Susanne MittagSPD - Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kleiner Themenschwenk: Wir alle haben noch die Bilder von den 71 Menschen im Kopf, die hilflos in einem alten Kühllaster in Österreich erstickt sind. Oder ist das schon zu lange her? Das waren nicht die ersten Opfer krimineller Schleuser, und es werden wahrscheinlich leider auch nicht die letzten sein.
Schleuser nutzen die Not von Menschen aus. Sie versprechen ihnen eine sichere Reise mit Ankunft – der Ankunft wird sich angeblich noch vorher vergewissert – in der Europäischen Union und kassieren sie gnadenlos ab. Dass 3 000, 4 000 Euro oder 10 000 Euro, für ganze Familien bis zu 90 000 Euro gezahlt werden, ist keine Seltenheit. Von Menschen, die in ihrer Heimat alles hinter sich gelassen haben, oftmals nur ihr Leben retten konnten, werden solche Summen verlangt.
Die Schleusungen sind in Streckenabschnitte aufgeteilt. Sie sind dort organisiert. Die Menschen gehen sozusagen von Hand zu Hand. Diese Erkenntnisse dürfen wir nicht tatenlos hinnehmen.
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Wir reden hier über ein Gesetz zur Terrorismusbekämpfung!)
– Ganz entspannt.
Wir müssen endlich in ganz Europa eine vernünftige Kontingentlösung für Flüchtlinge aus Kriegen und Versklavung finden. Das kann ja wohl nur zur Zustimmung führen. Wir müssen sichere Fluchtwege schaffen, um die Menschen nicht in den Händen von kriminellen Schleusern landen zu lassen.
Ich bin Frank-Walter Steinmeier sehr dankbar, dass er in Verhandlungen steht, damit die Menschen in ihren Herkunftsländern noch auskömmliche Bedingungen vorfinden, dass sie dort überhaupt leben können und nicht flüchten müssen.
Wir müssen aber auch bei den Kriminellen selbst ansetzen, und das – jetzt sind wir beim Thema – bewirkt der vorliegende Gesetzentwurf. Er sieht nämlich vor, dass die Bundespolizei, die innerhalb der Ermittlungsbehörden für die Bekämpfung der Schleuserkriminalität zuständig ist, endlich auch verdeckte Ermittler einsetzen darf. Das ist gut so und überfällig; denn in diesem Bereich sind internationale kriminelle Netzwerke aktiv, die bis in unser Land reichen und vollkommen abgeschottet arbeiten. Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2015 unter der Rubrik „Einschleusen von Ausländern“ immerhin schon ungefähr 11 800 Verfahren auf. Das ist nicht gerade wenig. Nur wenn wir der Bundespolizei die Möglichkeit geben, Beamte in diesem Bereich verdeckt einzusetzen, kann es gelingen, solche Netzwerke zu erkennen und Täter zu ermitteln. Das BKA und auch viele Landespolizeien setzen verdeckte Ermittler ein – nicht häufig, aber mit Erfolg. Diesen Erfolg wünsche ich mir auch für die Ermittlungen gegen die Schleuser.
Im November vergangenen Jahres hat die Bundespolizei bei einer Razzia mit fast 600 Beamten in drei Bundesländern 15 Festnahmen durchgeführt. Bei den Durchsuchungen wurde deutlich, wie gefährlich diese Gruppierungen sind. Es wurden unter anderem Macheten, Schwerter, Kampfmesser, Munition für Handfeuerwaffen und 5 Kilogramm Sprengstoff sichergestellt. Das ist eine Sammlung von Waffen, die nachdenklich stimmen kann. Ich denke, sie verdeutlicht die Gewaltbereitschaft dieser Kriminellen.
Deswegen ist es beim Einsatz von verdeckten Ermittlern unverzichtbar, dass diese zur Eigensicherung auch in Wohnungen von Tatverdächtigen mit technischen Mitteln abhören und aufzeichnen dürfen. Ja, damit wird der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung und damit ein Grundrecht berührt. Deshalb sind die Aufnahmen unverzüglich zu unterbrechen, sobald dies ohne Gefährdung des verdeckten Ermittlers möglich ist. Es gilt also der Grundsatz: So viel und so lange, wie für den Schutz des Ermittlers nötig, aber so wenige Daten wie möglich. Die Maßnahmen werden im Normalfall von der Spitze der Bundespolizei, also dem Präsidenten oder einem Stellvertreter angeordnet. Nur bei Gefahr im Verzug können Beamte des höheren Dienstes der Bundespolizei eine Anordnung aussprechen, die dann unverzüglich von einem Gericht bestätigt werden muss. Das ist also kein einfaches Verfahren.
Wir werden in den Ausschussberatungen und der Anhörung sicher darauf zu sprechen kommen, welche Delikte und Sachverhalte diesen weitreichenden Eingriff rechtfertigen. Aber wir sind es den Bundespolizisten schuldig – ich denke, da können wir uns einig sein –, dass wir alles möglich machen, um sie bei diesem gefährlichen Einsatz zu schützen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mein Kollege Uli Grötsch hat schon einiges zu den Prepaidkarten gesagt. Es ist wirklich ein schlechter Scherz, dass seitens des Innenministeriums dieses Problem erst jetzt geregelt wird. Wir hatten gehofft, dass das schon eher geregelt wird. Mein Kollege Gerold Reichenbach mahnt diesen Regelungsbedarf schon seit Jahren an. Er hat das immer wieder erwähnt. Trotzdem ist es schön, dass das jetzt passiert.
Kriminelle aller Schattierungen versorgen sich nämlich in Deutschland mit SIM-Karten und müssen sich dabei nicht einmal richtig ausweisen. Dass Comicnamen zur Anmeldung genutzt werden, hat der Innenminister ja schon zur Genüge dargelegt. Darauf brauche ich nicht extra einzugehen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen wir schnell noch machen, bevor es verboten wird!)
Für den Verkäufer und den Käufer könnten die neuen Regelungen eventuell etwas unbequemer sein – das Gesetz sieht ja lange Umsetzungsfristen vor; es wurde schon vorgeschlagen, sie zu verkürzen –, aber das kann hier weiß Gott nicht der Maßstab sein. Kriminelle und Terroristen arbeiten nämlich ähnlich, und der Terrorismus finanziert sich unter anderem durch organisierte Kriminalität, auch in Deutschland. Die Bürgerinnen und Bürger haben großes Verständnis für kleinere Unbequemlichkeiten, wenn sie zu einem Mehr an Sicherheit führen. Viele wünschen sich ein größeres Maß an Sicherheit. Sie fühlen sich von Kriminalität und Terror bedroht und sind verunsichert. Das subjektive Gefühl der Menschen sollte auch zählen. Wir als Politik müssen die Ängste ernst nehmen und uns damit auseinandersetzen. Wir müssen die reale Faktenlage beurteilen, sei es bei Terror oder Kriminalität, unsere Schlüsse daraus ziehen und Entscheidungen fällen. Sicher sein und sicher fühlen – das muss der Maßstab für die Politik sein. Wir wollen vor der Verschlimmerung der Lage agieren und nicht später verpassten Chancen für mehr Sicherheit und Ermittlungsmöglichkeiten nachtrauern. Deswegen denke ich, dass der heute eingebrachte Gesetzentwurf ein guter Schritt in die richtige Richtung ist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Clemens Binninger erhält nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung |