Clemens BinningerCDU/CSU - Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will zu Beginn meines Beitrages auf die Kritik von Herrn Ströbele am Bundesinnenminister eingehen, worin er ihm vorgehalten hat, dass er das Bundesverfassungsgericht in unzulässiger Weise kritisiert habe, weil es in seinem Urteil dem Ziel der Terrorabwehr nicht gerecht werde. Es war auch die Rede davon, dass das Urteil zum BKA-Gesetz verfassungsrechtlich überzogen sei und dass es Probleme bereiten werde, die Anforderungen in der Praxis umzusetzen, auch davon, dass es nicht in allen Aspekten dem Ziel einer Terrorabwehr gerecht werde. Ja, davon war die Rede.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber nicht vom Innenminister! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil er verloren hat, war er beleidigt!)
Allerdings stammen diese Sätze von den beiden Richtern des Senates, die anderer Auffassung als die Mehrheit des Senates waren.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so! Er hat es nicht gelobt!)
Diese Sätze stammen von zwei Verfassungsrichtern; Sie können sie nicht dem Minister vorhalten, wenn er sie sich zu eigen macht.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat also nur aus dem Urteil zitiert, Herr Binninger! Jetzt verstehe ich das!)
Da empfehle ich dann, das Urteil ganz zu lesen, auch die abweichenden Voten, und nicht nur das zu lesen, was einem gefällt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Natürlich zählt die Mehrheit. Aber wenn Richter dieses Senates diese Auffassung haben, dann darf, so glaube ich, ein Minister darauf auch hinweisen. Das ist meines Erachtens in Ordnung.
(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir reden aber heute über ein Gesetz, das wir brauchen, weil die Bedrohungslage durch den Terror ernster denn je ist. Die Zahlen machen es deutlich: 500 Gefährder alleine aus Deutschland, mehrere Tausend aus Europa. Wenn wir uns die Anschlagsplanungen oder die leider realisierten Anschläge der letzten Monate anschauen – Istanbul, Paris, Brüssel, die Pläne hier für Berlin, jetzt die Pläne für Düsseldorf –, so ist eines fast immer festzustellen, nämlich, dass ein Teil der Täter schon irgendwo in Europa bekannt war. Es gab schon Erkenntnisse über diese Leute; aber die Erkenntnisse sind nicht zusammengeflossen. Deshalb ist es meiner Meinung nach dringender denn je notwendig, dass wir alles dafür tun, damit wir wissen: Wo sind Terrorverdächtige? Wo halten sie sich auf? Wohin reisen sie? Wohin fliegen sie? Mit wem telefonieren sie? Wohin fließt das Geld?
Genau das haben wir mit dem, was wir in der Vergangenheit gemacht haben, getan,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
und wir ergänzen es jetzt dort, wo es noch Lücken gibt, weil wir nur so wirksam gegen den internationalen Terror vorgehen können. Darauf zu verzichten, wäre mehr als fahrlässig, und dafür stehen wir und diese Regierung nicht zur Verfügung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber nicht im Gesetz!)
Jetzt zu den zwei Punkten, die mir wichtig sind, die im Gesetzentwurf stehen und auf die ich abheben will. Natürlich funktioniert dieser Zusammenfluss an Informationen nur, wenn sich Nachrichtendienste in Europa austauschen dürfen, in einem klar geregelten Rahmen.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So klar ist der aber nicht!)
Wir müssen doch wissen, welche Erkenntnisse die belgischen Sicherheitsbehörden haben, und sie müssen es von uns genauso wissen. Düsseldorf und Brüssel sind auch nicht so weit auseinander. Wir müssen wissen, wenn Attentäter, die in Paris aufgefallen sind, hier viermal gemeldet waren.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles unstrittig!)
Dies zusammenzuführen, solche Erkenntnisse in gemeinsamen Dateien zusammenzuführen, halte ich für mehr als notwendig,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bestreitet niemand!)
und anders, als heute Morgen dauernd behauptet wird, sind diese Dinge in diesem Gesetzentwurf – § 22b Bundesverfassungsschutzgesetz – klar geregelt.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)
Sie mögen darüber streiten, wie Sie ihn verstanden wissen wollen; aber geregelt ist es, nach klaren rechtsstaatlichen Prinzipien. Die Voraussetzungen müssen vorliegen, sonst sind diese Dateien nicht notwendig.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht einmal der Minister kann abschließend sagen, mit wem und mit wem nicht!)
Diese Dateien sind wichtig, weil wir sonst vieles nicht erfahren. Wenn es gelingt, was wir alle nicht hoffen, dass sich einmal eine Anschlagsgefahr hier in Deutschland realisiert, wird das verheerende Wirkungen auf die Sicherheitslage haben. Darum tun wir alles, um das zu verhindern, und die gemeinsamen Dateien sind ein wichtiger Punkt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht im Gesetz etwas von Terrorismus?)
– Es sind die Gefahren beschrieben,
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)
und Sie werden ja nicht ernsthaft abstreiten wollen, Kollege Ströbele, dass Bombenanschläge, auch wenn sie vielleicht nicht unmittelbar terroristisch motiviert sein mögen, trotzdem erhebliche Gefahren darstellen
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Gefahr!)
und dass die Vorbereitung eines Bombenattentats doch ein so relevantes Ereignis ist, dass wir nicht darauf verzichten können, Informationen über Tatverdächtige zu bekommen. Es kann doch niemand ernsthaft erwarten, dass wir bei Planungen solcher Ereignisse wegsehen. Wir tun es nicht mehr; deshalb schaffen wir diese gemeinsamen Dateien – völlig zu Recht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schreiben es aber nicht rein!)
Der zweite Punkt, der mir wichtig ist, weil hier meines Erachtens eine Lücke geschlossen wird, geht über das Thema Terrorismusbekämpfung hinaus und betrifft – zu Recht – auch die sonstige Kriminalität: Wir machen die Erfahrung – auch in den Untersuchungsausschüssen und gerade bei dem zu NSU –, dass für die Kommunikation unter den NSU-Terroristen Prepaidhandys eingesetzt werden. Wenn die Ermittler dann nachfragen, auf wen dieses Prepaidhandy zugelassen ist, kommt zwar nicht Donald Duck heraus, aber irgendeine Adresse, die es nicht gibt. Man würde ja schon gerne wissen: Mit wem hatte Beate Zschäpe nach dem 4. November noch Kontakt? Es gibt eine SMS an sie nach dem 4. November mit einer Adresse in Stuttgart. Nur existiert sie nicht, weil derjenige, der damals das Handy gekauft hat, eine falsche Adresse und einen falschen Namen angegeben hat
(Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
und dies nicht überprüft wurde. Genau das verlangen wir jetzt: Zukünftig müssen diese Daten anhand des Personalausweises oder ähnlicher Papiere überprüft werden. Das ist mehr als überfällig, und Kollege Reichenbach, der schon lange dafür geworben hat, kann sich jetzt auch durch die Umsetzung bestätigt fühlen. Darauf zu verzichten, wäre wirklich Unfug. Das machen wir nicht. Deshalb regeln wir das jetzt an dieser Stelle.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Gestatten Sie mir noch kurz einen Blick auf die Politik der Grünen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Mit denen regieren Sie ja in Baden-Württemberg!)
Wo wären wir in diesem Land mit unseren Sicherheitsbehörden, wenn Sie allein – dieser Fall wird nicht eintreten; das ist hypothetisch – das Sagen hätten? Ich will es an drei Beispielen deutlich machen.
Als wir 2014 die Antiterrordatei im zweiten Anlauf nach den Vorgaben von Karlsruhe neu konzipiert haben – dabei geht es um den Zusammenfluss von Informationen von Polizei und Verfassungsschutz in Deutschland –, waren Sie dagegen. Jedoch waren alle hochzufrieden damit. Keiner würde sie missen wollen. Wenn es aber nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir bis heute keine Antiterrordatei.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Furchtbar!)
