09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 7

Iris EberlCDU/CSU - Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2015

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich bitte um die Einführung eines achten Wochentages, denn nur so kann ich einmal pro Woche meine Seele baumeln lassen!

Das war der Inhalt einer Petition vor einigen Jahren. Auch sie landete nicht einfach im Papierkorb. Der Ausschuss beriet den Bürger:

Entspannen Sie sich. Nutzen Sie einen der sieben existierenden Wochentage.

(Heiterkeit)

Aber Spaß beiseite. Ist es nicht ein Privileg für uns Bürger, in einer funktionierenden Demokratie zu leben, das eigene Parlament kritisieren zu dürfen: „Hier ist etwas falsch; macht es besser“? Artikel 17 des Grundgesetzes garantiert das Petitionsrecht für jedermann. Kein Petent hat anschließend Repressalien zu befürchten. Das ist großartig und bei weitem nicht in allen Staaten selbstverständlich.

Ich habe nun vor, Ihnen und der Öffentlichkeit einen Livebericht aus dem Werkstattraum dieses etwas anderen Parlamentsausschusses zu geben. Ich beginne mit einer Petition, bei der uns die Entscheidung leicht fiel.

Ein Petent bat den Deutschen Bundestag, er möge beschließen, die monatliche Zuwendung für Haftopfer der politischen Verfolgung in der DDR gemäß § 17a des Strafrechtlichen Rehabilitationsgesetzes entsprechend der Inflationsrate zu erhöhen. Er selbst erhielt eine monatliche Zuwendung von 250 Euro und wies darauf hin, die Inflationsrate betrage seit 2011 bereits 6 Prozent. Tatsächlich waren die Opferpensionen seit 2007 nicht mehr erhöht worden. Es ging dabei um fast 45 000 Fälle.

Der Ausschuss beschloss, die Petition dem Bundesjustizministerium als Material zu überweisen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben. Das Ergebnis war eine Erhöhung von 250 Euro auf 300 Euro, also sogar eine Erhöhung um 20 Prozent.

Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Entscheidungsfindung im folgenden Beispiel:

Beim An- und Verkauf von Aktien können erzielte Gewinne und erlittene Verluste einkommensteuerrechtlich gegengerechnet werden. Ein Petent – ein Kleinaktionär wohlgemerkt – beklagt, dass er Erspartes in Aktien einer AG angelegt hatte, diese Insolvenz anmelden musste, woraufhin seine Aktien nichts mehr wert waren und aus seinem Depot verschwanden. Sie wurden zwangsausgebucht und existierten für ihn nicht mehr. Also konnte er sie auch nicht verkaufen.

Das Steuerrecht sagt: Wenn kein Verkauf getätigt wird, kann steuerrechtlich auch kein Verlust entstehen. Der Schuldige hierfür ist der § 20 im Einkommensteuergesetz, der ein Veräußerungsgeschäft voraussetzt, damit ein Gewinn oder aber ein Verlust entsteht. Das Veräußerungsgeschäft verlangt zwei Teile: die Anschaffung und die Veräußerung von ein und derselben Aktie. Was aber nicht mehr existiert, kann vom Petenten auch nicht veräußert werden – und ohne Veräußerung kein einkommensteuerrechtlicher Verlust. Für unseren Kleinanleger bedeutete das aber einen Totalverlust; denn der Untergang einer Sache zählt hier nicht.

Ich hoffe, Sie sind gedanklich noch alle dabei.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hätte der Petent seine Aktien vor ihrem Verschwinden für 1 Cent verkauft, dann hätte er seinen Verlust, nämlich Kaufpreis minus 1 Cent, steuermindernd ansetzen können. So konnte er gar nichts ansetzen.

Der Petent beklagt sich meines Erachtens zu Recht über diese Ungerechtigkeit. Wäre er Großanleger, so hätte er einen Portfolio-Betreuer, und er wäre nie in diese Situation geraten. Er hätte die Chance des steuerlich bedeutsamen Verkaufs für ein paar Cent nie verpasst. Der Petent ist aber Kleinanleger. Da derzeit viele Experten raten, die eigene Rente frühzeitig durch Anlagen im Aktienbereich aufzubessern, und so immer mehr Kleinaktionäre in die beschriebene Falle tappen werden, sehe ich es als Pflicht dieses Hauses an, die Bürger davor zu schützen. Dazu ist nur eine kleine Ergänzung in § 20 Einkommensteuergesetz nötig.

Diese Petition wurde dem Bundesministerium für Finanzen überwiesen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis gegeben. Ein abschließendes Ergebnis steht noch aus.

An einem letzten Beispiel will ich zeigen, dass der Petitionsausschuss nicht jede Petition unterstützt, selbst dann nicht, wenn es emotional sehr schwer fällt:

Eine NGO forderte vom Deutschen Bundestag, die Massen- und Intensivtierhaltung bis zum Jahr 2020 abzuschließen. Ihre Begründung war § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz:

Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Wer wollte diese Petition nicht sofort unterstützen!

Bei praktischen Überlegungen kommen jedoch schnell Bedenken, ob das Problem wirklich so einfach zu lösen ist. Ein Beispiel: Die deutsche Gesetzgebung gilt nur in der Bundesrepublik. Wie sieht es aber mit dem Tierschutz in den anderen Ländern aus, gerade in den Ländern, die uns mit noch mehr Fleisch beliefern, wenn wir weniger Tiere auf der gleichen Fläche halten?

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es reicht ja, wenn man es erst einmal hier richtig macht!)

Also müssen wir die EU unbedingt mit im Auge behalten.

So folgte der Ausschuss mehrheitlich dem Vorschlag des Berichterstatters, meines Kollegen Hermann Färber. Die Petition wurde an das Landwirtschaftsministerium überwiesen und, weil sie nur Sinn macht, wenn sie sich auch auf die Haltungsbedingungen in den anderen EU-Ländern bezieht, dem Europäischen Parlament zugeleitet.

(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wird sie jetzt beerdigt!)

Von Europa kommen so viele Verordnungen. Eine Rückmeldung von den Bürgern kann nicht schaden.

Meine Damen und Herren, der Petitionsausschuss nimmt seine Arbeit sehr ernst. Manchmal diskutiert und ringt er um die richtige Entscheidung. Erstaunlicherweise sind die Ansichten darüber, was dem Wohle des Bürgers am meisten dient, zwischen den Fraktionen oft grundverschieden. Das ist eben Demokratie, wie sie leibt und lebt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Heidtrud Henn von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6908173
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2015
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