09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 7

Stefan SchwartzeSPD - Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2015

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Petentinnen und Petenten! Ich möchte mit einem Dank an den Ausschussdienst beginnen, der einen ganz hervorragenden Job erledigt und ohne den viele Petentinnen und Petenten nicht den richtigen Weg finden würden. Sie sind ein sehr, sehr guter Lotse.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Lotse für den ganzen Ausschuss wird uns demnächst verlassen. Das ist Herr Finger. Herr Finger, ich möchte mich bei Ihnen für Ihre Arbeit und auch dafür bedanken, dass Sie immer eine klare Haltung zu einem guten, zeitgemäßen und bürgernahen Petitionsrecht hatten. Vielen, vielen Dank! Ihre Arbeit wird uns fehlen.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir haben gehört, dass nicht alle Petitionen sofort auf den Weg gebracht werden. Das hat manchmal sehr gute Gründe. Wenn man einen Koalitionspartner hat – Herr Storjohann hat das eben wunderbar dargelegt –, dann muss man auch über Inhalte diskutieren und darum ringen. Es ist keinem Petenten geholfen, wenn wir seine Petition mit irgendeinem Votum auf den Weg bringen und dann gar nichts passiert. Man muss also über Inhalte diskutieren und um sie ringen. Sonst hilft alles Gutgemeinte nichts. Das heißt, wir müssen die Inhalte der Petitionen und die Bürgeranliegen sehr ernst nehmen.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kassner zu?

Ja.

Frau Kollegin Kassner.

Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin, und lieben Dank, Kollege Schwartze. – Ich möchte nur wissen, wie Sie dazu stehen, dass nun im neuen baden-württembergischen Koalitionsvertrag festgelegt ist, dass die Abstimmungen im Petitionsausschuss der Koalitionsräson zu unterwerfen sind. Das kritisiert insbesondere Ihr Parteikollege, der scheidende Innenminister Gall. Wie ist Ihre Meinung dazu? Vielleicht könnte man dann manches Problem schneller lösen.

Man könnte vielleicht schneller über die jeweilige Petition entscheiden. Wenn eine gesetzgeberische Umsetzung erfolgen muss, wir uns aber über das Anliegen nicht einig sind, dann ist dem Petenten mit dem Votum des Petitionsausschusses allein nicht geholfen. Mit dem, auf das Sie verweisen, erwecken wir nur den Anschein, dass etwas passiert.

(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es gibt Punkte, über die werden Sie sich nicht einig!)

Auf die von Ihnen geschilderte Weise würden wir zwar dafür sorgen, dass der Petitionsausschuss schnell entscheidet. Aber dem Petenten würde nicht die notwendige Hilfe zuteil. Es ist ein Unterschied – so habe ich das in der letzten Legislaturperiode erlebt –, ob man sich in der Opposition nur in der Arbeitsgruppe und der Fraktion einig werden muss oder ob man sich mit zwei Partnern – in diesem Fall mit der CDU und der CSU – einig werden muss. In letzterem Fall muss man um Inhalte ringen.

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Was bei uns sehr harmonisch ist!)

1979 wunderte sich der damals junge Abgeordnete Franz Müntefering als Mitglied des Petitionsausschusses darüber, dass sich Abgeordnete im Parlament nur so selten über das Petitionswesen austauschen, dass nur einmal im Jahr, also genauso wie heute, die Möglichkeit zur Debatte über die Arbeit des Ausschussdienstes besteht. Wir müssen uns fragen, ob wir eigentlich dem Anspruch, ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie in unserem Land zu sein, gerecht werden. Das Petitionswesen hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Die Onlinepetition war ein Quantensprung. Die öffentlichen Petitionen und die öffentlichen Beratungen haben das Petitionswesen bürgernäher und politischer gemacht. Inzwischen – das durften wir bei den öffentlichen Beratungen erleben – haben die Minister Gabriel und Gröhe Maßstäbe gesetzt, indem sie selbst an den Sitzungen des Petitionsausschusses teilgenommen haben. An diesen Maßstäben wollen wir gerne festhalten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Mal!)

Wir öffnen nun das Petitionswesen für die sozialen Netzwerke und geben den Petenten damit ein Werkzeug in die Hand, für ihre Anliegen zu werben, ein wichtiger Schritt, der in Kürze erfolgt. Wir bauen Hürden ab, um das Petitionswesen inklusiver zu machen. Wie wichtig das ist, hat eine Petition aus meinem Wahlkreis und den umliegenden Wahlkreisen gezeigt. Dort haben Werkstatträte eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen in den Werkstätten gestartet. Bei den Gesprächen, die ich dort geführt habe, konnte ich feststellen, dass nicht jeder Zugang zum Petitionsrecht hat. Man muss hier für vernünftige Erklärungen in leichter Sprache sorgen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben eine entsprechende Broschüre auf den Weg gebracht. Umso schöner ist, dass der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages nun ebenfalls eine solche Broschüre in leichter Sprache erarbeitet. Sie wird in Kürze erscheinen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herr Kollege, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu, eine Frage der Kollegin Rüffer?

Gerne.

Ich habe das gerade in meiner Rede schon angesprochen: In anderen Ausschüssen ist es üblich, dass man über Anträge mit berät, die den eigenen Ausschuss betreffen. Das kommt im Petitionsausschuss sehr selten vor. In dieser Legislaturperiode war das nur ein einziges Mal der Fall, und zwar im Rahmen der Verhandlungen über das Behindertengleichstellungsgesetz, das sich mit dem Komplex der Barrierefreiheit befasst.

Nun hatten wir einen Antrag zu diesem Gesetzentwurf gestellt, der explizit zum Inhalt hatte, im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes das Petitionswesen barrierefrei auszugestalten. Sie wissen, dass wir diesen Antrag nicht inhaltlich beraten haben, und Sie wissen auch, dass die SPD gegen den Antrag gestimmt hat. Ich wüsste jetzt gerne, warum. Broschüren in die Welt zu setzen, ist gut, aber die Gelegenheit zu nutzen, über ein Gesetz, das ohnehin im Verfahren ist, eine saubere Lösung, und zwar nicht nur für eine Personengruppe, sondern für alle, die bestimmte Bedarfe haben, zu finden, wäre doch gut gewesen. Wie stehen Sie dazu?

Liebe Kollegin, wir als Petitionsausschuss sind doch dabei, genau diesen Bereich aufzugreifen. Die Barrierefreiheit unserer Homepage wurde heute schon erwähnt, es wurde darüber gesprochen, dass wir jetzt solche Informationen in leichter Sprache haben.

Wir als Abgeordnete können selbst jederzeit beantragen, dass Antworten oder Ausführungen an die Petenten in leichter Sprache erfolgen. All das können wir bereits tun. Wir als Ausschuss kämpfen gemeinsam dafür, dass die Debatten, die wir führen, bzw. unsere öffentlichen Beratungen von einem Gebärdendolmetscher übersetzt werden. Einmal ist uns das in einer öffentlichen Anhörung gelungen. Leider haben wir da bisher auf Granit gebissen. Aber ich nutze die Gelegenheit hier ganz ausdrücklich, um diese Forderung zu erneuern: Wir brauchen einen Gebärdendolmetscher für die öffentlichen Beratungen des Petitionsausschusses. Wenn wir uns um Bürgeranliegen kümmern, dann um die Anliegen aller Bürger. Jeder muss das verstehen können, und jeder muss Zugang dazu haben.

Für uns Sozialdemokraten ist der Petitionsausschuss mehr als nur ein Kummerkasten. Er ist wesentlicher Bestandteil dieser Demokratie, und er muss das Tor zum Parlament noch weiter öffnen, er muss bürgernäher und er muss transparenter werden. Es geht darum, in Zeiten, in denen immer mehr Menschen die Demokratie anzweifeln, mehr Demokratie zu wagen. Mit diesem Motto und mit diesem Selbstverständnis sollten wir als Petitionsausschuss arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in diesem Jahr zehn Jahre Onlinepetition gefeiert. Wir haben inzwischen eine ganze Reihe von Kampagnenplattformen, die das nachahmen, was wir als Petitionsausschuss auf den Weg gebracht haben. Onlinepetitionen waren damals alles andere als selbstverständlich. Die rot-grüne Koalition hat diese gegen erheblichen Widerstand der Opposition auf den Weg gebracht.

Aber ich muss noch ein Wort zu den Kampagnenplattformen sagen. Auch wenn sie uns nachahmen, so gewährleisten sie nicht, dass das Anliegen derjenigen, die dort eine Petition starten, auch im Parlament landet. Das gewährleistet nur der Petitionsausschuss. Wenn man wirklich etwas ändern will, dann hilft es nicht, nur eine Kampagne zu starten, sondern dann muss man erreichen, dass sich das Parlament damit auseinandersetzt. Wir sind die Gewähr dafür, dass das geschieht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Schluss. Auch wenn wir manchmal inhaltlich streiten, haben wir doch eine gute Zusammenarbeit miteinander. Für die möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen und in den Büros ganz herzlich bedanken. Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei den Petentinnen und Petenten, die dafür sorgen, dass manches Thema, das ihnen auf den Nägeln brennt, auch hier zum Thema wird.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6908233
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2015
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