Thomas FeistCDU/CSU - Berufliche Bildung
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in Deutschland zwei Systeme der Bildung, die sich an die Schule anschließen: Das sind die akademische und die berufliche Bildung. Beide Systeme – das ist meine tiefe Überzeugung – müssen im Gleichklang sein, weil sie gleichwertig sind.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir heute den Berufsbildungsbericht zur Kenntnis nehmen und debattieren, dann stellen wir fest, dass die Zahl derer, die eine berufliche Bildung beginnen, nahezu konstant geblieben ist und die Zahl derer, die eine akademische Laufbahn zumindest anfangen – ich rede nicht von vollenden – stark gestiegen ist. Das ist aus meiner Sicht etwas, wo die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung aus dem Lot zu geraten scheint. Deswegen ist es unsere Aufgabe, uns etwas stärker für die berufliche Bildung zu engagieren. Ich bin unserer Ministerin Frau Professor Wanka sehr verbunden, dass sie diesen Ansatz des Parlaments nach Kräften unterstützt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Berufliche Bildung bedeutet nicht – das kann man nicht oft genug sagen –, dass man einen Gesellenbrief macht. Das auch, aber danach geht es weiter. Man kann sich weiterbilden, zum Beispiel zum Techniker, Betriebswirt, Meister. Die berufliche Bildung bietet viele Aufstiegschancen. Wir haben einige verbessert, zum Beispiel durch ein verbessertes Meister-BAföG. Aber wir müssen dafür werben, dass der Blick für den Aufstieg in der beruflichen Bildung neu geschärft wird; das ist ein ganz wichtiger Punkt. An dem sind wir auch dran.
Man muss sehen, wer eine berufliche Ausbildung anfängt. Der Berufsbildungsbericht 2016 zeigt deutlich, dass mittlerweile ein Viertel derer, die das Abitur erworben haben, der Meinung ist, dass die berufliche Bildung attraktiv ist; denn man hat nach einer beruflichen Bildung die Möglichkeit, nicht nur sich weiter- und fortzubilden, sondern auch ein Studium zu beginnen. Ich finde es wichtig, dass wir allen Schülern in allen Schulformen schon frühzeitig das Wissen um die berufliche Bildung und ihren Wert vermitteln. Das schließt die Gymnasien ein.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir müssen auch verstärkt auf die Lehrer zugehen. Die Lehrer kommen aus der Schule, gehen zum Studium und gehen wieder in die Schule. Ich möchte ihnen keinen Vorwurf daraus machen, dass sie die berufliche Bildung nicht kennen. Aber die Lehrer streben gerade in ihrer akademischen Laufbahn einen Abschluss an, der auf eine bestimmte Verwendung abzielt. Wir haben gemeinsam mit den Lehrern gute Möglichkeiten, dort anzuknüpfen und für die berufliche Bildung zu werben sowie dafür zu sorgen, dass eine flächendeckende Berufsorientierung gewährleistet ist.
Mancher, der ein Studium gewählt hat, stellt erst nach ein, zwei Semestern fest, dass ein Studium der falsche Weg ist. Für Fälle, in denen so etwas passiert – das ist immer möglich –, müssen wir aber Vorsorge treffen. Das haben wir getan. Wir haben gemeinsam mit dem Ministerium die Initiative „Chance Beruf“ gestartet, um denjenigen, die nach wenigen Semestern der Meinung sind, dass eine berufliche Ausbildung vielleicht besser ist, eine entsprechende Beratung an den Hochschulen zu ermöglichen. Es ist gut, dass wir diesen Menschen eine Perspektive eröffnen. Ein abgebrochenes Studium darf nicht bedeuten, dass man gescheitert ist. Vielmehr zeigen wir, dass man den Umstieg in die berufliche Bildung wagen kann. Dafür ist es nie zu spät.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn wir uns den Berufsbildungsbericht 2016 genau anschauen, dann stellen wir fest, dass es immer weniger Betriebe gibt, die ausbilden. Das hängt aus meiner Sicht ganz entscheidend damit zusammen, dass wir vor mehr als zehn Jahren etwas getan haben, was man durchaus als Fehler bezeichnen kann. Wir haben damals für viele Berufe die Meisterpflicht abgeschafft, um die Mobilität zu erhöhen; das ist auch gelungen. Aber was ist denn Mobilität ohne Qualität wert? Das ist nichts wert! Ich will das beispielhaft an dem Beruf des Fliesenlegers im Baugewerbe verdeutlichen. Hier haben wir die Meisterpflicht ebenfalls abgeschafft. Damals gab es 12 000 Meisterbetriebe im Fliesenlegerhandwerk. Mittlerweile hat sich die Zahl der Fliesenlegerbetriebe in Deutschland auf 72 000 versechsfacht. Aber die Ausbildungsquote ist um 50 Prozent gesunken. Die Meisterquote – der Aufstieg – im Fliesenlegerhandwerk ist sogar um 80 Prozent zurückgegangen. Deswegen sollten wir uns gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament – denn sie entscheiden das – dafür starkmachen, diesen Schritt nach Möglichkeit zu korrigieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Gestatten Sie mir abschließend noch einen Hinweis. Natürlich kann die Politik Rahmenbedingungen und gute Bedingungen für die berufliche Bildung schaffen. Dennoch schafft Politik nicht einen einzigen Ausbildungsplatz, von einigen wenigen hier im Parlament, die es auch gibt, abgesehen. Deswegen, denke ich, ist es gut und richtig, an dieser Stelle auch der Wirtschaft, dem Mittelstand und dem Handwerk dafür zu danken, dass wir die Zahlen haben, die wir im Berufsbildungsbericht nachlesen können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir unterstützen diese Unternehmen dabei, dass sie gute Lehrlinge finden. Ausbildungsmärkte sind regionale Märkte; da kann man auch von Sachsen lernen. Ich freue mich, dass die Vertreterin Sachsens auf der Bundesratsbank Platz genommen hat.
(Rainer Spiering [SPD]: Sonst lernen wir immer nur von Sachsen!)
In Sachsen haben wir die Anzahl der Auszubildenden um 2,3 Prozent erhöhen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Man sollte einmal überlegen, warum das gelungen ist. Man kann davon lernen.
Abschließend noch eines. Darüber wird sich der Kollege Spiering, der gerade ein bisschen gemosert hat, besonders freuen. Auch die Länder sind in der Pflicht. Das meine ich besonders im Hinblick auf die Berufsschulen. Die Berufsschulen, die oftmals in den Kultusministerien nicht als das fünfte, sondern als das sechste oder siebente Rad angesehen werden, müssen verstärkt gefördert werden. Es geht nicht darum, dass wir die Länder auffordern, Kathedralen zu bauen, aber eine gute Ausstattung der Berufsschulen ist nötig und wichtig. Wir werden diesen Schritt nach Möglichkeit unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Dr. Rosemarie Hein.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6907862 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Berufliche Bildung |