09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 3

Karl-Heinz BrunnerSPD - Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung

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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren Gäste auf den Zuschauertribünen! Den Dank kann ich insoweit zurückgeben.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Damit haben wir den Austausch von Höflichkeiten heute fürs Erste erledigt.

Die Terroranschläge in Paris, in Brüssel, in Istanbul und Tel Aviv, um nur einige zu nennen, verändern schlagartig das Verhältnis zur Sicherheit, und zwar bei jedem individuell. Jeder will sicher sein. Jeder will sicher sein individuelles Leben führen – ein Leben ohne Angst, ein Leben in Freiheit, und zwar in der Freiheit, der, wenn wir es genau nehmen, die Anschläge gelten und die uns die Terroristen nehmen wollen.

Der Herr Präsident hat heute Morgen, wofür ich mich herzlich bedanke, die Freiheit angesprochen: die Freiheit der Abgeordneten dieses Hauses, des Hohen Hauses, das die Freiheit hat, seine Entscheidungen frei zu treffen. Aber die gleiche individuelle Freiheit ist es, die die Terroristen den Menschen in der Europäischen Union und in Deutschland nehmen wollen. Deshalb würde ich den Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus eigentlich gerne – das ist der einzige Punkt, in dem ich mit dem Kollegen Ströbele einer Meinung bin – mit Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens überschreiben; denn es geht um die Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Terroristen sind nichts anderes als Verbrecher, deren Taten geahndet und die mit der Härte des Gesetzes entsprechend bestraft werden müssen.

Ich möchte den Blick auf einen weiteren Aspekt, auf den es auch ankommt, richten, nämlich auf den Konflikt zwischen Sicherheit und Freiheit. Es ist notwendig, beides zu stärken, und beides gilt es zu bewahren. Gerade angesichts dieses Spannungsfeldes ist es verständlich, wenn nicht sofort, quasi aus der Hüfte geschossen, wie es in Talkshows ja gern geschieht, ein abgewogener, sicherheitspolitisch notwendiger, rechtspolitisch sauberer und gesellschaftspolitisch ausgewogener Vorschlag auf den Tisch gelegt wird. Der heutige Gesetzentwurf bzw. das Paket, das heute vorliegt, hält diesen Anforderungen nach meiner Auffassung sehr wohl stand. Dieser Gesetzentwurf erklärt, dieser Gesetzentwurf regelt, und dieser Gesetzentwurf beinhaltet vernünftige, abgewogene Vorschläge.

Niemand, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kann verstehen, dass Anschläge auf wehrlose Menschen schon allein deshalb nicht aufgeklärt, geschweige denn verhindert werden können, weil unterschiedliche Behörden und Dienste ihre Informationen untereinander nicht abgleichen, sie nicht verknüpfen und nicht auswerten. Gerade um dies zu ermöglichen und gleichzeitig unsere Freiheitsrechte und unsere Rechte insgesamt zu schützen, bedarf es klarer Regeln, quasi eines Korridors.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch ganz klar sagen: Nicht alles, was technisch machbar ist, und nicht alles, was aus Sicht der Dienste schön wäre und in manchen Talkshows gewünscht wird, kann sich in diesem Gesetzentwurf wiederfinden. Es findet sich darin auch nicht wieder, dies schon allein deshalb nicht, weil nicht alle Mittel durch den Zweck geheiligt werden.

Mit der Schaffung der Counter Terrorism Group und der Rechtsgrundlagen für die gemeinsame Datennutzung von EU und NATO – daran beteiligen sich im Übrigen auch das norwegische Königreich und die Schweizer Eidgenossenschaft – ist eine leistungsfähige Plattform geschaffen, eine Plattform, mit der parallel zum Schließen von Strafbarkeitslücken die Befugnisse der Bundespolizei zu Recht und mit Augenmaß ergänzt und Regelungslücken, zum Beispiel im Hinblick auf Prepaidhandys, geschlossen werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn ich in meinem Wahlkreis bin, gehe ich regelmäßig auf den Wochenmarkt. Wenn ich mich dort mit Menschen unterhalte und ihnen sage, dass es Terroristen bzw. Verbrechern nach derzeitiger Gesetzeslage freigestellt ist, ob sie mit ihrem Handy ermittelt werden oder nicht, fragen sich viele: Wieso schließe ich dann überhaupt einen Vertrag bei T-Mobile, Vodafone oder einem anderen Anbieter ab, wenn ich selbst darüber entscheide? Nein, es gilt: Es darf auch hier keinen rechtsfreien und schon gar keinen rechtlosen Raum in unserem Land geben. Er wird mit diesem Gesetz geschlossen.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße das nunmehr erzielte Ergebnis ganz ausdrücklich. Ich begrüße es auch deshalb, weil sich der Einsatz auch und gerade der beiden Minister de Maizière und Maas gelohnt hat. Sie haben das Notwendige getan, ohne dabei über das Ziel hinauszuschießen, und gleichzeitig die individuellen Freiheitsrechte des Einzelnen erhalten.

Der heutige Gesetzentwurf ergänzt die bereits seit 2007 und 2014 bestehenden Antiterrorgesetze sehr maßvoll und fügt sich in die Sicherheitsstruktur Europas ein. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit vertieft auf das Wort „Europa“ eingehen. Europa ist hier gefragt, und unsere Gemeinschaft ist hier gefragt. Wer Europa in diesen Tagen seine Existenzberechtigung und seine Notwendigkeit absprechen will, gerade der wird sehen, dass nur durch die Zusammenarbeit innerhalb Europas – der europäischen Dienste, der europäischen Innenminister und der europäischen Sicherheitsorgane – die Sicherheit, die wir in Europa benötigen, geschaffen werden kann. Auch hier gilt also: Wir brauchen mehr und nicht weniger Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieser Gesetzentwurf verdeutlicht gleichzeitig den hohen Stellenwert unserer Individualrechte. Er schafft Möglichkeiten zur Terrorismusabwehr, und er schafft Möglichkeiten, uns auf den neuesten technischen Stand zu bringen, uns dort zu halten und auf neue Gefährdungslagen mit neuen Instrumentarien zu reagieren. Dies ist sinnvoll, gute Politik und auch notwendig; denn nur so kann der Staat, der Garant für Freiheit und Sicherheit, den größtmöglichen Schutz der Bürger generieren und grundgesetzlich geschützte Rechte wahren.

Sicherheit und Freiheit sind zwei Seiten einer Medaille. Keine kommt ohne die andere aus – wie bei einer Münze. Keine macht ohne die andere Sinn. Das richtige Mittelmaß zu finden, das ist unsere Pflicht.

Ich freue mich auf die Beratungen, die sicherlich ein gutes Ergebnis finden werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wolfgang Bosbach ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Endlich! Setzt den Helm auf! Jetzt kommt scharfes Geschütz!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6907509
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung
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