Als wir die Terrorismusbekämpfungsgesetze – sie stammen aus rot-grüner Zeit – verlängert haben, weil sie Ende des Jahres 2015 ausgelaufen wären – durch diese Gesetze erlauben wir den Nachrichtendiensten, bei Terrorverdächtigen Informationen über ihre Reisebewegungen, über die Bankbewegungen und die Telefondaten einzuholen –,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber strenger kontrolliert!)
waren Sie was? Sie waren dagegen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir Änderungen eingefordert haben! Herr Binninger, so undifferenziert sind Sie doch sonst nicht!)
Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir diese Gesetze heute nicht mehr. Das müssen Sie sich anhören. Man kann nicht immer dagegen sein und sich hier einen schlanken Fuß machen. Man muss sich auch einmal vorhalten lassen, wo wir dann in diesem Land wären.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das dritte Beispiel.
Herr Binninger, darf der Kollege Ströbele Ihnen eine Zwischenfrage stellen?
Ja. Dann habe ich noch eine Sekunde Redezeit. Das reicht für mein drittes Beispiel. Jetzt wird die Uhr ja angehalten. – Sie dürfen.
Herr Ströbele, bitte.
Herr Kollege Binninger, ich weiß, dass ich nicht schon wieder darauf drängen sollte, aber ich stelle die Frage trotzdem; denn es stimmt einfach nicht. Es ist in der Tat so, dass wir – auch unter Schmerzen – Antiterrorgesetze in rot-grünen Zeiten geboren haben, aber sehr restriktiv und mit erheblichen Einschränkungen. Wir haben danach bei der Verlängerung nicht zugestimmt, weil Sie diese Restriktionen weitgehend gestrichen haben.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)
Sollen wir Ihnen das hier im Einzelnen darlegen? Das war der Grund, warum wir das gemacht haben. Sie konnten es nicht lassen, rechtsstaatliche Garantien abzubauen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen auch noch das beste Gesetz verfassungswidrig, Herr Binninger! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Wo war die Frage?)
Bei den Terrorismusbekämpfungsgesetzen war das sicher nicht der Fall. Fakt ist: Sie haben diesem Gesetzentwurf nicht zugestimmt.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie es unzulässig ausgeweitet haben! Sie müssen die Geschichte komplett erzählen!)
Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wären die Gesetze Ende 2015 ausgelaufen und die Nachrichtendienste hätten ein wichtiges Instrument nicht mehr gehabt. Sie hätten auch keine Antiterrordatei gehabt.
Das dritte Beispiel – ich habe noch eine Sekunde Redezeit, die der Präsident hoffentlich etwas verlängert –: Uns allen war klar, dass wir die Reisebewegungen von IS-Kämpfern von Deutschland in Krisengebiete verhindern müssen. Daher haben wir die Möglichkeit geschaffen, Personalausweise von IS-Kämpfern einzuziehen. Das wird von der Bundespolizei auch angewandt, und zwar erfolgreich.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird aber gar nicht kontrolliert!)
Wer war dagegen? Die Grünen waren dagegen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Pässe sind denn eingezogen worden, Herr Binninger?)
Hätten wir nach Ihrem Willen gehandelt, hätten wir auch diese Möglichkeit nicht. Die Dienste hätten weniger Befugnisse.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Personalausweise wurden eingezogen?)
Wir hätten keine gemeinsame Datei, und IS-Terroristen könnten nach wie vor ungehindert durch Europa reisen. Das wäre das Ergebnis Ihrer Politik gewesen. Das müssen Sie sich heute schon vorhalten lassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deshalb glaube ich, dass wir mit einer Reihe von Bausteinen – über diese kann man politisch streiten und über manche auch rechtlich – in dieser Großen Koalition viel zur Sicherheit beigetragen haben. Ich will auch sagen: Vieles wäre mit anderen Koalitionspartnern so nicht möglich gewesen. Darum einen herzlichen Dank an die SPD.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Frank Tempel [DIE LINKE]: Mit uns nicht!)
– Das stimmt auch. – Hier haben wir einen guten Beitrag für die Sicherheit unseres Landes geleistet. Deshalb kann man diesem Gesetzentwurf nur zustimmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Frank Tempel [DIE LINKE]: Da haben Sie recht, Herr Binninger! Mit uns wäre der Blödsinn nicht machbar!)
Karl-Heinz Brunner ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung |