuregelung bezüglich der Prepaidkarten nicht etwas verkürzen. Ich sage ganz persönlich: 18 Monate sind aus meiner Sicht zu lang. Wir betreiben jetzt notwendigerweise ein sehr zügiges Gesetzgebungsverfahren. Ich glaube, dass es den Telekommunikationsdienstleistern nicht zu viel abverlangt, wenn man die Übergangsfrist durchaus auf 12 Monate reduziert. Das ermöglicht auch die entsprechenden Anpassungen. Auch diese Änderung sollten wir uns jetzt im Gesetzgebungsverfahren wohl überlegen.

In diesem Sinne besteht überhaupt kein Grund, jetzt gegen diesen Gesetzentwurf zu hetzen und ihn als überdimensioniert darzustellen. Aus meiner Sicht ist das – anknüpfend an das, was wir in den letzten Monaten ohnehin schon getan haben – eine maßvolle, aber notwendige Ergänzung der gesetzlichen Grundlage für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine zwar zügige, aber auch – das möchte ich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit dazusagen – gründliche und seriöse Beratung im parlamentarischen Verfahren.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Kollege Ströbele erhält nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6907454
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta